Berufswelt:Babysitter und Einkaufsdienst von der Firma

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Werden uns in Zukunft Work-Life-Koordinatoren entlasten?

Sylvia Englert

(SZ vom 13.10.2001) Job, Haushalt und Kindererziehung ohne Nervenzusammenbruch zu managen: Das entwickelt sich zunehmend zu einer Kunst. Die Großeltern, auf die man einst zählen konnte, haben wenig Lust, sich aufopferungsvoll um die Enkel zu kümmern, sondern jetten um die Welt - oder sind schon so alt, dass sie selbst Betreuung brauchen. Da ist es kein Wunder, dass die "Work-Life- Balance" en vogue ist - das modische Schlagwort für das Problem, Job und Privatleben in Einklang zu bringen.

Auch in den Unternehmen ist man sich des Themas bewusst geworden. Denn Mitarbeiter, die private Probleme wälzen, haben den Kopf nicht frei, während sie am Schreibtisch sitzen. Maßnahmen, um sie zu entlasten, laufen immer seltener unter dem Etikett "familienfreundlich": Spricht man statt dessen von "Work-Life-Balance", so signalisiert man, dass auch Singles etwas davon haben sollen.

Rundum-Programm

Der Trend kommt, wie das Schlagwort schon andeutet, aus den USA. Dort hat es sich schon vor Jahren eingebürgert, dass jedes größere Unternehmen einen "Work-Life-Coordinator" hat, der sich um Belange der Mitarbeiter kümmert. Seine Aufgaben sind breit gefächert: Kinder- und Altenbetreuung sind zwar die Renner unter den Angeboten, doch er ist auch dafür zuständig, ermäßigte Eintrittskarten für Freizeitparks oder Gutscheine fürs Fitness-Studio zu verteilen, den Mitarbeitern Hilfe bei der Hausarbeit zu vermitteln oder für sie die Einkäufe erledigen zu lassen.

Ein Rundum-Programm, von dem deutsche Fachkräfte bislang nur träumen können. Hierzulande gibt es, obwohl der Begriff durch alle Firmen schwirrt, nur sporadisch solche Koordinatoren. Zumindest heißen sie meist nicht so. "Oft werden die Gleichstellungsbeauftragten umfunktioniert", weiß die Unternehmensberaterin Angela Fauth-Herkner. "Sie haben immer mehr Aufgaben aus dem Bereich Work-Life, sind Ansprechpartner und Seelsorger im Betrieb." Oft bleibt die aufwändige Work-Life-Beratung auch an den Personalabteilungen hängen - die allerdings sind dafür kaum gerüstet.

Große Unterstützung

Deshalb kaufen Unternehmen diesen Service häufig ein: Externe Berater vermitteln befristete Kinderbetreuung während der Dienstreise, suchen Tagesmütter und informieren über Betreuungsmöglichkeiten für die pflegebedürftigen Eltern der Mitarbeiter. "Als Angebot ist das hervorragend und eine große Unterstützung", urteilt Dorothea Jansen von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft in Berlin (EAF). "Allerdings sind es in der Regel nur Großunternehmen, die so etwas einrichten können."

Zum Beispiel DuPont: Der Chemie- und Pharmariese hat schon vor Jahren in manchen seiner Niederlassungen Work-Life- Maßnahmen eingeführt und leistet sich zwei eigene Koordinatorinnen. Die sind nun "Ansprechpartnerinnen, wenn's irgendwo klemmt, und beraten die lokalen Personalabteilungen zu Work-Life-Fragen", erklärt Dirk Blösinger, der bei DuPont für die Einführung der Programme zuständig war.

Interne Lösungen

Oft lassen sich die Probleme, mit denen die Mitarbeiter zu ihnen kommen, durch flexible Vereinbarungen intern lösen: Für eine Mitarbeiterin, die ein Kind adoptieren wollte und deshalb für längere Zeit nach Nepal flog, arrangierten die Koordinatorinnen eine längere Auszeit, für junge Mütter richteten sie Teilzeit- Telearbeit ein.

Zwar sind die Effekte höherer Mitarbeiterzufriedenheit schwer messbar, dennoch hat sich die Work-Life-Initiative bei DuPont offenbar ausgezahlt: Man verzeichnete eine höhere Produktivität, geringere Fluktuation und einen niedrigeren Krankenstand. "Wenn das Unternehmen Verständnis für die privaten Bedürfnisse der Mitarbeiter hat", resümiert Blösinger, "dann werden die Leute das dem Unternehmen in Form von höherer Einsatzbereitschaft doppelt und dreifach zurückzahlen."

Trotz dieser beeindruckenden Resultate ist die Zukunft der Work-Life- Programme mehr als ungewiss: Wegen der schlechten Konjunktur hat man derzeit fast nirgends Geld für sie übrig. Dieser Tage dürfen die Mitarbeiter nun doch wieder selbst zusehen, wie sie die Balance zwischen Beruf und Privatleben in den Griff bekommen.

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