Der erste Job:Am Anfang war der Bleistift

Lesezeit: 2 min

Anja Emde ist eine Ausnahme: Seit einem halben Jahr arbeitet sie als Grafikerin und fühlt sich durch ihr Fachhochschulstudium auf den Beruf bestens vorbereitet.

Katrin Jurkuhn

(SZ vom 24.10.2001) Für diesen ersten Eindruck gibt es eigentlich nur ein Wort: hip. Eine Glasfensterfront erstreckt sich über zwei Etagen, leuchtendes Weiß durchflutet das Großraumbüro, an der Kaffeebar steht der Espresso bereit. Und dann erst die Mitarbeiter: Schwer beschäftigte Männer mit akkurat zurecht gestruwwelter Gerade-erst-aufgestanden-Frisur und Hornbrille blicken angestrengt auf ihre Monitore, geschmackvoll gekleidete Damen Ende zwanzig breiten Entwürfe auf dem Fußboden aus, hin und wieder ist ein leises Mausklicken zu vernehmen. Hier wohnt die Kreativität.

Der erste Arbeitsplatz: Noch ist alles neu für Anja Emde. (Foto: Foto: David Ausserhofer)

Ausgerechnet dieses Wort mag Anja Emde gar nicht. "Man braucht hier eine Menge Handwerkszeug. Auch die beste Idee muss erst mal durchstrukturiert und in sich geordnet werden." Anja muss es wissen - sie hat Kommunikationsdesign studiert. Seit einem halben Jahr ist sie bei Kognito, einem jungen Berliner Unternehmen für visuelle Gestaltung, angestellt, - als das, was der Laie "Grafikerin" nennt und was eigentlich "visuelle Gestalterin für digitale und analoge Medien" heißt.

Anja hat Schriftsetzerin gelernt, bevor sie ihr Design-Diplom an der Fachhochschule Würzburg machte. "Die Betreuung war sehr gut", sagt sie. Kein Wunder: Mit rund 30 Kommilitonen waren die Seminare ihres Semesters nicht gerade überfüllt. Projekte wickelten die Studenten im Team ab, Grafik-Programme wurden in der Praxis erprobt, technische Trainings waren eine Selbstverständlichkeit. Aber nützen die Praxis-Übungen aus dem Studium tatsächlich im Berufsalltag?

Die überraschende Antwort: "Ja. Ich kann mein Wissen hier optimal einsetzen", sagt Anja. Sie kann auf Literaturkenntnisse und Handwerkszeug bei der Projektabwicklung zurückgreifen und hat schon während des Studiums einen Blick für Gestaltung entwickelt. Trotzdem ist der Start ins Berufsleben auch für Anja eine Umstellung.

"Ich bin dabei, hier meine Linie zu finden", sagt die 27-Jährige. Sie muss den Stil des Unternehmens in die eigenen Vorstellungen integrieren und sich vor allem in die bestehende Teamstruktur einfinden. Denn auch bei Kognito wurschteln die Mitarbeiter in Teams als Partner und Konkurrenten gleichzeitig. Jeder bringt seine Ideen und Entwürfe ein, und los geht's mit der allgemeinen Manöverkritik.

Am Anfang steht die Recherche

Trotz aller Technik beginnt jeder Entwurf mit Bleistift und Papier und einer gründlichen Recherche. "Je länger die Vorbereitungsphase läuft, desto schneller geht die Umsetzung mit dem Rechner", sagt Anja. Von der ersten Idee bis zum fertigen Entwurf kann sie von dem profitieren, was die Fachhochschule ihr an Rüstzeug mit auf den Weg gegeben hat. Aber dann hakt's.

"Wir haben nie richtig geübt, wie man seine Ergebnisse präsentiert", sagt Anja. Natürlich ist unter Kommilitonen die Stimmung gelassener als unter Arbeitskollegen, die sich um ein optimales Ergebnis bemühen müssen. "Außerdem hatten wir immer unrealistisch viel Zeit für ein Projekt."

Anja steht ihrer Branche durchaus kritisch gegenüber: "Es ist ein schnelllebiges Geschäft, technische Innovationen von heute sind morgen schon überholt."

Das zeigt sich auch daran, dass so viele junge Designer erfolgreich im Geschäft sind - wer selbst Frische und Jugendlichkeit verkörpert, kann seine Ideen auch entsprechend verkaufen. Und wenn die Gerade-erst-aufgestanden-Frisur erste graue Strähnen zeigt, kann man ja immer noch als Selbstständiger seine Schrippen verdienen. Für Anja ist das - übrigens ganz ohne hippe Frisur - zumindest "eine realistische Option".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: