Der erste Job:Einfach ist schwerer

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Claudia Heinzmann ist angenehm überrascht von ihren Schülern.

Katrin Jurkuhn

(SZ vom 24.10.2001) Eine trügerische Stille liegt über dem Schulkomplex. Nur ein paar verschwitzte Fünftklässler mit königsblauen Schalke-Trikots toben auf der Wiese dem Ball hinterher, das Gebäude wirkt wie ausgestorben. Doch dann passiert es: Ein schrilles Klingeln, und zwei Minuten später wimmelt es in den Gängen und auf dem Schulhof des Gelsenkirchener Max-Planck-Gymnasiums nur so von Stullen mampfenden Schülern. Claudia Heinzmann drängelt sich durch kichernde Mädchen- und schreiende Jungengruppen, lässt bunte Turnbeutel und einen beachtlichen Geräuschpegel hinter sich und öffnet einen kleinen Gästeraum, in dem es nach Kreidestaub riecht.

Claudia Heinzmann, Referendarin am Gelsenkirchener Max-Planck-Gymnasium. (Foto: Foto: David Ausserhofer)

Die Referendarin grinst. "Bevor ich hier anfing, dachte ich, Schüler seien viel lauter und schwerer in den Griff zu kriegen. Aber ich bin wirklich positiv überrascht von den Schülern." Das kann nur an einem Umstand liegen: Der Lehrerberuf war für Claudia nie ein Traumjob. "Eigentlich wollte ich immer was mit Tieren machen", sagt die 30-Jährige. "Ich war eher in Wale vernarrt als in Kinder."

Mangelnde Motivation war dann auch der Grund, warum weder eine Greenpeace-Aktivistin noch eine Walforscherin aus ihr wurde. "Das war alles sehr unausgegoren. Ich dachte, ich sitze halt in einem Boot und werte Wal gesänge aus." Stattdessen übt sich Claudia seit Februar diesen Jahres im Umgang mit Jugendlichen auf dem Sportplatz und im Biologie-Raum des Max-Planck- Gymnasiums. Für sie ist das bislang eine viel versprechende Mission: "Die Schüler sind sehr motiviert und geben mir ein positives Feedback." Ist das als Horrorjob verschriene Lehramt also doch ein Geheimtipp für die Traumberuf- Liste?

Immer wieder Zweifel

Für Claudia war es vor allem die Möglichkeit, ihre beiden Leidenschaften - den Sport und die Biologie - zu kombinieren. "Ich habe mich damals schon nach anderen Möglichkeiten erkundigt", sagt sie, "aber die Einstellungschancen waren beim Lehramt am besten." Eine rationale Entscheidung also - oder sind doch die Gene für ihre Entscheidung verantwortlich? Immerhin sind beide Eltern Lehrer. "Na ja, zumindest hatte ich so einen guten Einblick in das Berufsfeld", sagt Claudia. Ganz im Gegensatz zum Alltag einer Walforscherin.

Trotzdem kamen immer wieder Zweifel. "Ich war mir nie sicher, ob der Beruf das Richtige für mich sein würde", sagt die Referendarin aus Dorsten. "Es gab andererseits nie den Punkt, an dem ich alles hinschmeißen wollte." Die Schulpraktika, die sie während des Studiums absolvierte, brachten sie jedenfalls nicht weiter. "Man hat ja doch eher hinten gesessen und dem Lehrer beim Unterrichten zugeschaut. Und in den paar Stunden, die man selbst halten durfte, bekam man keinen echten Einblick."

Und wie steht's mit der Fachkompetenz im Lehramtsstudium? "Das ist auch so eine Sache", sagt Claudia Heinzmann. "Natürlich weiß ich eine Menge, aber die wenigsten Themen eignen sich für den Unterricht." Und da liegt wohl auch das eigentliche Problem der Schulpraxis: Die Referendare kommen mit hervorragendem Fachwissen von der Uni und werden von den vermeintlich ganz einfachen Fragen der Schüler auf den harten Boden der Wirklichkeit zurückgeholt.

"Ich bin einerseits überqualifiziert und muss mich andererseits in viele Themen erst mal einarbeiten", sagt Claudia. Ohne gründliche Vorbereitung sei es schwer, vor der Klasse zu bestehen. Das Studium habe sie auf viele bohrende Schülerfragen gar nicht vorbereitet. Schon bei Themen wie "Der Verdauungsapparat der Kuh" könne sie ins Schleudern geraten. Diese Vorbereitungsarbeit unter einen Hut zu bringen mit Seminaren und Ausbildungslehrer-Terminen - das ist für sie derzeit ganz schön schwierig. Ihr Fazit: "Etwas mehr ehrlicher Praxisbezug täte dem Studiengang in jedem Fall gut."

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