Der erste Job:Klotzen und Kleckern

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"Wenn man mit dem Studium fertig ist, steht man erst mal völlig allein da" - Nikola Richard und Dirk Rathke machen Kunst und suchen zugleich nach Käufern.

Katrin Jurkuhn

(SZ vom 24.10.2001) Die kleine Valerie liegt heute zwischen Leinwänden und Farbtöpfen in ihrem Wagen - ganz ausnahmsweise. Sonst wechseln sich Mama und Papa mit Füttern, Wickeln und Baden zu Hause ab: Die Dämpfe der Farben, Lacke und Kleber machen das Atelier von Nikola Richard und Dirk Rathke nicht gerade zum idealen Kinderzimmer. "Wir arbeiten versetzt", sagt Nikola. So kann einer der beiden im Atelier sein, und Valerie ist trotzdem immer versorgt.

Zwei ehemalige Meisterschüler, ein Arbeitsplatz: Nikola Reichard und Dirk Rathke nutzen ihr Atelier gemeinsam. (Foto: Foto: David Ausserhofer)

Ganz offensichtlich ist aus Nikolas Traumjob Reitlehrerin nichts geworden. "Dabei wollte ich das ganz unbedingt werden", sagt die 33-Jährige. Doch ihr Talent siegte über die Tierliebe: Mit 15 Jahren war Nikola klar, dass sie Kunst studieren wollte. Das war in Leipzig damals nicht ganz einfach. Nikola musste erst mal eine Lehre machen und wählte die Fotografie.

Zur gleichen Zeit schmiedete Dirk Rathke in Potsdam Zukunftspläne. "Mit fünf Jahren wollte ich Kirchenmaler werden." Einige Zeit später hatte es ihm die Geologie angetan. "Ich habe kubikmeterweise Steine gesammelt", grinst er. "Meine Eltern haben sich immer gefreut, wenn ich mit neuen Fundstücken ankam." Auch für Dirk war ein Kunststudium trotz offensichtlichen Talents nicht möglich. "Es gab nur ein paar Kunstschulen im Osten. Die Chancen, da genommen zu werden, waren äußerst gering." Also fand sich der Abiturient mit einer Alternative ab, studierte zwei Semester Technologie für Gerätebau in Jena und wechselte dann zum Maschinenbau-Studium an die Technische Universität in Berlin.

Für Nikola und Dirk brachte die Wende die Chance, endlich Kunst zu studieren. Während Dirk noch bis zum Vordiplom beim Maschinenbau ausharrte, ging Nikola gleich nach Hamburg, um dort ihr Glück zu versuchen. Die gescheiterte Aufnahme an der Akademie trieb sie nach Berlin, wo es 1991 an der Hochschule der Künste gleich beim ersten Anlauf klappte. Dirk stellte sich derweil am selben Ort zweimal mit seiner Mappe vor.

Das Kunststudium als Erfüllung des lang gehegten Traums haben Nikola und Dirk ähnlich erlebt. "Am Anfang waren viele Ansprechpartner für uns da", sagt Nikola, "aber als wir uns für einen Professor entscheiden mussten, wurde die Sache ziemlich müde." Auch Dirk hat die "viel zu schlechte Betreuung" durch die Dozenten deutlich gespürt - sein Professor war bereits emeritiert und wohnte einige Hundert Kilometer weit weg im Rheinland. "Der war vielleicht dreimal im Semester da. Man war mehr oder weniger sich selbst überlassen."

Für Nikola gab es da noch einen zusätzlich anstrengenden Faktor: 1994 kam ihre erste Tochter Kolja zur Welt. Sie und ihr damaliger Freund nahmen je ein Baby-Semester und überbrückten so die Zeit bis zum Kindergarten-alter. "Danach habe ich mein Studium und meinen Job auf den Vormittag verlegt und war halbtags Mutter", sagt Nikola. "Da hab ich mich schon öfters gefragt, wie ich das eigentlich alles schaffen soll."

Als Meisterschüler haben Nikola und Dirk ihre Studienzeit hinter sich gelassen. Seit 1997 sind die beiden ein Paar und schaukeln nun den Familienbetrieb gemeinsam. Und weil das Klischee vom brotlosen Künstlerdasein so falsch nicht ist, blicken sie auf harte Arbeitsjahre zurück. "Wenn man mit dem Studium fertig ist, steht man völlig allein da", sagt Dirk. "Man muss Kunst produzieren, sich weiterentwickeln, gleichzeitig Galerien finden und auch etwas verkaufen." In der Realität bedeute das "Jobben ohne Ende", bis der Name etabliert ist. "Das Studium hat uns Kunst und die Auseinandersetzung damit gelehrt", sagt Dirk. "Von Kunstrecht, Umsatzsteuern und dem Umgang mit Galeristen war da nie die Rede."

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