Ausbildungsmarkt:Alles gar nicht so schlimm?

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Wenige Wochen vor Beginn des Ausbildungsjahres sind noch viele Bewerber ohne Lehrstelle. Berufsberater stöhnen, Arbeitgeberverbände beruhigen. Zahlen von Optimisten und Pessimisten.

Von Mike Szymanski

Zuerst nimmt Erika Kriebel den jungen Menschen, die ihr am Schreibtisch erwartungsvoll gegenübersitzen, die Träume. Wer sich nur auf Lehrstellen für den Wunschberuf bewirbt, sagt die 48-jährige Berufsberaterin, der könnte am Ende ganz ohne Ausbildungsplatz dastehen. "So schlimm wie jetzt war die Lage in den vergangenen 20 Jahren nicht." Sie legt die Zahlen der Agentur für Arbeit im niederbayerischen Deggendorf vor: Mehr Bewerber, weniger Lehrstellen. Auf 1075 unversorgte Schulabgänger kommen nur 329 Stellen. "Im schlimmsten Fall bleiben zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres bis zu 300 Bewerber bei uns übrig, die nichts bekommen haben."

Uneingelöstes Versprechen

Die Sorge, Schulabgänger in die Arbeitslosigkeit entlassen zu müssen, treibt derzeit auch die Staatsregierung um. Gestern hat sie gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden und den Agenturen für Arbeit den "Tag der Ausbildung" ausgerufen. Arbeitsministerin Christa Stewens appellierte an Unternehmen, zusätzliche Lehrstellen zu schaffen.

Die jüngste Bilanz der Regionaldirektion für Arbeit in Bayern lässt Schlimmes ahnen. Wenige Wochen vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres sind im Freistaat 37.523 Bewerber nicht vermittelt, fast 14 Prozent mehr als vor einem Jahr. Unbesetzte Stellen zählte die Regionaldirektion Bayern 15.900, 16 Prozent weniger als 2003. Rein rechnerisch müssen in Bayern 100 Bewerber um 80 Lehrstellen konkurrieren. Vor einem Jahr war die Bilanz noch nahezu ausgeglichen.

Bislang ist das Vorhaben der Staatsregierung, jedem interessierten Jugendliche auch eine Lehrstelle zu ermöglichen, ein uneingelöstes Versprechen. Um am Ende doch noch Wort halten zu können, hat der Freistaat im Rahmen der Aktion "Fit for Work - Berufschancen 2004" etwa 15 Millionen Euro für die Schaffung zusätzlicher Lehrstellen zur Verfügung gestellt. Als entschiedener Gegner der heftig diskutierten Ausbildungsplatzabgabe will man in Bayern erst recht nicht Schulabgänger in die Arbeitslosigkeit schicken müssen.

"Positiver Trend"

Soweit - da sind sich der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) und der Bayerische Handwerkstag einig - werde es ohnehin nicht kommen. Beide Wirtschaftsorganisationen sehen anders als die Agentur für Arbeit bereits eine Wende auf dem Lehrstellenmarkt und warnen vor unnötiger Panikmache. Die Zahlen der Arbeitsagenturen bilden ihrer Meinung nach die Realität nicht ab. Eine Vielzahl von Stellen werde vergeben, ohne dass die Arbeitsagenturen überhaupt eingeschaltet würden.

Bei den geschlossenen Ausbildungsverträgen habe der BIHK ein Plus von vier Prozent registriert. "Wir werden zu einer ausgeglichenen Bilanz kommen", gibt sich Hubert Schöffmann vom BIHK zuversichtlich. Seitdem die Ausbildungsplatzabgabe zugunsten eines Paktes vom Tisch sei, gebe es deutlich mehr Vertragsabschlüsse.

Von einem "positiven Trend" spricht auch Rudolf Baier vom Handwerkstag. Ende Juni seien 8,5 Prozent mehr Ausbildungsverträge im Handwerk geschlossen worden. "Einen solchen Anstieg hatten wir noch nie." Zudem hätten 2003 etwa 5100 Lehrstellen nicht besetzt werden können, weil den Schulabgängern die Qualifikationen fehlten, weitere 3900 Bewerber hätten trotz Zusage ihre Ausbildungsstelle nicht angetreten - offenbar weil sie eine attraktivere gefunden hatten.

© SZ vom 13.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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