Coachings:Profilieren, präsentieren, profitieren

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Ein Persönlichkeitstraining verändert Menschen nicht. Aber es kann den Verstand öffnen, Ideen freisetzen. Warum Weiterbildung sinnvoll ist.

S. Asgodom

"Die Weiterbildungslüge" Ohne stetige Weiterqualifizierung ist beruflicher Erfolg undenkbar - das wissen Vorgesetzte heute genauso gut wie Mitarbeiter. Dabei ist es nicht damit getan, Fachwissen aufzufrischen. Die Arbeit in wechselnden Teams erfordert ein regelmäßiges Trainieren von Soft Skills. Und einschneidende Maßnahmen im Betrieb wie Restrukturierungen sollten idealerweise durch Motivationsseminare gestützt werden. Weiterbildung ist also ein integrativer Bestandteil moderner Unternehmenspolitik. Aber - wie lässt sich ihr Erfolg messen? Nur schwer. Das liegt nicht allein an noch unzureichend definierten Qualitätsstandards, sondern ganz einfach an der schwer zu fassenden Materie mit ihrer Vielfalt von Themen und Methoden. Der Diplom-Psychologe und Trainer Richard Gris hat in seinem Buch "Die Weiterbildungslüge" mit dem Seminarmarkt abgerechnet. In seinem Artikel "Warum Seminare sinnlos sind" (SZ vom 6./7. Dezember 2008) formulierte er seine Kritik aufs Neue. Die Reaktion auf den Text war immens. Trainer und Coaches protestierten heftig gegen den "Nestbeschmutzer". Auch Sabine Asgodom, eine der profiliertesten Trainerinnen in Deutschland, war empört. Und schreibt heute darüber, warum sie Seminare sinnvoll findet.

Training: Es kann einzelnen Teilnehmern Impulse für ihr Leben geben. (Foto: Foto: iSock)

Wenn Schwierige ihr Herz ausschütten

Martina, so soll sie hier heißen, sitzt muffig in der letzten Reihe. Sie hat wie zwanzig andere Kollegen dieses Seminar von ihrem Abteilungsleiter verordnet bekommen. "Profilieren, Präsentieren, Profitieren", unter dieser Überschrift soll die Abteilung einen Tag lang an ihrer Außendarstellung im Unternehmen arbeiten. Martina hat keine Lust, sie ist skeptisch, ja offen ablehnend. Die Assistentin des Abteilungsleiters hatte die Trainerin schon vorher gewarnt: "Das ist unsere Schwierige, die ist auch im Betriebsrat."

In der ersten Kaffeepause, nach fünf Minuten unter vier Augen, schüttet die "Schwierige" ihr Herz aus: Sie ist Grafikerin von Beruf, hat bis vor drei Jahren die Broschüren für die Abteilung gestaltet, war also mitverantwortlich für die Außendarstellung. Seit diese Arbeit an eine Agentur vergeben ist, macht sie - Buchhaltungsvorbereitung! Höchststrafe für eine kreative Persönlichkeit wie Martina. Verständlich, dass diese Frau "schwierig" geworden ist. Im Laufe des Seminars wacht Martina auf, geht aus sich heraus, konfrontiert die Gruppe und ihren ebenfalls teilnehmenden Chef mit ihrem Unglücklichsein. Die Trainerin moderiert den Dialog, den ersten offenen seit Jahren. Und dem Chef wird klar, er muss eine Lösung finden.

Startsignal für Veränderungen

Wenn etwas an Weiterbildung, dieser professionellen Arbeit mit Menschen lohnenswert ist, dann ist es die Chance, einzelnen Teilnehmern Impulse für ihr Leben mitzugeben. Weiterbildung, so wie sie verantwortungsvolle Trainer verstehen, ist auch Herzensbildung. Ein Persönlichkeitstraining verändert Menschen nicht (und das ist gut so). Ein Vortrag verändert Unternehmen nicht (das ist schade). Aber wenn sie am Menschen orientiert sind, dann öffnet Weiterbildung das Herz und den Verstand der Teilnehmer, setzt Blitzlichter von Gedanken und Ideen frei, die das Startsignal für Veränderungen sein können. Zur Klarstellung: Es geht hier nicht um EDV-Kurse und Seminare zur neuen Rechtschreibung. Das Startsignal entfaltet aber möglicherweise seine Wirkung schon in Rhetorik-Kursen, Konflikttrainings und Seminaren wie "Den Chef entlasten".

Etwa 200.000 Berater, Trainer und Coaches soll es in Deutschland geben, rechnet die Weiterbildungsexpertin und Trainercoach Nadine Hamburger aus Falkensee bei Berlin. Weiterbildung ist mehr als Schulungen, Themen, Kurse. Weiterbildung ist ein Business geworden - das gerade dabei ist, sich als solches zu definieren und einheitliche Qualitätsmaßstäbe anzusetzen. Doch der Oberbegriff ist bunt und tänzerisch. Unter Weiterbildung gibt es so verschiedene Ansätze wie es Musikrichtungen in einem CD-Laden gibt: Verkaufstrainings stehen im Regal unter Gangsta-Rap, Work-Life-Balance findet man unter Easy Listening, Zeitmanagement und Rhetoriktraining unter "Die Hitparade der Volksmusik", und Team-Entwicklung läuft unter Rhythm and Blues.

Auf der nächsten Seite: Warum die entscheidende Frage lautet, wem sich der Trainer verpflichtet fühlt.

"Wer zahlt, schafft an"

Und so, wie jede Musik ihre Liebhaber findet, dienen alle verschiedenen Trainings und Kurse speziellen Zwecken. Wenn Hardseller Verkaufstrainings durchführen, dann ist klar, in welche Richtung das Unternehmen seine Mitarbeiter marschieren lassen will. Das kann man gut finden oder nicht, es dient den Zielen des Unternehmens. Gäbe es keinen Markt für Verkaufstrainings, gäbe es keine Anbieter. Wenn im Telefontraining Deeskalieren im Mittelpunkt steht, dann dient das dem Image des Unternehmens - und hoffentlich auch dem Stressabbau der Mitarbeiter in Call-Centern. Unternehmen wissen in der Regel genau, warum sie ihr Weiterbildungsangebot genau so gestalten wie sie es tun. Ob es immer dem Wohl der Mitarbeiter dient, ist eine andere Frage.

Und jetzt kommt der Trainer ins Spiel. Die entscheidende Frage ist: Wem fühlt er sich verpflichtet? Natürlich lautet der Auftrag, Unternehmensziele zu unterstützen, auf gut Deutsch: "Wer zahlt, schafft an." Die Kunst moderner Weiterbildung ist es, menschenorientierte Trainings zu gestalten, die das Interesse des Unternehmens und die der Teilnehmer ausbalanciert. Und hier geht der Trainer ins Risiko, vor allem wenn er sich Persönlichkeitstrainings verschrieben hat.

Ein Beispiel: Ein Niederlassungsleiter hat in seinem Geschäftsbereich ein sehr schlechtes Ergebnis erzielt und von der Geschäftsführung die Anweisung bekommen, "etwas dagegen zu tun". Er ruft bei einer Trainerin an: "Frau G., machen Sie ein Training für uns." Die Antwort: "Gerne, was ist das Ziel?" Er: "Das ist mir egal, Hauptsache wir machen etwas." Sie: "Der Erfolg eines Trainings lässt sich nur messen, wenn wir vorher das Ziel festlegen. Dieses dient dann als Maßstab für den Erfolg. Wer sind denn die Teilnehmer?" Er: "Mitarbeiter aus den Abteilungen A und B, und das Seminar muss noch dieses Jahr stattfinden."

Kein Mitarbeiter wäre freiwillig dabei

Aufgrund ihrer bereits gesammelten Erfahrungen in diesem Unternehmen fiele dieser Zeitraum genau in die Hochsaison, und kein Mitarbeiter wäre freiwillig dabei. Diesen Hinweis gibt sie ihm. Seine Antwort: "Egal, ich muss zeigen, dass ich etwas unternehme." Ihre abschließende Antwort: "Dann werden Sie das Training mit einem anderen machen müssen, denn ich lasse mich in Ihrem Unternehmen nicht verbrennen. Ihre Mitarbeiter haben Vertrauen zu mir, und das möchte ich nicht verlieren."

Der Niederlassungsleiter fragt: "Was würden Sie mir vorschlagen?" "Schreiben Sie Ihrem Vorgesetzten doch, dass Sie im Frühjahr eine ausführliche Trainingsmaßnahme planen und bereits mit einem Trainer in Verhandlung stehen. Und wir überlegen gemeinsam, ob ein Training überhaupt die richtige Maßnahme ist. Welches Ziel erreicht werden soll und welches Werkzeug dafür das geeignetste ist."

Weiterbildung steht und fällt mit der Verantwortlichkeit derer, die sie beantragen, konzipieren, organisieren und durchführen. Betroffen sind also Führungskräfte, Personalentwickler, Einkäufer und Trainer. Der Erfolg steht und fällt aber auch mit den Teilnehmern. Wenn Menschen nicht erkennen, wie sie selbst von dieser Auszeit, diesem Anlass zum Innehalten für sich profitieren können, dann sprechen sie hinterher vielleicht von "vertaner Zeit". Das gilt übrigens für freiwillige wie entsandte Teilnehmer gleichermaßen.

Auf der nächsten Seite: Warum Weiterbildung mehr ist als Wissensvermittlung, als Schulung oder das Vermitteln von Techniken.

Fünfzig Impulse bis zur Veränderung

Ein erfahrener amerikanischer Trainer, Doug Stevenson, hat auf einer Veranstaltung der German Speakers Association (GSA) vor einiger Zeit sein "Konzept der fünfzig Eindrücke" vorgestellt. Danach braucht der Mensch etwa fünfzig Impulse, um wirklich zu verändern, was er sich vorgenommen hat. Er hört etwas, er liest etwas, er denkt etwas, er wird ermutigt, er sieht ein Beispiel, er lernt eine Methode, er erinnert sich daran...

Manchmal bietet ein Persönlichkeitstraining genau diesen 50. Impuls. Ein Teilnehmer geht am nächsten Tag ins Büro und, schwupps, wird er aktiv. Doch manchmal ist es noch nicht der 50. Impuls, den er auf dem Seminar bekommen hat. Er geht zurück und vergisst beim Betreten seines Büros alles, was er sich begeistert vorgenommen hatte. Der 34. oder 49. Impuls schafft es eben noch nicht, Routine und Gewohnheiten zu überwinden. Aber auch diese Impulse sind wichtig, denn nur so kommt er irgendwann auf 50.

Euros, Zufriedenheit und Motivation

Jeder Trainer, der sich seinen Teilnehmern verpflichtet fühlt, der Kontakt zu ihnen aufnimmt, sie wahrnimmt, sie in den Mittelpunkt seiner Arbeit rückt, kennt folgende Feedbacks: "Ich war vor zwei Jahren schon mal bei Ihnen im Seminar. Das hat mich damals sehr ermutigt. Und jetzt habe ich tatsächlich das umgesetzt, was ich schon die ganze Zeit umsetzen wollte."

Weiterbildung ist mehr als Wissensvermittlung, als Schulung oder das Vermitteln von Techniken. Weiterbildung ist auch die Chance, Menschen zu ermutigen, sich "empowern" zu lassen, wie es so schön neubayerisch heißt, erwachsen und selbstbewusst zu handeln. Das lässt sich manchmal in Euros ausdrücken, manchmal in Zufriedenheit und Motivation. Manchmal in einer besseren Teamzusammenarbeit. Manchmal dadurch, dass jemand das Unternehmen verlässt, der nicht mehr dort sein will. Der Wert von Weiterbildung erschließt sich allen, die wissen, worum es geht.

Sabine Asgodom ist Managementtrainerin, Bestsellerautorin und Präsidentin der German Speakers Association e.V. (GSA), einem Netzwerk deutschsprachiger Trainer mit etwa 340 Mitgliedern in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

© SZ vom 3.1.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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