Büro-Gerüchteküche:Schneller lästern dank IT

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Der Begriff Mundpropaganda ist out. Heute verbreitet sich Büro-Klatsch schriftlich via E-Mail, Instant Messenger oder Online-Foren - und damit wesentlich schneller als früher.

Julia Bönisch

Schon gehört? In der Abteilung drei sollen demnächst wieder ein paar Stellen wegfallen. Wen es trifft? Keine Ahnung, aber die dürre Rote bestimmt nicht, die hat doch was mit dem Abteilungsleiter.

So effektiv wie mit einem Megaphon: Büro-Gerüchte via E-Mail verbreiten. (Foto: Foto: iStock)

Ganze 65 Stunden pro Jahr verbringt der Mensch damit, Büro-Klatsch zu verbreiten, so eine Studie der Software-Firma Equisys. Ursprünglich wollte das Unternehmen herausfinden, wie die neuen Kommunikationsmittel die Arbeit von Büroangestellten erleichtern. Doch anstatt die Produktivität zu erhöhen, fand Equisys heraus, werden E-Mail und Chat-Programme lieber privat genutzt - nämlich für das Lästern.

Früher fanden solche Gespräche typischer Weise neben der Kaffeemaschine, dem Kopierer auf dem Flur oder im Raucherzimmer statt. Auf diese Weise brauchte das Büro-Getratsche Tage oder Wochen, bis auch der Letzte - oder der Betroffene - davon erfuhr.

Heute dagegen verbreiten sich Gerüchte rasend schnell - dank IT am Arbeitsplatz. Die angebliche Liebschaft der dürren Roten mit dem Chef schleicht nun nicht mehr mühsam von Büro zu Büro über alle Flure. Aufgeschrieben und an den Verteiler mit den Lieblingskollegen gemailt, lassen sich heute ganz neue Dimensionen der Schnelligkeit erreichen. Binnen Minuten erfährt so auch die Zweigstelle 500 Kilometer entfernt das, was keiner wissen muss, aber alle interessiert.

Besonders Einzelkämpfer, die nicht täglich in Meetings oder Konferenzen sitzen, nutzen das Internet für den informellen Informationsaustausch. Ohne Gelegenheit, den Kollegen mal persönlich zu sprechen, wird der E-Klatsch ungleich wichtiger.

Vorsicht: Chef liest mit

Gelästert wird meist über Zweierlei: mögliche Veränderungen im Unternehmen, wie Beförderungen, Kündigungen, Übernahmen und Verkäufe, aber auch Kollegen und Vorsitzende - wer mit wem, wer kann's, wer nicht.

Dumm nur, wenn man solchen Tratsch dem Falschen schickt. Denn das Klatschen ist mit dem Internet zwar schneller geworden, aber auch gefährlicher: Wenn der Chef im Adressbuch direkt unter der Kollegin steht, kann man leicht verrutschen. Einmal auf "Senden" geklickt, und schon ist die eigene Karriere in Gefahr.

Noch ein Vorteil des Gesprächs von Angesicht zu Angesicht: Es bleiben keine Beweise - vorausgesetzt, es lauscht niemand. Eine Instant Message, die sich plötzlich in einem Fenster auf dem Schirm öffnet, während einem Dritte im Nacken stehen, kann dagegen verräterisch sein. Genauso wie die E-Mail, die man vor dem Gang zum Klo vergessen hat zu schließen.

Klatsch hat trotzdem eine positive Seite.

Ein gemeinsames Feindbild verbindet schließlich, und das ist gut für das Teamwork. Beim Schimpfen über den Chef sind schon wahre Freundschaften entstanden. Und Neuen im Büro bietet das Gerede eine gute Orientierungshilfe. Wer hat denn in dem Laden wirklich das Sagen, und wem sollte man besser nicht vertrauen?

Weniger gefährlich als das E-Mail-Lästern ist das Tratschen in anonymen Foren: Auf der englischsprachigen Site officegupshup.com etwa kann man ungestraft dem Boss Bashing nachgehen, von anderen Horror-Chefs lesen und über die schlimmsten Vorgesetzten abstimmen. Die Betreiber garantieren, die Identität der Lästermäuler unter keinen Umständen preiszugeben.

Vom Klatschen in persönlichen Blogs sollte man dagegen lieber die Finger lassen. Der Chef und die Kollegen können schließlich jederzeit mitlesen. Fiese Bemerkungen und Indiskretion könnten ein Entlassungsgrund sein.

So geschehen etwa dem Briten Joe Gordon aus Edinburgh: Er mokierte sich in seinem Online-Tagebuch über die hässlichen Sandalen seines Chefs und kassierte prompt die Kündigung.

Als erster Blogger, der wegen seines Hobbys seinen Job verlor, machte er in auf der Insel Schlagzeilen. Sein kleiner Trost: Nachdem die Presse groß berichtete, sprangen die Klicks in die Höhe. Bis zu 34.000 Leser wollten plötzlich wissen, was Gordon denn so Schlimmes berichtet hatte. Spätestens jetzt wussten alle von den hässlichen Sandalen.

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