Der Systemelektroniker:Rackern im Ruhrgebiet

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Eine Lehrstelle zog Lars Jünemann von Ost nach West: Der Ex-Brandenburger installiert nun Netzwerke in Castrop-Rauxel.

Joachim Feldmann

(SZ vom 24.4.2001) Als Kind hat er am liebsten mit dem Metallbaukasten gespielt. Vor allem hatten es ihm die kleinen Elektromotoren angetan, die man so schön auseinander bauen und wieder zusammensetzen kann. "Ich war eben schon sehr früh an allem interessiert, was elektrisch funktioniert. Mit 16 habe ich unser Haus komplett verkabelt. Aber das ist kein Zufall, schließlich ist meine Mutter Elektriker", sagt Lars Jünemann. Der Zuhörer stutzt, doch dann fällt der Groschen. Da, wo Jünemann herkommt, war es vollkommen normal, dass Frauen einen technischen Beruf ausübten. Und ebenso selbstverständlich benutzte man die männliche Berufsbezeichnung.

Experte für Vernetzung: der Systemelektroniker. (Foto: Foto: Photodisc)

Lars Jünemann ist im brandenburgischen Senftenberg aufgewachsen, einer Kleinstadt südwestlich von Cottbus. Dort hat er sein Abitur gemacht, die Leistungsfächer waren Physik und Informatik. "Ich hatte Glück, dass Informatik an meiner Schule überhaupt angeboten wurde. Aber das Interesse war so groß, dass man sofort zwei Leistungskurse eingerichtet hat." Da war es schon schwieriger, eine Lehrstelle zu finden. Ausbildungsplätze im elektrotechnischen Bereich sind in den neuen Bundesländern besonders rar. Und direkt nach der Schule zu studieren, kam für ihn nicht in Frage: "Ich hatte das Gefühl, dass ich erst einmal eine praktische Basis brauche. Mag sein, dass da der Ossi in mir durchkommt."

Einstieg als Computerbetreuer

Aber zunächst ging es zur Bundeswehr, ein Umstand, der sich schon bald als glücklich erweisen sollte. "Da gab es ein Programm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit. Das bedeutete, dass ich nach den zehn Monaten Grundwehrdienst noch ein weiteres Jahr bleiben konnte, um mich beruflich zu qualifizieren", sagt Lars Jünemann. "Ich habe in dieser Zeit die Computer im Freizeitbüro betreut, und das war keine schlechte Vorbereitung auf meine Ausbildung."

Doch dafür, das war klar, musste er in den Westen. Ein Bekannter besorgte ihm Bewerbungsunterlagen, es folgten Einstellungs- und Gesundheitstests, und nach einem telefonischen Vorstellungsgespräch hatte Lars Jünemann einen von drei Ausbildungsplätzen zum Informations- und Telekommunikationssystem-Elektroniker bei der Infracor GmbH ergattert, einem zur Degussa gehörenden Servicebetrieb im Chemiepark Marl. "Wir bieten alle möglichen Dienstleistungen für die auf dem Gelände ansässigen Firmen an, unter anderem natürlich auch im Bereich Computer- und Netzwerktechnik."

Und hier liegt auch die Haupttätigkeit des Systemelektronikers. Seine Aufgaben erstrecken sich von der Planung eines Computernetzwerks über die Installation und Betreuung bis zur Schulung der Mitarbeiter. "Der Beruf ist ausgesprochen vielseitig, und eigentlich reichen die drei Jahre Lehrzeit gerade für die absolut notwendigen Grundlagen", erklärt Lars Jünemann. "Außerdem kommen zu der technischen Ausbildung auch noch wirtschaftliche Lerninhalte. Schließlich sollen wir später eng mit den Kaufleuten im Betrieb zusammenarbeiten."

Praxis statt Trockenschwimmübungen

Damit die so erworbenen Kenntnisse nicht nur theoretisch bleiben, gibt es im Chemiepark Marl neben der Lehrwerkstatt auch eine Jugendfirma, die von Auszubildenden unterschiedlichster Berufe als ein richtiges Wirtschaftsunternehmen betrieben wird. In diesem Betrieb werden keine Trockenschwimmübungen abgehalten, sondern tatsächlich Produkte hergestellt und vermarktet.

Lars Jünemann ist sich der Vorteile, die eine Ausbildung in einem Großunternehmen bietet, bewusst. "Mich hier zu bewerben, war der beste Schritt, den ich tun konnte. Man merkt, dass die Firma in uns investiert. Wir bekommen zum Beispiel noch zusätzlich im Betrieb Englischunterricht. Auch die Ausbilder geben sich große Mühe mit uns, und die Arbeit macht mir sowieso Spaß." Also hat er noch nie bereut, dass er aus Brandenburg ins Ruhrgebiet übersiedeln musste. "Außerdem wohne ich mit zwei alten Freunden aus Senftenberg, die hier auch eine Stelle gefunden haben, zusammen in einer Wohngemeinschaft."

Ob er nach Abschluss der Ausbildung studieren wird, weiß der 32- Jährige noch nicht. Drei bis vier Jahre möchte er erst einmal in seinem erlernten Beruf arbeiten und dann weitersehen. Im Moment scheint sein Vertrauen in die Perspektiven einer akademischen Ausbildung eher gering: "Man muss sich nur einmal vorstellen, was ich in den drei bis vier Jahren, die ich dann studiere, alles verpasse. In der Informationstechnik ist das eine Ewigkeit."

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