Die Patchworker:Alles hat seine Zeit

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Vom Mechaniker zum Student und Unternehmer - und wieder zurück.

Von Christine Demmer

In Günther Jauchs Millionenshow hat alles seine Ordnung. "Bringen Sie diese Begriffe in die richtige Reihenfolge: a) Examen, b) Abitur, c) Erstanstellung, d) Vordiplom." Die Auflösung würde der Moderator dann etwa so deklamieren: "Na, das ist doch ganz einfach. Erst baut man sein Abitur. Dann geht man an die Uni und macht das Vordiplom. Ein kleines oder großes bisschen später folgt das Examen, und danach hofft man auf eine Erstanstellung. Wer hat das gewusst?"

Kolja Freiboth - zur Zeit tüftelt er an einem Business Plan. (Foto: Foto: SZ)

Kolja Freiboth hat das zwar alles gewusst, aber er richtete sich nicht danach. Nach dem Abitur machte er eine Lehre zum Industriemechaniker und baute anschließend ein Jahr lang bei Melitta und AEG Produktionsstraßen auf und um. Dann studierte er an der Technischen Universität in Berlin Produktionstechnik und Politikwissenschaften. Ziel: Berufsschullehrer. Nach drei Semestern verlor er die Lust und wechselte ins Fach Wirtschaftswissenschaften. Das jedoch wurde ihm schon bald zu theoretisch, und so schraubte er lieber an seiner alten Vespa, bretterte durch die Lande und betrieb mit zwei Freunden - im Sinne angewandter Ökonomie - einen schwungvollen Handel mit alten Motorrollern.

"Oldies sind mein Hobby. Mit Service, An- und Verkauf wollte ich mein Studium finanzieren", sagt Kolja Freiboth. Das Geschäft schlug ein, flugs ward eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, und der 27-jährige Student avancierte noch vor dem Vordiplom zum Geschäftsführer. "Nach zweieinhalb Jahren war der Break-Even erreicht. Ich konnte mich gut davon ernähren, wobei ich im ersten halben Jahr noch einen Nebenjob hatte." Damit meint er nicht das Studium. Denn dazu kam er vor lauter Arbeit gar nicht. Inzwischen standen vier Mitarbeiter auf der Gehaltsliste.

"Ich weiß jetzt, was Selbstständigkeit bedeutet", sagt Freiboth, "man arbeitet selbst und ständig." Doch irgendwann war es ihm genug und er stieg aus dem Roller-Geschäft aus. Da stand er nun anno 2001, noch keine 30 Jahre alt und schon mit einer farbenfrohen Vita. Mechaniker und Firmengründer, Student und Ex-Geschäftsführer - schwierig, diese Biographie einem Personalchef plausibel zu machen. Und das musste der Berliner, denn ohne eine einträgliche Nebentätigkeit hätte er sich gleich von seinem BWL-Studium verabschieden können.

"Es war nicht leicht, eine Arbeit zu finden, weil ich noch kein Vordiplom hatte und als ehemaliger Geschäftsführer keine einfachen Jobs bekommen konnte", sagt Freiboth. Außerdem hatte er damals auf öde Jobs ebenso wenig Lust wie heute auf Personaler, "die meinen, anhand eines Lebenslaufes die Fähigkeiten eines Bewerbers beurteilen zu können". Lineare Karrieren sind ihm eher suspekt: "Ich bezweifle, ob eine Person mit idealer Biografie - wenige zielgerichtete Stationen in kurzer Zeit - auch immer gleich die Idealbesetzung ist. Denn die gefragten Soft Skills erwirbt man nicht unbedingt mit einem stringenten Lebenslauf, sondern durch das Sammeln vieler unterschiedlicher Erfahrungen."

Im Hauptstudium verdiente Freiboth seine Schrippen als studentische Hilfskraft an einer Fachhochschule, als Produktmanager und Produktgestalter bei einem Berliner Start-up-Unternehmen und als Marketing-Assistent bei einem Reiseveranstalter. Mit seinem American Football Team hat es der Hobbytrainer inzwischen in die Regionalliga geschafft. Für sich selbst legt der studentische Unternehmer oder unternehmerische Student, je nach Perspektive, auf Hierarchien, Ränge und Positionen keinen gesteigerten Wert.

Nach dem Examen im kommenden Frühjahr möchte Freiboth höchst ungern als Angestellter anheuern, "nur zur Not". Momentan tüftelt er an einem Business Plan, um sich, ganz vage, "im Gesundheitsbereich" selbstständig zu machen. Was, wie, wo genau, will er nicht verraten. Jemand könnte ihm ja die Idee klauen. Freiboths Diplomarbeit wird übrigens von der besonderen Problematik kleiner und mittlerer Unternehmen handeln, die gleichzeitig in Produktion und Handel tätig sind.

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© SZ vom 7.2.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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