Berufstätige Eltern:Familien unerwünscht

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Wer kümmert sich ums Kind? Für junge Familien ist es wie eine Wahl zwischen Pest und Cholera: Frauen verlieren den Anschluss im Job - und Männer werden in der Firma verlacht.

F. Berth

Wahrscheinlich ist Achim Schwarz einer der neuen Väter, nach denen Medien, Politik und Frauen seit Jahren fahnden. Der Manager wollte bald nach der Geburt seiner Tochter Katharina Elternzeit nehmen. Schwarz plante - genau wie seine Lebensgefährtin, eine Lehrerin - seine Arbeitszeit anderthalb Jahre lang zu halbieren, denn er wollte sich um die kleine Tochter kümmern. Aus Sicht des Paares war es das perfekte Modell, weil es die Eltern gleichmäßig in die Pflicht nehmen würde und beiden viel Zeit für das Kind ließe. Eine Arbeitsteilung, die noch mehr Gleichheit verspricht, lässt sich wohl kaum finden.

(Foto: Foto: iStock)

Doch Schwarz' Arbeitgeber, die Düsseldorfer Unternehmensberatung Ernst & Young, lehnte ab. Das Unternehmen, das vor knapp einem Jahr mit einem Gütesiegel für familienfreundliche Unternehmen ausgezeichnet wurde, entdeckte dringende betriebliche Gründe, die dagegen sprächen: "Der Wunsch nach Teilzeit lässt sich mit der von Ihnen bekleideten Managerposition nicht vereinbaren", antwortete die Firma kühl.

45.000 Euro Schadenersatz

Der Berater ließ sich von seinem Plan nicht abbringen. Doch auch die Firma blieb hart. Deshalb zog Schwarz vor das Düsseldorfer Arbeitsgericht. Hier erzielte der 40-Jährige im August 2008 einen Erfolg, der manchen deutschen Personalchef erschreckt haben dürfte: Schwarz erhielt von Ernst & Young rückwirkend 45.000 Euro Schadenersatz, weil ihm die Firma eine Teilzeitstelle verwehrte und ihn dadurch zwang, ganz aus dem Job auszusteigen. Die Entschädigung entsprach ungefähr dem, was der Berater in Teilzeit verdient hätte.

Der Fall zeigt wieder einmal, dass Beruf und Familie in Deutschland für viele Paare schwer zu vereinbaren sind. Frauen klagen häufig, dass sie nach der Geburt ihrer Kinder den Anschluss im Job verlieren - und wenn Männer ernsthaft einen Teil der Familienaufgaben übernehmen wollen, stoßen sie dabei nicht selten auf den Widerstand ihrer Arbeitgeber.

Ernährer und Betreuer

Wobei man zugeben muss, dass die männlichen Pläne sehr unterschiedlich ausfallen: Junge Männer mit Hauptschulabschluss sind vergleichsweise konservativ, ergab eine Umfrage im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Knapp 70 Prozent von ihnen sehen sich als künftiger männlicher Alleinverdiener: Sie bringen das Geld nach Hause, ihre Frauen kümmern sich um die Kinder. Bei jungen Männern mit Abitur ist das Bild anders: Nur 30 Prozent von ihnen haben solche traditionellen Träume - die restlichen sehen sich nicht nur als Ernährer der Familie, sondern auch als Betreuer der Kinder.

Die Pläne der jungen Frauen sind tendenziell moderner als die der Männer. Bei einer großen Umfrage der Zeitschrift Brigitte gaben 90 Prozent an, sie möchten ökonomisch "auf eigenen Beinen stehen". Junge Frauen, sagt die Soziologin Jutta Allmendinger, "haben das Leben ihrer Mütter und Großmütter verfolgt. Sie haben daraus gelernt und die Spielregeln verstanden". Deshalb "lassen sie sich nicht auf die Risiken einer Versorgung durch den Ehemann ein", so Allmendinger.

Soweit die Pläne, die Träume. Später jedoch, im Arbeitsalltag der Eltern, gehen diese Wünsche nur selten in Erfüllung, wie Befragungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung regelmäßig zeigen. Demnach sind viele Mütter - wie auch Väter - mit ihren Arbeitszeiten unzufrieden: Mütter klagen, dass sie in ihren Teilzeitjobs zu wenig arbeiten können. Umgekehrt bemängeln Väter, dass ihnen die klassische Vollzeitstelle zu viel abverlangt. "Der Wunsch der meisten Eltern ist eindeutig: Sie würden die Arbeitszeiten gerne gleichmäßiger aufteilen", sagt Christa Klenner von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Auf der nächsten Seite: Warum das Elterngeld auf manche Väter wie eine "Einstiegsdroge" wirkt.

Entweder ganz arbeiten - oder ganz wenig

Doch was so simpel klingt, ist im Alltag schwer zu realisieren. Denn in vielen Unternehmen herrscht eine Arbeitskultur, die die passenden Jobmodelle nicht kennt: Entweder ein Angestellter arbeitet Vollzeit - dann ist er, wie die meisten Väter, 40 Stunden pro Woche oder mehr für die Firma verfügbar. Damit ist er einer von denen, auf die sich der Chef gerne verlässt; er zählt zu den Kandidaten mit den besseren Aufstiegschancen. Oder eine Angestellte reduziert wegen der Kinder auf Teilzeit - dann zählt sie, wie viele Mütter, zum Personal zweiter Klasse: Solche Mitarbeiterinnen sind entweder besonders preiswert, weil sie nur einen Minijob haben. Oder sie gehören zu denen, die man mit ihren Halbtagsstellen nicht wirklich ernstnimmt. Man arbeitet entweder ganz - oder ganz wenig. Eine dritte Möglichkeit gibt es auf dem deutschen Arbeitsmarkt selten.

Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, erteilt der Bundesrepublik deshalb immer wieder schlechte Noten beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So seien in Deutschland die Mütter vergleichsweise selten berufstätig, solange die Kinder im Vorschul- und Grundschul-Alter sind. Das sei einer der Gründe für die hohe deutsche Kinderarmut, moniert der OECD-Experte Willem Adema: Wenn nur ein Elternteil arbeite, seien die Kinder dreimal häufiger von Armut betroffen als Kinder, deren Eltern beide berufstätig seien.

Anreiz zur schnellen Rückkehr

Allerdings stellt die OECD in ihrer Studie "Babies and Bosses" auch fest, dass sich manches in Deutschland zum besseren wandelt. Die Kinderbetreuung wird ausgebaut, das seit Januar 2007 gezahlte Elterngeld ist auch für Väter attraktiv - und es liefert überdies einen Anreiz zur schnellen Rückkehr in den Job, denn es wird nur maximal 14 Monate bezahlt. Ob das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in ein paar Jahren also entschärft ist? Statistiken und Studien der Sozialwissenschaftler können derzeit bestenfalls Andeutungen liefern - mit Präzision sind die Trends noch nicht zu erkennen, weil die politischen Projekte Elterngeld und Krippenausbau noch nicht lange genug laufen.

Gleichwohl mehren sich die Anzeichen, dass jüngere Männer die klassischen Arbeitszeit-Modelle korrigieren möchten. Gerade unter Angestellten mit akademischer Qualifikation und höherem Einkommen wollen derzeit erstaunlich viele zu Hause mehr Verantwortung übernehmen - wie der Manager Achim Schwarz, der deshalb sogar das Arbeitsgericht anrief. Auch zeigen die Erfahrungen mit dem Elterngeld, dass vor allem Besserverdiener zeitweise auf ihren Job verzichten, sobald ein Baby da ist.

Und möglicherweise wirkt das Elterngeld auf manche Väter wie eine "Einstiegsdroge". Jedenfalls berichten Unternehmen, die viele Akademiker beschäftigen, immer häufiger von Männern, die nach der Elternzeit dauerhaft weniger arbeiten wollen. "Ich bin erstaunt, wie viele Männer mit dem Wunsch nach einer Vier-Tage-Woche in den vergangenen Monaten in meinem Büro saßen", sagt zum Beispiel die Beraterin Claudia Lazai vom EDV-Dienstleister Datev.

Einzelkämpfer unter den Männern

Dass die Veränderung in Unternehmen mit zahlreichen Besserverdienern beginnt, ist logisch: Den Verzicht auf einen Teil des Gehalts können sich nur wenige leisten. Aber dass sie anfangen es zu tun, ist gleichwohl erstaunlich: "Die Wünsche der jungen Väter, die ich heute höre, hätte es in der Form vor fünf oder zehn Jahren nicht gegeben", sagt Lazai. Das alte, hübsche Sprichwort des Soziologen Ulrich Beck, die Männer zeigten eine "verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre" scheint nicht mehr zu stimmen.

Fraglich ist nur: Gleichen sich die Arbeitszeiten von Müttern und Vätern jetzt allmählich an? Oder streben nur ein paar Einzelkämpfer unter den Männern eine neue Arbeitsteilung in ihren Partnerschaften an? Entscheidend ist wohl, wie groß der Wunsch nach etwas Neuem ist - ähnlich wie bei kindlichen Weihnachtswünschen: Ganz oben auf der Wunschliste steht vielleicht die Playmobil-Ritterburg, ganz weit unten dann der neue Plüschtier-Anhänger für den Schulranzen. Solange sich die Playmobil-Burgen der erwachsenen Männer aus Gehalt, Anerkennung und Aufstieg zusammensetzen, ändert sich wenig - der Plüschtier-Anhänger "Arbeitszeit" ist dann einfach nicht so wichtig. Wenn aber die Arbeitszeit allmählich aufrückt in der Prioritätenliste, sieht das Ganze anders aus: Wichtige Wünsche entfalten eine andere Kraft als solche, die man irgendwie auch noch hat.

© SZ vom 4.4.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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