Berufe:Wenn andere schlafen

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Ihr Arbeitstag beginnt, wenn andere Feierabend machen. Wer Schauspieler oder Barkeeper werden will, muss sich auf ungewöhnliche Arbeitszeiten einstellen.

Von Mirjam Hägele

Schlafforscher haben herausgefunden, dass es an den Genen liegt, zu welcher Tageszeit wir unsere Hochzeiten haben. "Lerchen" springen morgens putzmunter aus dem Bett; "Nachteulen" kommen erst abends so richtig auf Touren. Bei der Berufswahl kann man auf solche individuelle Befindlichkeiten durchaus Rücksicht nehmen.

Alexander Forsters, Barchef im Café Dukatz (Foto: Foto: Mirjam Hägele)

Man sollte dabei aber nie vergessen, dass Nachtarbeit ihren Reiz auch wieder verlieren kann - schließlich ist es ein Unterschied, sich am Wochenende auf Partys zu vergnügen oder jeden Abend zur Arbeit zu gehen.

Alexander Forsters beginnt gegen 17 Uhr zu arbeiten. Er ist Barchef im Café "Dukatz" im Münchner Literaturhaus. Der Barkeeper sagt, er sei "von Natur aus eher nachtaktiv", der Beruf würde daher gut zu ihm passen. Heute ist er allerdings etwas abgespannt, weil er tagsüber vor der Arbeit noch seinen Umzug organisieren muss und dann auch noch mehrere Mitarbeiter im Café ausgefallen sind. Aber normalerweise fühle er sich "je später, je besser".

Im "Dukatz" steht Forster meistens bis zwei Uhr nachts am Tresen. Nach der Arbeit könne er aber für gewöhnlich nicht sofort schlafen und müsse erst mal "runterkommen". "Vor fünf Uhr komme ich deshalb kaum ins Bett", sagt der 34-Jährige.

Keine Sonne

Früher habe er in einem Nachtclub gearbeitet, da sei sogar nie vor sechs Uhr Schluss an der Bar gewesen. "Im Winter habe ich damals manchmal wochenlang die Sonne nicht gesehen", erzählt Forster. Jetzt versuche er, trotz der Nachtschichten immer gegen 11 Uhr aufzustehen. Außerdem habe er angefangen auch tagsüber zu arbeiten, obwohl ihm gerade der Wechsel zwischen Tag- und Nachtschichten sehr schwer falle.

Anna Böger, die seit zwei Jahren als Schauspielerin an den Münchner Kammerspielen arbeitet spielt gerade die "Elisabeth" in Schillers "Don Karlos". Beim Treffen nach der Vorstellung sieht sie müde aus. Doch nach dem "Adrenalin-Kick" der Vorstellung braucht sie trotzdem noch ein paar Stunden, bevor sie abschalten kann: "Meistens gehe ich nach einer Vorstellung nicht vor zwei Uhr ins Bett. Wenn ich dann am nächsten Morgen eine Probe habe, kann das sehr anstrengend sein."

Die 26-Jährige hat vor einem Semester zudem ein Studium an der Uni München begonnen. "Einmal die Woche mache ich Seminare in Kunstgeschichte, Religionswissenschaft und Theaterwissenschaft. Das Aufstehen ist dann immer richtig hart." Trotzdem schätzt Böger den wechselnden Rhythmus der Arbeitszeiten und die freie Zeiteinteilung, wenn sie vormittags mal keine Proben hat.

15 bis 50 Prozent mehr Gehalt

Jörg Wiedemuth, Leiter der Tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei ver.di, empfiehlt Arbeitnehmern mit Nachtarbeit auf einen Wechsel von Tag- und Nachtschichten zu achten.

Dies sei eine gute Lösung, um mit nächtlichen Arbeitszeiten besser zurecht zu kommen. Denn Nachtarbeit sei generell gesundheitsschädigend. "Deshalb sollte die Häufigkeit von Nachtarbeit begrenzt sein. Es ist ein Trugschluss zu denken, dass sich der Biorhythmus durch Training umstellt."

In der Regel würden Nachtarbeitszeiten im Tarifvertrag genau definiert und mit Zuschlag vergütet. "Die genauen Zeiten können variieren. In der Industrie beginnt Nachtarbeit zum Beispiel zwischen 22 und 23 Uhr und endet zwischen 5 und 6 Uhr", so Wiedemuth. Die Höhe der Gehaltszuschläge sei für gewöhnlich unterschiedlich und liege zwischen 15 und 50 Prozent des Normaltarifs.

Wirklich entschädigen kann aber auch ein Zuschlag den Schlafentzug nicht. Letztlich ist es eine persönliche Entscheidung, ob man mit Nachtarbeit zurecht kommt, oder sie sogar besonders schätzt.

In Termin-Nöten

Forster nimmt seine anstrengenden Arbeitszeiten gerne in Kauf: "Ich bin jetzt mein halbes Leben in der Gastronomie tätig und möchte im Leben nichts anderes machen." Der Job als Barkeeper mache ihm soviel Spaß, das sei für ihn eigentlich "keine Arbeit, sondern bezahlte Freizeit."

"Schließlich lerne ich an der Bar immer viele interessante Leute aus den unterschiedlichsten Bereichen kennen: Künstler, Banker, Studenten... Jeder landet mal an der Bar", schwärmt der Barkeeper. Außerdem seien die Gäste abends viel entspannter und die Arbeit sei deshalb netter.

Anna Böger sieht das ähnlich: "Die Schauspielerei ist ein spannender Beruf, weil man ständig dazulernt und interessante Leute trifft." Einzige Schwierigkeit sei die Koordination der sozialen Kontakte: "Viele meiner Freunde arbeiten tagsüber, wenn ich frei habe. Und bei mir sieht es dann abends schlecht aus."

Forster kennt das Problem und meint dazu: "Man merkt schnell, wer im Freundeskreis erhalten bleibt." Mit wirklich guten Freunden fände man nach seiner Erfahrung trotz unterschiedlicher Arbeitszeiten immer einen Termin, um sich zu treffen.

Literatur:

Uta Glaubitz: "Jobs für Nachteulen", Campus Sachbuch 2002, ISBN: 3-5933-6939-7, 15,90 Euro.

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