Daten-Affäre:Gesetzentwurf zur Arbeitsvermittlung diese Woche

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Regierung will Erwerbslosen vom dritten Monat an private Anbieter finanzieren.

Alexander Hagelüken

(SZ vom 27.2.2002) Berlin - Die Bundesregierung will Arbeitslosen künftig ab dem dritten Monat eine private Arbeitsvermittlung bezahlen. Wie zu erfahren war, sollen diese und weitere Konsequenzen aus der Datenaffäre der Arbeitsämter bereits diese Woche in einem Gesetzentwurf fixiert werden.

Kritik an Statistik-Plänen

Unterdessen kritisiert nach der Opposition auch der grüne Koalitionspartner die Pläne von Arbeitsminister Walter Riester (SPD) zur Veränderung der Arbeitslosenstatistik.

Riester will Erwerbslose, die dem Arbeitsmarkt wegen ihres Alters oder aus anderen Gründen nicht mehr zur Verfügung stehen, künftig als gesonderte Größe ausweisen. Die Gesamtzahl der Arbeitslosen, die sich nach Berechnungen des Müncher ifo-Instituts diesen Monat auf 4,32 Millionen erhöht hat, soll sich durch diese gesonderte Ausweisung nicht ändern.

Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Thea Dückert hält Riesters Pläne grundsätzlich für sinnvoll, warnt aber vor einer Umsetzung noch vor der Bundestagswahl im September: "Das ist eine Debatte, die jetzt im Wahlkampf alle in den falschen Hals kriegen". Es hätte "keinen guten Geruch", wenn auch nur andeutungsweise der Eindruck entstünde, dass die Regierung über die Statistik die angestrebte Senkung der Arbeitslosenzahl auf 3,5 Millionen erreichen wolle. Die Grünen-Politikerin sprach sich dagegen aus, ältere Arbeitslose von vornherein aus der Statistik herauszurechnen, weil sie angeblich generell kein Interesse an einem Arbeitsplatz mehr hätten: "Das ist angesichts der alternden Gesellschaft das falsche Signal". Sie schlug vor, internationale Standards zu definieren, um die Quoten vergleichen zu können.

Internationale Organisationen berechnen für die Bundesrepublik meist eine niedrigere Zahl von Arbeitslosen als die Regierung. Die Opposition erneuerte ihre Vorwürfe an Riester. Der parlamentarische Geschäftsführer Hans- Peter Repnik sprach von einem "plumpen Versuch", mit Hilfe von Manipulation unter die Zahl von 3,5 Millionen Arbeitslosen zu kommen, die Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) als Ziel genannt hatte.

Vertrauen gesunken

Riester kündigte an, dass die 15-köpfige Kommission unter dem VW-Manager Peter Hartz, die eine Reform der Bundesanstalt für Arbeit (BA) ausarbeiten soll, sich bereits am 6. März das erste Mal treffen wird. Dem Vernehmen nach gibt es Druck von den Gewerkschaften, die unbedingt Vertreter ihrer Wahl in die Kommission entsenden wollen.

Riester will möglichst schnell die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, um Florian Gerster zum neuen Chef der Bundesanstalt zu machen. Sein Vertrauen in die Reformbereitschaft der Arbeitsämter ist nach einem Treffen mit den Direktoren der 181 Arbeitsämter gesunken. Die Direktoren empfingen Riester kühl, wogegen sie den wegen der Manipulationen zurückgetretenen BA-Präsidenten Bernhard Jagoda dreimal mit standing ovations feierten.

Nach WDR-Informationen spart die BA durch einen Trick jährlich 500 Millionen Euro Arbeitslosengeld. Mit einer pauschalierten Berechnung kürzten die Arbeitsämter die Ansprüche von 20 Prozent aller Arbeitslosen. Die Bundesanstalt und das Arbeitsministerium äußerten sich zunächst nicht zu dem Bericht.

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