Betriebsausflug:Weg mit den lieben Kollegen

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In den Krisenjahren wurden sie selten, jetzt sind Betriebsausflüge wieder im Kommen - als Mitarbeiter-Event. Die Floßfahrt für den Teamgeist ist eine lohnende Investition.

Miriam Hoffmeyer

Der tausendste Magnetzünder war gefertigt, und die Leute hatten eine Belohnung verdient: Im September 1896 wanderte Robert Bosch mit seinen damals 16 Mitarbeitern nach Geradstetten im Remstal. Man darf getrost annehmen, dass während der Tour durch Wiesen, Felder und Weinberge Wanderlieder angestimmt wurden. Zum Ausklang lud der Firmengründer seine Belegschaft zur Vesper ins Wirtshaus ein.

Betriebsausflug (Foto: Foto: dpa)

Kaffee, Kuchen, Heimfahrt

Jahrzehntelang verliefen Betriebsausflüge nach diesem bewährten Muster. In den sechziger Jahren kamen die Wanderlieder aus der Mode, dann das Wandern selbst. Ein neues Ausflugsmodell gewann an Popularität: die Kaffeefahrt. Der typische Betriebsausflug, organisiert von der Chefsekretärin, sah nun so aus: mit dem Reisebus in den Nachbarort, Stadtbesichtigung oder Museumsbesuch, Kaffee und Kuchen, Heimfahrt.

Heute gilt der traditionelle Betriebsausflug als langweilig. Schlichte Waldspaziergänge und Kaffeefahrten werden inzwischen vor allem von Behörden und anderen öffentlich-rechtlichen Institutionen unternommen, deren Veranstaltungsbudget so knapp bemessen ist, dass die Ausflügler ihr Essen selbst bezahlen müssen.

Viele Unternehmen wollen dagegen unbedingt etwas Originelleres, eine Exkursion, die den Mitarbeitern in Erinnerung bleibt. Weil das Wort Betriebsausflug so altbacken klingt, nennt man das dann lieber "Firmen-Event". Gern werden solche Ausflüge auch mit einer Tagung oder einem Teambildungs-Workshop verbunden, die Grenzen sind fließend.

Professionelle Betriebsausflug-Organisatoren

Seit den neunziger Jahren haben sich bundesweit bis zu hundert professionelle Veranstalter von Betriebsausflügen etabliert, die enorm vielfältige Programme anbieten. Die Firmen können zwischen Draisinenfahrten und Canyoning-Touren, Stadtrallyes und Trabi-Safaris wählen, sie können ihre Belegschaften Flöße bauen oder Kurzfilme drehen lassen oder ihnen im Spessart Räuber-Darsteller auf den Hals hetzen. Natürlich gehört auch ein Abendprogramm dazu. Manche Unternehmen buchen auch schon mal eine mehrtägige Reise für eine besonders erfolgreiche Abteilung, deren Mitarbeiter dann tagsüber Ski fahren und Iglus bauen und es sich danach im Wellness-Hotel wohl sein lassen.

"Die Mischung aus Wellness und Aktivprogramm kommt immer gut an", sagt Stephan Schmitt, dessen Firma Adventure & Fun sich auf Betriebsausflüge spezialisiert hat. Zu seinen Kunden gehören Großunternehmen wie Porsche oder SAP, aber auch mittelständische Betriebe.

Schmitt ist oft selbst als Betreuer dabei und passt auch auf Kleinigkeiten auf: "Keinen Schnaps, hat der Chef gesagt!", weist er einen Wirt im pfälzischen Kusel an, wohin er die Mitarbeiter einer Baufirma begleitet hat. "Damit die morgen noch fit zum Kanufahren sind!" Schmitt ist sicher, dass die gemeinsamen Ausflüge dem Betriebsklima gut tun. "Ob Verkäuferinnen gemeinsam unterwegs sind oder Manager - nach dem zweiten Bier redet es sich leichter, da werden manche Missverständnisse ausgeräumt."

"Man lernt sich auf andere Weise kennen"

Auch der Münchner Sozialpsychologe Professor Dieter Frey ist überzeugt, dass Betriebsausflüge viele Vorteile für die Unternehmen haben: "Man lernt sich auf ganz andere Weise kennen. Damit sinkt auch später die Schwelle für Kommunikation und Kooperation - und die Chance für ein besseres Wissensmanagement steigt." Zwar könne es auch mal vorkommen, dass bestehende Vorurteile auf dem Ausflug noch verstärkt würden. "Aber die Chancen überwiegen bei weitem."

Im Durchschnitt geben Unternehmen pro Ausflug etwa 8.000 Euro aus, schätzt Nils Hirschfeld aus Erfurt, der sich mit seinem Reisebüro vor sieben Jahren auf Betriebsausflüge spezialisiert hat. " Wegen der geringen Margen rentiert sich das nur über die große Menge." Hirschfeld ist sowohl Veranstalter als auch Vermittler, seine Webseite ist der größte Internet-Marktplatz für Betriebsausflüge.

Die Nischen-Branche hatte in den wenigen Jahren ihres Bestehens allerdings schon starke Schwankungen zu verkraften. Denn auch wenn die Ausflüge die Motivation und den Teamgeist der Belegschaft verbessern mögen, ist der Nutzen doch kaum konkret messbar. Deshalb sparten viele Unternehmen nach dem Krisenjahr 2001 zuerst am Budget für Firmenveranstaltungen.

Seit 2004 sitzt das Geld wieder lockerer

"In den späten neunziger Jahren haben wir noch enorm vom Internet-Hype profitiert", erinnert sich Frank Pickel, Gründer der Firma FP-Sportreisen. "Die Dotcoms haben damals alles gebucht, ohne nach dem Sinn zu fragen, nach dem Motto: Raus mit dem Geld! Nach dem Börsencrash und den Terroranschlägen war dann der Ofen aus."

Seit 2004 sitzt das Geld bei den Unternehmen wieder lockerer, Pickels Kunden stammen heute aus allen Branchen. In den Jahren des Abschwungs buchten fast nur IT-, Kommunikations- und Beratungsunternehmen seine Angebote. "Die haben hochqualifiziertes Personal, das man immer bei der Stange halten muss", meint Pickel.

Die Mitarbeiter des Münchner Beratungsunternehmens Esprit Consulting gehen jedes Jahr gemeinsam zum Oktoberfest, veranstalten eine Weihnachtsfeier, eine gemeinsame Skireise - und jeden zweiten Sommer einen Betriebsausflug unter dem Motto "Day of Care".

Schuften statt raften

Weil Rafting oder Bergsteigen schon ausgereizt waren, kam der Vorstand im Jahr 2002 auf die Idee, ein soziales Projekt zu starten. Die Wahl fiel auf den Bau eines Kinderspielplatzes in einer Münchner Suchtklinik. "Die Mitarbeiter wussten gar nichts, die haben wir einfach in den Bus gesetzt", sagt Stephan Marchner vom Esprit-Vorstand. "Das war natürlich ein Tanz auf Messers Schneide: Die sollten körperlich hart arbeiten und die Patienten der Klinik in die Teams integrieren. Aber es hat super geklappt, alle haben angepackt."

Die handwerklich Begabten im Unternehmen bauten die Spielgeräte auf, die übrigen schoben Schubkarren oder schmierten Brötchen. "Das Ergebnis dieser Arbeit kann man sehen und anfassen, ganz im Gegensatz zu unserer sonstigen Konzeptarbeit", sagt Marchner. Bei den folgenden "Days of Care" habe man eine Behinderten-Olympiade veranstaltet und ein Münchner Mädchenheim renoviert. "Da lernt man dann auch mal andere Seiten kennen, vom Leben und von den Kollegen."

Vielleicht wird der soziale Betriebsausflug irgendwann noch zum Trend: Seit kurzem bieten auch professionelle Veranstalter wie Hirschfeld Touristik die Möglichkeit an, einen Betriebsausflug mit einem sozialen Projekt zu verbinden. Die Nachfrage, meint Hirschfeld, sei bisher allerdings "eher theoretisch".

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