Elite-Lehrstühle:Deutschlands Nobelpreise

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Die Bundesregierung will viel Geld investieren, um Spitzenforscher nach Deutschland zu locken. Doch der erste Kandidat zögert noch: Sind fünf Millionen Euro auch wirklich genug?

T. Schultz

Wie so viele wissenschaftliche Stars arbeitet der deutsche Genforscher Thomas Tuschl in den USA. Er hat sein Labor an der Rockefeller-Universität in New York. Doch nun will ihn Deutschland mit einem Elite-Lehrstuhl zurücklocken. Der 42-jährige Zellbiologe hat mit seinen Studien zur sogenannten RNA-Interferenz Aufsehen erregt: Tuschl fand einen Weg, menschliche Gene auszuschalten. Mediziner hoffen, auf diese Weise einmal Krankheiten wie Krebs besiegen zu können. Kollegen sehen in Tuschl einen Kandidaten für den Nobelpreis.

Humboldt-Denkmal vor der Berliner Universität: Die Alexander-von-Humboldt-Professur bringt fünf Millionen Euro. (Foto: Foto: dpa)

Den hat Tuschl zwar noch nicht erhalten, dafür kann er sich über eine andere hohe Auszeichnung freuen, gleichsam den Nobelpreis der Deutschen: eine Alexander-von-Humboldt-Professur. Sie bringt fünf Millionen Euro, es ist der höchstdotierte deutsche Wissenschaftspreis. An diesem Mittwoch wird er zum ersten Mal vergeben, und Tuschl ist einer von neun Professoren, die damit auf einen Elite-Lehrstuhl in Deutschland berufen werden sollen. Die Alexander-von-Humboldt-Stiftung verleiht den Preis, gestützt auf das Urteil einer Fachjury. Das Geld kommt von der Bundesregierung.

180.000 Euro persönliches Jahresgehalt

Eine Humboldt-Professur sei "ein starkes Argument für Spitzenforscher, nach Deutschland zu kommen", sagt Forschungsministerin Annette Schavan. In Zeiten milliardenschwerer Rettungspakete für die Banken mögen fünf Millionen Euro kümmerlich klingen. Für einen Professor ist es aber eine stattliche Summe. Der Nobelpreis ist nur mit etwa einer Million Euro dotiert. Bei der Humboldt-Professur fließt das ganze Geld allerdings nicht in die private Schatulle des Forschers, er soll damit Labore einrichten und Mitarbeiter um sich scharen. Die Summe soll zunächst für fünf Jahre reichen. Als persönliches Jahresgehalt für den Professor sind mit dem Preis bis zu 180.000 Euro verbunden.

Thomas Tuschl kann nun an die Freie Universität Berlin gehen, die für sein Labor sogar noch einmal fünf Millionen Euro dazugeben will. Tuschl muss nur noch einschlagen. Er würde wohl gerne. Doch wenn die Rockefeller-Universität ihren Star nicht so einfach ziehen lässt? Die US-Uni kann ein Gegenangebot machen - und das will der begehrte Professor noch abwarten.

Für Helmut Schwarz, den Präsidenten der Humboldt-Stiftung, ist aber jetzt schon klar, dass der Preis bei vielen wirken wird. Während die bundesweite "Exzellenzinitiative" einzelne Forschungsprojekte und ganze Hochschulen fördert, sollen die Humboldt-Professuren helfen, individuellen Wissenschaftlern beste Bedingungen zu bieten. Um sie herum sollen dann "starke Teams" entstehen, sagt Schwarz.

Mangel in der Breite

Unter den neun Preisträgern sind in diesem Jahr Physiker, Biologen und Informatiker, die meisten Deutsche. Sie können auf Elite-Lehrstühle in Berlin, München, Köln, Bonn und Ulm wechseln. Wie Tuschl forscht Ulrike Gaul in New York, sie will an die Universität München gehen und dort die Systembiologie stärken. Sie freue sich auf die Weltoffenheit Münchens, sagt Gaul. In Deutschland verspüre sie eine "Aufbruchstimmung in der Wissenschaft".

Allerdings wird durch die Großzügigkeit, die einige Spitzenforscher erfahren, der Mangel in der Breite um so bedrückender. In vielen Instituten "zieht, tropft oder schimmelt es", beklagt eine Allianz aus Professoren und Studenten vor dem Bildungsgipfel der Kanzlerin. Um die Unis zu sanieren und die Betreuung der Studenten zu verbessern, wären Milliardenbeträge nötig. Doch die fließen derzeit ins Bankensystem, nicht in die Wissenschaft.

© SZ vom 15.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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