Wahrscheinlich würden die meisten Sonntagsredner, gewiss aber die Kultusminister und Bildungsbürokraten sich entspannt zurücklehnen, wenn ihre Schützlinge beim nächsten "Wer-weiß- mehr?- Wer-weiß-es-schneller?"-Wettbewerb in fünf, sechs Jahren einen der vorderen Plätze erobern könnten.
Damit es dazu kommt, wird an einem System von Tests gearbeitet, werden zentrale Vorgaben und lokale Prüfverfahren entwickelt. Weniges ist geeignet, so pessimistisch zu stimmen, wie diese allgemeine Versessenheit aufs Testen.
"Einser" sind nicht immer die Besten
Um in Prüfungen glänzend zu bestehen, bedarf es spezieller Fähigkeiten. Manche behaupten, eine gewisse Portion Stumpfsinn gehöre dazu. Zumindest gehört es zu den Erfahrungen an Hochschulen und Universitäten, dass die "Einser" nicht immer und auf keinen Fall verlässlich die Besten sind.
Wer beim Sprachtest TOEFL eine hohe Punktzahl erreicht, ist nicht notwendigerweise ein gewandter Sprecher des Englischen. Er hat sich eben auf die besonderen Anforderungen dieses Tests gut vorbereitet.
Gegen das Prüfen ist damit nichts gesagt, wohl aber gegen die Mode, Tests zum alleinigen Inhalt und eine hohe Punktzahl zum hauptsächlichen Ziel von Bildung zu erklären.
Wer die Diskussionen der vergangenen Monate verfolgt hat, kann leicht den Eindruck gewinnen, Schulen seien dazu da, um Schüler für "Pisa" zu erziehen. Selbstverständlich ist es möglich, Kinder so zu dressieren, dass sie künftig gut abschneiden. Wünschenswert ist diese Dressur nicht.
Tests zeigen Probleme auf, die der routinierten Wahrnehmung im Alltag entgehen oder von den Zuständigen aus egoistischen Motiven geleugnet werden. Wer sich aber nur auf Prüfungssituationen konzentriert, läuft leicht Gefahr, Kinder als Rohmaterial zu betrachten, das durch gezielte Formung funktionsfähig und vorzeigbar gemacht werden muss.
Eine pädagogische Irrlehre, die schon deshalb scheitern muss, weil heutige Anforderungen morgen oft nichtig sein werden.
Bewährung, Verlässlichkeit und Chancen
Der wichtigste bildungspolitische Beitrag dieses Jahres hatte denn auch mit Tests nichts zu tun, aber mit Bewährung, Verlässlichkeit und Chancen. Der Dokumentarfilm "Rhythm is it!" zeigt, wie 250 Berliner Kinder und Jugendliche in kurzer Zeit lernen, Strawinskys "Le Sacre du Printemps", choreographiert von Royston Maldoom, zu tanzen.
Man sieht, wie in die ungelenken Körper Selbstbewusstsein einzieht, wie Trägheit schwindet, wie frustrierte Gesichter zu leuchten beginnen, wie Anstrengung manche begeistert und über sich selbst hinausträgt, und man beginnt zu ahnen, warum Freiheit und Bildung einst als Geschwister galten. Hier konnten Kinder entwickeln lassen, was in ihnen steckt.
Man möchte wetten, dass sie in künftigen Tests von dieser Erfahrung profitieren können.
Einen Test kann man mit hohe Punktzahl bestehen und doch borniert und blöde sein. Wer dagegen die befreiende Kraft von Bildung erfahren hat, mag wohl einmal durch die Prüfung fallen, er weiß aber, wie er besser werden kann. Der Bildungsbürokratie muss diese Schlüsselkompetenz freilich verdächtig sein. Sie lässt sich nicht kontrollieren.