Bildungspolitik:Professoren sollen bessere Lehrer werden

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Hochwertigere Lehre durch mehr Geld: Der Wissenschaftsrat verlangt zusätzliche 1,1 Milliarden Euro pro Jahr für die Hochschulen.

Von Birgit Taffertshofer und Tanjev Schultz

Politiker und Wissenschaftler wollen die Lehre an den deutschen Hochschulen aufwerten. Der Wissenschaftsrat fordert dafür vom Staat 1,1 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr, wie Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz (parteilos) am Freitag nach einem Treffen des Rats in Berlin mitteilte.

Der Studienabbruch von rund 20 Prozent der Studienanfänger kostet den Staat jährlich 2,2 Milliarden Euro. (Foto: Foto: dpa)

Olbertz leitet die Verwaltungskommission des Wissenschaftsrats, in dem sowohl Wissenschaftler als auch die Fachminister von Bund und Ländern vertreten sind. Das Geld soll verwendet werden, um mehr Professoren einzustellen, Hochschullehrer fortzubilden und Mentoren- und Tutorenprogramme für Studenten anzubieten. Geplant ist außerdem ein nationaler Lehrpreis, mit dem hervorragende Leistungen in der Lehre gewürdigt werden sollen.

Wenn man bedenke, "dass der Studienabbruch von rund 20 Prozent der Studienanfänger den Staat jährlich 2,2 Milliarden Euro kostet, wäre dieses Geld vernünftig eingesetzt", sagte Kultusminister Olbertz. Nach einer neuen Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS) sind Studienabbruch und Fachwechsel vor allem in technischen, natur- und wirtschaftswissenschaftlichen Fächern nach wie vor ein großes Problem. "Hier müssen wir möglichst schnell Abhilfe schaffen", sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU).

Insgesamt brechen 21 Prozent der Studenten an Universitäten und Fachhochschulen ihr Studium ohne Abschluss ab. Zwar sinkt die Quote in den Kultur- und Geisteswissenschaften. Doch vor allem in den Natur- und Ingenieurswissenschaften gibt es einen gegenläufigen Trend. Er betrifft vor allem die stärker praxisorientierten Fachhochschulen und die neuen Bachelor-Studiengänge. Dort liegt die Abbrecherquote bei 30 Prozent. Wie die HIS-Studie außerdem zeigt, geben Universitäten mehr Studenten an die Fachhochschulen ab, als sie von den Fachhochschulen aufnehmen.

Als mögliche Ursachen des Studentenschwunds führen die Autoren der Studie an, die Leistungsanforderungen könnten zu hoch und die Studienbedingungen zu schlecht sein. Ministerin Schavan will sich deshalb auch dafür einsetzen, mehr Teilzeitstudiengänge einzurichten. Studenten müssten mehr Zeit haben, nebenher Geld zu verdienen oder ein Kind zu betreuen. Als Schlüssel für geringere Abbrecherzahlen betrachten Hochschulpolitiker auch eine didaktisch ansprechendere Lehre.

Der Chef des Wissenschaftsrats, der Münchner Germanistik-Professor Peter Strohschneider, dringt neben zusätzlichen Professorenstellen - in Fächern wie Germanistik kommen auf jeden Professor derzeit mehr als 100 Studenten - auf eine bessere Aus- und Fortbildung der Hochschullehrer. Lehrleistungen sollen künftig bei Berufungen eine größere Rolle spielen, um die Wertschätzung der Arbeit im Hörsaal zu steigern. Bisher zählt vor allem die Reputation in der Forschung. Professoren könnten sich auch gegenseitig in Vorlesungen und Seminaren besuchen, um von Kollegen Anregungen für die eigene Lehre zu erhalten.

Beschlusslage des Wissenschaftsrats ist es außerdem, sogenannte Lehrprofessuren einzuführen, deren Arbeitsschwerpunkt eine hochwertige Lehre ist. Die Tätigkeit eines Lehrprofessors soll etwa zu einem Drittel der Forschung und zu zwei Dritteln der Lehre gewidmet sein. Der Deutsche Hochschulverband, eine Interessenorganisation der deutschen Professorenschaft, lehnt solche Lehrprofessuren jedoch ab. Der Verband sieht darin einen Bruch mit dem Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre.

Die größten Herausforderungen für die Hochschulpolitik stehen erst noch bevor. Die Wissenschaftsminister rechnen mit einem Anstieg der Studierendenzahlen von derzeit zwei Millionen auf bis zu 2,5 oder sogar 2,7 Millionen in den kommenden Jahren. Vor allem für die Jahre 2012 bis 2015 wird ein deutlicher Anstieg erwartet. Dann werden die letzten geburtenstarken Jahrgänge die Schulen verlassen, außerdem drängen in mehreren Bundesländern, in denen die verkürzte Gymnasialzeit eingeführt wurde, zwei Abiturjahrgänge gleichzeitig an die Hochschulen.

Der Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) betonte, die Lehre an den Hochschulen müsse nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ gestärkt werden. Er verwies auf seinen Vorstoß aus dem vergangenen Jahr, einen Wettbewerb der Hochschulen für eine bessere Lehre zu veranstalten. Die Kultusministerkonferenz will nun noch in diesem Jahr gemeinsam mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft einen solchen "Wettbewerb für eine exzellente Lehre" starten.

Die Hochschulen sollen Konzepte einreichen, wie sie die Qualität ihrer Lehre sichern und steigern wollen. Der Stifterverband stellt fünf Millionen Euro für den Wettbewerb bereit. "Allzu oft steht der Forscher dem Lehrer im Weg", sagte der Generalsekretär des Stifterverbands, Andreas Schlüter. Nur nach mehr Geld zu rufen, greife deshalb viel zu kurz. Die Vernachlässigung der Lehre sei ein Strukturproblem. "Doppelt so viele Professoren bedeutet nicht automatisch eine doppelte Qualität in der Lehre", betonte Schlüter. Bisher würden Professoren auf ihre Lehraufgaben zu wenig vorbereitet.

© SZ vom 5.7.2008/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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