Der erste Job:Ein Job mit Kick

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Eher zufällig ist Marcus Schneider ins Physikstudium geraten. Jetzt arbeitet er als Software-Entwickler - und auch das ergab sich eher zufällig.

Katrin Jurkuhn

(SZ vom 24.10.2001) Dieses Mittagspausen-Match kann Marcus Schneider alias "der Verfemte" nicht auf die leichte Schulter nehmen. Immerhin geht es um den "Gladiator's Cup", der weit mehr ist als die kleine Plastikfigur, die er zu sein scheint. Er ist ein Symbol der Herausforderung. Wer das schon merkwürdig findet, den werden die Kampfnamen der übrigen Tipp-Kick-Ligisten ganz sicher befremden: "Zeigefinger Gottes", "Kante Schwarz-Weiß", "Lass-liegen-und-geh-steil" und der "Major" stehen sich regelmäßig von Mann zu Mann gegenüber. Was da zählt, sind eine flinke Fingerkuppe und - Psychologie.

Kampf um den "Gladiator's Cup". (Foto: Foto: David Ausserhofer)

Bevor Missverständnisse entstehen: Das Tipp-Kick-Spielen ist nur Nebensache. Marcus Schneider, 28 Jahre alt, arbeitet (und kickt) seit einem Jahr als Software-Entwickler bei der Essener Firma Panvision. Und weil die Arbeitstage von Programmierern oft länger sind als die anderer Menschen (und weil die Mittagspause in einem Gewerbegebiet sowieso keinen Spaß macht), dienen die Zweimal-zwei-Minuten-Matches unter Kollegen der Entspannung. Konzentration statt Kantine.

Faszination Physik

Marcus Schneider hat Physik studiert und sein Diplom 1999 an der Universität Bochum abgelegt. Kein ganz einfaches Studienfach, und erst recht kein bequemes. Nach seiner Leidenschaft für die Physik befragt, antwortet "der Verfemte" allerdings etwas überraschend: "Sagen wir mal so - ich wollte nie Physiker werden. Das hat sich nur so ergeben. Physik lag mir einfach." Na klar. Weil ihm nichts Besseres in den Sinn kam, studierte der Mann aus Mülheim an der Ruhr also Physik - zunächst mit Begeisterung.

Die ersten Semester waren voll von dem, was für Marcus die Faszination des Fachs ausmachte. Der Professor führte einen interessanten Versuch nach dem anderen vor und "erklärte die Physik so nebenbei". Marcus war angetan - bis zum Vordiplom. "Danach wurde der Stoff sehr trocken", sagt er, "aber wenn man so weit gekommen ist, schmeißt man das Studium ja nicht hin." Die Theorielastigkeit war nicht sein einziges Problem: "Der gute Eindruck ändert sich schnell, wenn man sieht, was für Leute Physik studieren." Der hohe Anteil der "weltfremden Freaks" habe seine Geduld auf eine harte Probe gestellt.

Als das Studium geschafft war, wusste Marcus eigentlich immer noch nicht, wohin es gehen sollte. "Ich habe immer nur studiert, ohne mir Gedanken über einen Beruf zu machen", sagt er. Mit dem Diplom kamen die Unsicherheit und eine etwas hilflose Erkenntnis: "Als Physiker ist man ein Universaltalent. Man kann relativ viel, aber nichts richtig." Da bot der Zivildienst im Senioren-Theater "Mülheimer Spätlese" eine willkommene Ablenkung, wenn auch kaum Ideen für ein erfolgreiches Berufsleben.

Lernen im Job

In seinem Job als Software-Entwickler bei Panvision ist Marcus vor einem Jahr "mehr so reingerutscht", obwohl er erst einmal einige Kapitel im Bereich Programmierung nachholen musste. "Ich habe mir einfach zugetraut, mich schnell in einen neuen Bereich einzuarbeiten", sagt er. Das hat auch funktioniert. Marcus fühlt sich mit seiner Aufgabe wohl: "Ich kann hier eine Menge lernen und freue mich jeden Morgen auf meine Arbeit."

An diesem Tag fällt "Der Verfemte" der Fingerfertigkeit seines Gegners zum Opfer - der "Gladiator's Cup" wandert auf den Monitor des siegreichen Kollegen. Immerhin bleiben ihm noch ein paar andere Pokale, die eindrucksvoll die Erfolge der vergangenen Wochen-Liga demonstrieren - und etwas, das selten zu werden scheint: ein entspanntes, fast freundschaftliches Klima unter Kollegen trotz harter und langer Arbeitstage. Und das macht bekanntlich so manchen Job zum Traumberuf.

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