Ausbildung:Appelle ans Gewissen der Arbeitgeber

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Die Bundesregierung will den Anteil der ausbildenden Betriebe von 30 auf 40 Prozent erhöhen.

Robert Jacobi

(SZ vom 30.4.2003) Irgendwann reichte es dem Wirtschaftsminister, ungeduldig ermahnte er die Runde. "Es wird der Situation nicht gerecht, wie wir hier verhandeln", sagte er - und meinte damit den fast eineinhalbstündigen Streit um eine Zwangsabgabe für Betriebe, die nicht ausbilden.

Spitzenvertreter von Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden wollten am Dienstag eine Kampagne für Ausbildungsplätze starten. Im Foyer des Bundespresseamts war schon eine Werbetafel mit drei Männchen in den Landesfarben und dem Spruch "Ausbilden jetzt - Erfolg braucht alle" aufgestellt. Oben im vierten Stock des Gebäudes musste aber noch der Wortlaut der Erklärung ausgetüftelt werden, die zwar fast schon fertig war - bis auf die Passage zu einer Zwangsabgabe. In letzter Minute fügten beide Seiten dann der angeblich gemeinsamen Erklärung ein Statement in eigener Sache hinzu.

Dissens beim Geld

Als die Herren schließlich zusammen mit Bildungsministerin Edelgard Bulmahn die langen Treppen hinabstiegen, hatten sie sich also über das Ziel verständigt, nicht aber über den richtigen Weg. "Wir müssen es schaffen, dass jeder Jugendliche bis Jahresende einen Ausbildungsplatz bekommt", sagte die Bildungsministerin. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten gebe es "einen breiten Konsens in der Ausbildungsfrage", behauptete sie.

Nur wenige Minuten später wurde aber der Dissens sichtbar: Arbeitgeberchef Dieter Hundt sagte, eine Ausbildungsplatzabgabe verhindere sogar Stellen. Gewerkschaftschef Michael Sommer sagte zwar, er sei hier "nicht in einer Talkshow", wollte sich aber eine direkte Antwort nicht nehmen lassen und sprach von einem "vernünftigen Instrument". Bulmahn und Clement machten allerdings klar, dass zumindest in diesem Jahr keine Abgabe kommt. Im Gegenzug wird der Wunsch der Arbeitgeber nicht erfüllt, den Auszubildenden weniger zahlen zu dürfen.

Bedrückende Zahlen

Die Zahlen vom Ausbildungsmarkt wirken aus heutiger Sicht tatsächlich bedrückend. Bis März haben die deutschen Unternehmen 58.000 Lehrstellen weniger angeboten als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr. Parallel dazu blieb aber die Bewerberzahl wegen der geburtenstarken Jahrgänge gleich.

Sommer sagte, wenn im Herbst das neue Ausbildungsjahr beginne, würden 140.000 Ausbildungsplätze fehlen. Der Wirtschaftsminister sprach von einer "alarmierenden Situation", versuchte aber, den Pessimismus zu dämpfen: "Wir werden Klinken putzen, um Ausbildungsplätze zu schaffen, und wenn alle das tun, werden wir Erfolg haben." Clement will Betriebe besuchen, Werbeplakate und Handzettel sollen an das Gewissen der Arbeitgeber appellieren. Der Anteil auszubildender Betriebe soll von 30 auf mindestens 40 Prozent steigen.

Das kommt

Die Bundesregierung will die Motivation der Betriebe durch einige gesetzestechnische Schritte verbessern. So soll die Ausbildungseignerverordnung mit ihren schwer erfüllbaren Kriterien für fünf Jahre ausgesetzt werden.

Um zusätzliche Kosten für die Betriebe zu vermeiden, wird die Grenze für Geringverdiener unter den Auszubildenden auf 325 Euro gesenkt, die erst im April auf 400 Euro gestiegen war.

Das Förderprogramm Kapital für Arbeit, das es bisher schon für die Beschäftigung von Arbeitslosen gab, wird auf Ausbildungsplätze ausgedehnt: Wenn ein Betrieb einem suchenden Jugendlichen einen Ausbildungsplatz verschafft, kann er von der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau ein Darlehen von bis zu 100.000 Euro bekommen. Das Bund-Länder-Programm für Ausbildung, das um 2000 Plätze gekürzt werden sollte, bleibt auf dem alten Niveau von 14.000 Ausbildungsstellen in staatlichen oder staatlich geförderten Einrichtungen.

Keine konkreten Schritte kündigten Bulmahn und Clement an, was verkürzte Ausbildungszeiten betrifft. Allerdings vereinbarten sie mit den Sozialpartnern, zumindest langfristig auch "weniger komplexe, auch zweijährige und gestufte Ausbildungen" einzuführen und Ausbildungsordnungen zu modernisieren.

"Letztlich war das eine Schaufensterveranstaltung", sagte danach ein Teilnehmer, der sich mehr erhofft hatte. Um aber den politischen Druck zu steigern, wollen Clement und Bulmahn künftig monatliche Treffen auf der Fachebene veranstalten. Im Juli wollen sie dann noch einmal mit den Verbandschefs zusammen kommen und überprüfen, ob sich die Lage tatsächlich gebessert hat. Wenn nicht, wird dann wohl wieder über die Zwangsabgabe diskutiert.

Um das zu verhindern, wollen die Arbeitgeberchefs die Appelle an ihre Mitglieder weiterleiten. Auch Hundt sagte, dass es dem gesellschaftlichen Klima schade, wenn Tausende Jugendliche ohne Job bleiben.

Die Experten warnen ohnehin davor, dass sich die Lage bis in zehn Jahren komplett verändern wird: Wegen der niedrigen Geburtenrate gibt es dann zu wenige Bewerber - und die heutige Lücke würde, wenn sie nicht geschlossen wird, zu einem enormen Mangel an Facharbeitern führen.

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