Die neuen Gastarbeiter:Im Dienste des Luxus

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Terrorgefahr hin, Nahostkonflikt her, in den Vereinigten Arabischen Emiraten lohnt es sich zu arbeiten. Aber ohne Einladung kommt niemand ins Land.

(SZ vom 31.5./1.6.2003) Terrorgefahr hin, Nahostkonflikt her, in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist davon nicht viel zu spüren. Noch sprudeln die Ölquellen unter dem Wüstensand, noch haben die herrschenden Scheichs die sechs Emirate fest im Griff, noch ist die überwältigende Mehrheit der gut drei Millionen Menschen dort mit ihrem Leben zufrieden. Nur 20 Prozent von ihnen sind Staatsbürger der Emirate, 80 Prozent sind Gastarbeiter, meist aus Indien oder anderen Ländern Asiens.

Gastarbeiter für die Zukunft ohne Öl

Die Gastarbeiter sollen den föderativen Staatenbund am östlichen Ende des arabischen Golfs fit machen für die Zukunft, wenn das Öl nicht mehr so reichlich fließt. Denn wenn die Petrodollars irgendwann versiegen, muss die industrielle Infrastruktur stehen, müssen Dienstleistungen und Tourismus neues Geld bringen, um Einheimische und Besucher bei Laune zu halten.

Scheich Zayed bin Sultan al-Nahyan, der absolute Monarch von Abu Dhabi und Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate, denkt über den Tag hinaus. Dubai hat die Touristen im Blick, also soll Abu Dhabi zum Geschäftszentrum der Region werden. Dazu braucht man internationales Business, Investoren, Geschäftsleute aus aller Welt, erstklassig geführte Hotels - und erfahrene Hotelmanager wie Manfred Simons.

Hotel professionell managen

Der gebürtige Trierer zog vor fünf Jahren mit seiner Familie nach Abu Dhabi und übernahm die Direktion des Hotels Le Méridien. "Die normale Standzeit eines General Managers in dieser Gesellschaft ist vier Jahre, danach geht es in ein anderes Land", erklärt Simons die Globalregel der Hotellerie.

Internationale Erfahrungen

Seine beruflichen Weichenstellungen sind mit denen seines Lebens eng verknüpft: Doppel-Ausbildung als Hotelkaufmann und Koch, Hotelfachhochschule in den USA, Food-and-Beverage-Manager in San Francisco und Hamburg (Heirat mit Gabi, natürlich auch aus dem Hotelfach, Tochter Carola), stellvertretender Direktor im Dom-Hotel in Köln (Sohn Peter), General Manager im Watergate Hotel in Washington und wieder zurück nach Deutschland, diesmal als Direktor ins Grand Hotel nach Nürnberg.

Und 1998 eben Abu Dhabi. Es hätten auch Lima, Moskau oder Toronto sein können. Wer in dieser Branche voran kommen will, kann seinen Bausparvertrag vergessen.

Im Wüstensand stecken geblieben

Nach vier Jahren Abu Dhabi gefiel es der Familie aber noch immer am Golf, und so blieb sie im Wüstensand stecken. Seit Herbst 2001 arbeitet Simons als Director Hotel Operations bei Abu Dhabi National Hotels, einer Holding mit mehreren Hotels, Catering-, Touristik- und Transportunternehmen. Der 48-Jährige hat sich längst akklimatisiert und ist Board-Mitglied des German Business Council (www.gebcad.com), einem Netzwerk für deutsche Geschäftsleute in Abu Dhabi. Ehefrau Gabi singt im deutschen Chor, organisiert das vom Arbeitgeber gestellte Hauspersonal und ein Ladies-Netzwerk (www.gladies.de).

Kinder in der internationalen Schule

Die Tochter und der Sohn besuchen die American International School - trotz Groll über die vorgeschriebene Schuluniform und die Geschlechtertrennung. Sie finden sich bestens in den Souks zurecht, kennen sich aus mit Wüsten-Rallyes und wissen, warum Kinofilme in Abu Dhabi von unsittlichen Bildern (keine nackten Knie!) gereinigt werden. "Man darf nicht vergessen, dass die Emirate ein islamisches Land sind, das auf den Werten des Korans aufbaut", erinnert Manfred Simons. "Es ist ein unheimlich fortschrittliches Land, offen und weitsichtig, aber das Wertesystem basiert auf anderen Grundsätzen."

Gold für Angestellte

In Abu Dhabi werden keine Steuern erhoben. Für die Volksfürsorge sorgt der Scheich. Klingt nach einem Paradies, nicht wahr? Doch in das Paradies muss man gewissermaßen eingeladen werden. Ohne einen Sponsor vor Ort bekommt man keinen Job. Wer bei einem Global Player arbeitet und an den Golf entsandt wird, hat Glück. Sich ins Flugzeug zu setzen und auf eigene Faust in den Emiraten eine Stelle zu suchen, ist unmöglich. Praxiserfahrene Fachärzte aus den USA oder Europa werden in den Emiraten mit Gold aufgewogen (www.ihrcanada.com/jobs/abudhabijobs.htm).

Dies bestätigt auch der Fall des Münchner Transplantationsmediziners Walter Land, dessen ungenehmigte Dienstreise nach Abu Dhabi derzeit für Schlagzeilen sorgt.

Bestes Einkommen

Steuerfreies Einkommen zwischen 10.000 und 30.000 US-Dollar pro Monat, Wohnung, Auto, Privatsekretärin, Schulgeld für die Kinder und First-Class-Flugtickets für die ganze Familie. SAP-Spezialisten haben ebenfalls Chancen, aber auch sie müssen zuvor einen Sponsor finden, der ihnen ein gültiges Arbeitsvisum besorgt. Und wer gleich eine Firma gründen möchte, braucht einen lokalen Teilhaber. Der Scheich denkt voraus.

Kein Heimweh nach Deutschland

Manfred Simons zieht es nicht zurück nach Deutschland. Die Arbeit macht ihm Freude, trotz seines 14-Stunden-Tages. Die Lebenshaltungskosten sind mit denen in Deutschland vergleichbar - "nur Schweinefleisch und Alkohol sind nicht überall zu haben und sehr teuer". Das Haus wird vom Arbeitgeber gestellt, die medizinische Versorgung ist erstklassig. "Man lebt in Abu Dhabi hervorragend. Es gibt keinerlei Versorgungsengpässe, ganz im Gegenteil, der Konsum ist Teil des Lebens. Ich habe noch nie so viele Mercedes S-Klasse und 7er-BMW gesehen wie hier", begeistert sich Simons und schiebt hinterher: "Dies trifft aber nur auf die gehobenen Einkommensklassen zu. Arbeiter verdienen nicht genug, um daran teilhaben zu können."

Beruflichen Möglichkeiten entscheiden über das nächste Land

Bei einem Wechsel in ein anderes Land stehe Deutschland nicht an erster Stelle, meint der 48-Jährige, es käme erst einmal auf die beruflichen Möglichkeiten an. Und darin ist er nun verwöhnt. "Der Ausbildungsstand hier ist zwar niedrig, aber die Menschen sind weit mehr als in Deutschland bereit, zu lernen und zu arbeiten. Die Gesetzgebung denkt an das Wohl des Arbeitnehmers, beschränkt dabei aber nicht das Interesse des Arbeitgebers. Entscheidungen und Investitionen gehen schneller, die Banken sind risikofreudig, die Menschen mögen die Deutschen und schätzen die preußischen Tugenden Ordnung, Organisation, Pünktlichkeit und Ehrlichkeit." Allerdings, so räumt er ein, werde oft nicht verstanden, warum deutsche Unternehmen nicht so flexibel seien und alles nur by the book machten.

Kinder ohne Heimatgefühle

Der 16-jährige Sohn Peter lernt eifrig Arabisch. Die Tochter Carola, in Washington und Nürnberg zur Schule gegangen, ist gerade 18 Jahre alt geworden und hat in Abu Dhabi ihr Abitur, das internationale Baccalaureate Diploma, abgelegt. "Die meiste Zeit meines bewussten Lebens habe ich im so genannten Ausland verbracht", sagt sie. "Sicher, ich bin Deutsche, aber bis auf den Pass verbindet mich nicht sehr viel mit Deutschland. Ich fühle mich mehr als Europäer oder Weltbürger." In diesem Sommer wird sie sechs Wochen lang bei Siemens in Erlangen arbeiten und von Herbst an Design studieren. In England, nicht in Deutschland. Und zum Post-Graduate-Studium möchte Carola Simons an eine amerikanische Universität gehen. Für geborene Gastarbeiter ist die Welt sehr klein geworden.

© Von Christine Demmer - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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