Ausstieg auf Zeit:Langzeiturlaub und die Folgen

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Wer auf Zeit aus seinem Job aussteigt, muss vieles berücksichtigen - von der Altersvorsorge bis zur Krankenversicherung.

Rolf Winkel

(SZ vom 2.2.2002) Aus dem Job aussteigen, das würden gerne 43 Prozent der Arbeitnehmer - allerdings nur auf Zeit. Dies ergab eine aktuelle Umfrage. Möglich ist das, wenn man Arbeitszeit auf einem Langzeit-Arbeitszeitkonto anspart. Im zweiten Teil dieser Serie geht es um Ausstiegs-Modelle, die eher einem unbezahlten Urlaub ähneln. Dabei gibt es mindestens zwei Spielarten:

Palmenstrand auf Pulau Tiga (Malaysia) (Foto: N/A)

Variante 1: Keine Arbeit - kein Geld: So etwas können Arbeitgeber und Arbeitnehmer jederzeit miteinander vereinbaren. Das sozialversicherte Beschäftigungsverhältnis "pausiert" dann für eine gewisse Zeit. Wenn der Vorschlag zum zeitweisen Ausstieg - was derzeit meist der Fall sein dürfte - vom Unternehmen ausgeht, gibt es oft Verhandlungsspielraum: Warum sollte der Firma die hiermit verbundene "Personalhaltung auf Vorrat" nicht auch einige Euro wert sein?

Variante 2: Keine Arbeit - etwas Geld: Unternehmen, die dieses Modell anbieten, möchten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits Kosten sparen, sich aber andererseits die Arbeitskraft des "Aussteigers auf Zeit" auf Dauer erhalten. Das lassen sich Firmen dann auch etwas kosten. Beispiel Siemens, wo sich das Angebot "Time-Out" nennt: Mitarbeiter des Unternehmensbereich ICM erhalten, wenn sie sich für einen einjährigen Ausstieg entscheiden, monatlich weiterhin 20 Prozent des bisherigen Bruttogehalts - bei Null-Arbeit.

Kein Direktionsrecht, keine Versicherungspflicht

Wichtig für Interessenten: Besteht in einem solchen Fall weiterhin ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis oder nicht? Eine Möglichkeit ist, ausdrücklich zu vereinbaren, dass der Arbeitgeber für die Zeit des Ausstiegs kein Direktionsrecht besitzt. Dann besteht allerdings auch keine Versicherungspflicht.

Oder es wird - wie beim "Time-Out-Modell" von Siemens - verabredet, dass der Arbeitnehmer sich weiterhin begrenzt verfügbar hält, er begrenzt an Weisungen gebunden und gegebenenfalls innerhalb einer bestimmten Frist wieder "rückrufbar" ist. In diesem Fall gehen die Sozialversicherungsträger davon aus, dass das sozialversicherte Beschäftigungsverhältnis auch ohne Arbeitsleistung weiter besteht. Wer sich unsicher ist, ob eine von seiner Firma vorgeschlagene Regelung für die Sozialversicherungen wasserdicht ist, kann sich im Übrigen an die Einzugsstelle seiner Krankenkasse wenden und um eine Stellungnahme zur Versicherungspflicht bitten.

Eheleute im Vorteil

Interessenten sollten in jedem Fall prüfen, welche Folgen der Ausstieg auf Zeit für ihre soziale Absicherung hat. Diese sind - je nach Modell - sehr unterschiedlich. Bei der Kranken-/Pflegeversicherung gilt folgendes: Aussteiger nach der ersten Variante müssen sich - wenn die Auszeit länger als einen Monat dauert - freiwillig versichern. Der Mindestbeitrag wird auf Basis eines Einkommens von monatlich 781,67 Euro berechnet, selbst wenn man gar kein Arbeitsentgelt erzielt. Der niedrigste Beitrag der freiwilligen Krankenversicherung liegt - je nach Kasse - zwischen 100 und 120 Euro im Monat. Bei der Pflegeversicherung wird monatlich ein Mindestbeitrag von 13,29 Euro fällig.

Glück haben allerdings diejenigen, deren Ehepartner gesetzlich krankenversichert ist: Hier greift die kostenlose Familienhilfe der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Privatversicherte mit GKV-Ehepartner können ihren privaten Versicherungsvertrag für die einkommenslose Zeit ruhen lassen. Durch eine geringe Beitragszahlung kann man sich die bestehende Alterseinstufung sichern ("Anwartschaftsversicherung") und nach der Ausstiegszeit wieder in den unverändert laufenden Vertrag einsteigen. Ledige Privatversicherte müssen den privaten Schutz während der einkommenslosen Zeit aus eigener Tasche zahlen.

Krank im Urlaub

Da kein Arbeitsentgelt fließt, gibt es im unbezahlten "Langzeiturlaub" außerdem keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und genau so wenig Kranken(tage)geld seitens der privaten oder gesetzlichen Kassen. Privatversicherte sollten ihren privaten Krankentagegeldvertrag in dieser Zeit ruhen lassen (wiederum durch eine Anwartschaftsversicherung).

Bei der zweiten Variante, dem "Time-Out-Modell" verhält es sich folgendermaßen: Wer vorher Mitglied der GKV war, bleibt weiterhin versicherungspflichtig. Bei einem Bruttoeinkommen von beispielsweise 1000 Euro werden monatlich für den Arbeitnehmer rund 70 Euro Krankenversicherungsbeitrag fällig (der Arbeitgeber zahlt nochmals genau so viel). An die Pflegeversicherung müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in diesem Fall monatlich je 8,5 Euro entrichten. Wer vorher privat versichert war, wird durch die Einkommensreduzierung wieder versicherungspflichtig. Privatversicherte können die Zeit der Einkommensreduzierung also nutzen, um - gegebenenfalls auch auf Dauer - wieder Zuflucht unter dem Dach der GKV zu suchen.

Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wird vom Arbeitgeber, wenn nichts anderes vereinbart ist, auf Basis des 20-Prozent-Einkommens geleistet. Anschließend gibt es ebenfalls auf dieser Grundlage Krankengeld beziehungsweise bei Privatversicherten Krankentagegeld. Die privaten Krankentagegeldverträge sollte man an das verringerte Einkommen anpassen.

Renteneinbußen unvermeidbar

Bei der Rentenversicherung gilt folgendes: Ein Jahr Nicht-Beschäftigung nach dem 20-Prozent-Modell bringt eine beträchtliche Renteneinbuße mit sich. Noch weniger - nämlich gar nichts - bringt die Variante "Keine Arbeit - kein Geld" für das Rentenkonto. Für einen Durchschnittsverdiener wirkt sich ein fehlendes Beitragsjahr bei der späteren Monatsrente mit einem Minus von 25,31 Euro (West) beziehungsweise 22,06 Euro (Ost) aus.

Das Fehlen eines Versicherungsjahres kann darüber hinaus gravierende Folgen für Rentenanwartschaften haben: So gibt es zum Beispiel das vorgezogene Altersruhegeld für Arbeitslose nur, wenn man innerhalb der letzten zehn Jahre vor Antragstellung acht Versicherungsjahre nachweisen kann. Im Zweifelsfall sollte man vor der Ausstiegsentscheidung bei den Auskunfts- und Beratungsstellen der Rentenversicherungsträger nachfragen.

Bei der Arbeitslosenversicherung gilt das Prinzip: Niedrige Beiträge - niedrige Leistung Was passiert, wenn man in der Auszeit oder kurz danach den Arbeitsplatz verliert, etwa weil ganze Betriebsabteilungen geschlossen werden? Hier bringt paradoxerweise die erste Variante Vorteile. Der Schutz der Arbeitslosenversicherung bleibt auch ohne Beitragszahlung bestehen, vorausgesetzt der "Ausstieg" dauert nicht länger als zwei Jahre. Das Arbeitslosengeld würde im Falle des Falles nach dem vollen Einkommen vor dem Ausstieg bemessen.

Bei der zweiten Variante bleibt der Versicherungsschutz zwar erhalten. Allerdings fällt die Absicherung bei Arbeitslosigkeit deutlich niedriger aus, weil das niedrige Entgelt in der Auszeit bei der Bemessung zumindest mitberücksichtigt wird.

Betriebliche Altersversorgung regeln

Einbußen bei der betrieblichen Altersversorgung dürfte es bei beiden Modellen geben. Diese fallen allerdings je nach Versorgungsmodell des Betriebs unterschiedlich aus.

Zusätzliche Probleme kann es bei der ersten Variante geben - und zwar mit der Fünf-Jahres-Frist binnen derer Versorgungsansprüche bei arbeitgeberfinanzierter Altersversorgung unverfallbar werden. Über diesen Punkt lässt der Arbeitgeber jedoch möglicherweise mit sich reden. In den Ausstiegsvertrag könnte beispielsweise folgende Formulierung aufgenommen werden, die der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Axel Hoss vorschlägt: "Die Zeit Ihrer Beurlaubung werden wir als Dienstzeit im Sinne des Versorgungswerks betrachten, so dass Ihnen durch die Beurlaubung keinerlei Nachteile in der betrieblichen Altersversorgung entstehen werden."

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