Arbeitsvermittler im Osten:Und dann sagst du nichts mehr

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Jens Güßmar ist Arbeitsvermittler in Neubrandenburg, der Gegend mit der höchsten Erwerbslosenquote Deutschlands. Ein Besuch im Notstandsgebiet.

Von Harald Hordych

Jens Güßmar ist ein großer Mann. Aber wenn er an seinem Schreibtisch im dritten Stock der Bundesagentur für Arbeit in Neubrandenburg sitzt, fällt das nicht auf. Kräftig sieht er aus, das schon, aber er spricht mit leiser Stimme und lacht freundlich und spricht mit einem Berliner Akzent, der kumpelhaft wirkt. Jens Güßmar ist kein Mann, der sich aufspielt.

Ein paar Mal am Tag will Güßmar aber doch zeigen, dass er ein großer Mann ist. Zu diesem Zweck muss er aufstehen und in seinem Büro eine Körperdemonstration veranstalten. "Ich stehe natürlich auf, um die Leute zu begrüßen, schon allein aus Höflichkeit", erklärt Jens Güßmar, ein Kerl mit Armen, die ein bisschen wie Rhönräder vom Körper abstehen. "Ich stehe aber auch auf, um meine Einszweiundneunzig zu zeigen. Damit die Leute das Gefühl haben, der kann mir helfen. Der kann richtig zupacken. Bei dem bin ich an der richtigen Adresse."

Solcher Art sind die Gedanken von Jens Güßmar, dem Arbeitsvermittler. Zu solchen Mitteln greift er, wenn er Langzeitarbeitslosen das Gefühl geben will, ihnen sei noch zu helfen. Er greift zu Symbolen. Er sendet Signale ans Unterbewusste. Zum Beispiel durch die Art, wie er jemandem die Hand gibt, wie er einfach da im Raum steht und neunzig Kilogramm Kraft und Zuversicht präsentiert.

Wird schon. Trotz Hartz IV. Trotz Neubrandenburg. Dort, wo sowieso nichts mehr geht. Im Arbeitsamtsbezirk Neubrandenburg, dem Bezirk in Deutschland mit der höchstens Arbeitslosenquote. Im Mai 2005 lag sie im Durchschnitt bei 25,2 Prozent. Im Februar waren es 27,9. Aber auch in den besseren Monaten des Jahres gibt es Bereiche wie Ueckermünde an der deutsch-polnischen Grenze, wo die Quote bei fast 30 Prozent zementiert ist.

Eindeutig zu viel Idylle

Auch in Neubrandenburg scheint die Sonne. Unter einem blauen Himmel ist die Stadt mit der sieben Kilometer langen Stadtmauer und den vier imposanten Ziegelsteintoren wie gemacht für touristische Zerstreuungen. Eine Stadt, wo man es sich gutgehen lassen kann. Auch wenn im Krieg viel zerstört wurde und mitten hinein, wenig empfänglich für den Charme der in pastellfarben gestrichenen Häuserzeilen, ein Hochhaus, schmal wie ein Hemd, gesetzt wurde.

Im 14. Stock gibt es eine Kneipe, die "No. 14" heißt und sich zugleich Ostmuseum nennt. Überall Fotografien einer guten alten Zeit, die seit 15 Jahren tot ist. Marx-Büsten, Ulbricht-Fotos, Uniformen. Von hier oben geht der Blick in alle Richtungen, geht in die Weite einer wunderschönen, so dicht bewaldeten wie dünn besiedelten Seenlandschaft. Gleich neben den Häusern glitzert der große Tollensesee.

Bald kommen die Gäste. "Sehen Sie!", sagt der Wirt, der auf Fotos, die er zu Werbezwecken verteilt, in NVA-Paradeuniform posiert. "Sehen Sie, nicht ein einziges Boot auf dem See!" Das ist eindeutig zu viel Idylle. Die Tourismus-Branche hat sich ein paar Kilometer südwestlich bei der Mecklenburger Seenplatte entwickelt, hier nicht. "Mit Hartz IV wird alles noch schlimmer", sagt der Wirt. "Die Leute von außerhalb haben kein Geld mehr fürs Auto. Die kommen nicht mehr."

Jeder kommt von selbst darauf zu sprechen. Der Taxifahrer, dem man bei der Fahrt zum Arbeitsamt spontan mitteilt, wie schön doch die Stadt sei, in der er lebt, nickt höflich und sagt sofort: "Aber die Arbeitslosigkeit! Furchtbar." Der Mann hat drei Töchter. Sie alle sind fortgegangen. Weit weg. Bis nach England. Sie wollten Arbeit haben. Sie haben sie woanders gefunden.

Dabei war die DDR-Bezirksstadt einmal eine Industriestadt und ein großer NVA-Standort, hier gab es Rüstungsindustrie, eine Flugzeugfabrik und den Nahrungsmittelhersteller Nagema. Alles was eine Stadt von einstmals 90.000 Einwohnern so braucht. Vorbei. Und Richtung Nordosten wird alles noch schlimmer. Je einsamer das Land wird, desto schwieriger wird es, hier Arbeit zu finden. Obendrein sind die Löhne so niedrig, dass selbst Polen kaum zu überzeugen sind, als Erntehelfer zu arbeiten. Deutschlands Arbeitsnotstandsgebiet.

Hier soll Jens Güßmar Menschen wieder in Arbeit bringen. Sein Chef Sönke Fock, 43, ist mit der Schwierigkeit dieser Aufgabe bestens vertraut, so gut, dass er aus der Not eine Tugend gemacht hat und mit den Qualitäten eines Entertainers den Notstand verwaltet. Bei der Aufführung von "Tod eines Handlungsreisenden" von Arthur Miller sprach er im Theater den Prolog.

Fock mauert nicht, er geht offen mit den Problemen und den Medien um. Er erzählt, dass die Kollegen von den Bezirken anderer Agenturen für Arbeit froh sind, wenn er kommt. Schlechter als er kann nämlich keiner sein. "Natürlich kämpfen wir gegen Windmühlen", sagt Fock. "Wir dürfen hier nicht mit Zahlen argumentieren. Dann verlieren meine Mitarbeiter die Motivation. Wir denken hier nur in Einzelfällen."

Das Büro von Jens Güßmar ist ein Musterbeispiel für einen Ort konzentrierter Arbeit. Der Wimpel des Fußballklubs Hansa Rostock ist kaum größer als seine Visitenkarte. Dieses Jahr ist der letzte Ostverein Hansa aus der Bundesliga abgestiegen. An den Wänden hängen Karten und Luftaufnahmen von Neubrandenburg.

Aber weil jetzt die Klärung aller finanziellen Fragen beim Arbeitslosengeld II und die Arbeitsvermittlung getrennt sind, ist der Flur von Jens Güßmar leer. Es werden Termine vergeben, und pro "Kunde" rechnet Güßmar eine Stunde inklusive Vorbereitung. Es sind junge Kunden, die zu ihm kommen. Langzeitarbeitslose unter 25 Jahren.

Offiziell tritt Güßmar mit den starken Floskeln des modernen Agentur-für-Arbeit-Managements auf: "Unsere Kunden sollen in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden." Aber der Jens Güßmar dieses langen Arbeitstages von 8 bis 18 Uhr kümmert sich vor allem um den Abbau von Defiziten, die verhindern, dass diese Menschen keine Arbeit finden.

"Nur so hat der Kunde wieder Chancen, sich in den alten Bundesländern zu bewerben, weil der Arbeitsmarkt hier nun mal nicht sehr aufnahmefähig ist", sagt Güßmar. Es geht um junge Leute, die aufpassen müssen, dass ihr berufliches Leben nicht endet, bevor es angefangen hat.

Heute ist Bildungsgutscheintag. Am Ende wird Güßmar sogenannte überbetriebliche Fortbildungen im Wert von 20.000 Euro ausgegeben haben. Er wird achtmal aufgestanden sein und Hände geschüttelt haben. Achtmal wird er die Kosten der Zusatzqualifikation genannt haben und gesagt haben, dass "der Beitragszahler" eine Gegenleistung erwarten dürfe.

Und dieser Tag, den er später einen "unproblematischen Tag" nennt, wird ihn einige Stresszigaretten kosten, die er im Pausenraum, angewidert von sich und seiner Nikotinsucht, raucht, weil trotzdem wieder alles ziemlich kompliziert ist.

Da ist der 24-jährige Maler, der mit seiner Frau gekommen ist. Nach seiner Ausbildung hat er noch nie in dem Beruf gearbeitet. Güßmar gibt ihm eine Zusatzausbildung für Wärmedämmung. Nun hat der Bildungsträger die Zertifizierung verloren und muss sie neu beantragen. Das dauert, es muss rasch ein neuer Träger gesucht werden. Dabei darf Güßmar ihn nicht beraten, um sich nicht dem Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung im umkämpften Bildungsmarkt auszusetzen.

Ängstlich und verärgert zugleich

Der Mann trägt ein ärmelloses T-Shirt, das dunkelblonde Haar ist kurz geschnitten. Vorgebeugt sitzt er an Güßmars Schreibtisch, meistens blickt er ängstlich und verärgert zugleich nach unten, er sagt kaum etwas, aber dann ist er plötzlich wie elektrisiert: "Dann kann ich ja noch in der Arbeitsgelegenheit bleiben! Mehr will ich ja gar nicht", ruft er. Er spricht von einem Ein-Euro-Job, der nichts mit seiner Ausbildung zu tun hat.

"Aber Sie müssen diese Fortbildung machen", sagt Güßmar streng. "Sie müssen sich qualifizieren, damit sie wieder Chancen am Arbeitsmarkt haben."

"Ach, sind Sie zuversichtlich!", wirft die Frau des Malers ein.

"Sagen Sie mal, was hat er für Chancen?", fragt Güßmar und weist auf den Ehemann wie auf ein Kind.

"Ja, gar keine!", sagt die Frau.

"Meinen Sie nicht, das wirkt bei einem Arbeitgeber, dass Sie sich bemüht haben?", wendet sich Güßmar an seinen Kunden.

"Ja, ja, schon richtig", murmelt der Maler, der noch nie als Maler gearbeitet hat.

"Haben Sie schon den Verlängerungsantrag für Alg II gestellt?", fragt Güßmar weiter. "Die Kohle muss doch weiterlaufen. Und bleiben Sie am Ball, was Ihre Bewerbungen angeht?" Kopfnicken, Achselzucken. Gemurmelte Fragen. Güßmar erklärt geduldig, wie die Formulare ausgefüllt werden. Der Mann schaut nach unten, auf die Tischplatte oder zu seiner Frau, er lässt das alles über sich ergehen.

Güßmar sagt: "Gleich haben Sie's geschafft. War ja ne Menge Holz heute." Dann legt er ihm ein Papier vor, die Einigungsvereinbarung. Es ist ein Vertrag, der verhindert, dass eine Fortbildung einfach abgebrochen werden kann. Regresspflicht. Der Mann zögert.

Die Frau sagt: "Bei 'nem anderen hättest du vielleicht keine Fortbildung gekriegt."

Güßmar sagt: "Ansonsten haben Sie keine Chance mehr in Ihrem Beruf."

Der Mann unterschreibt und fragt Güßmar: "Und, bald Mittag?"

Am liebsten hätte der Maler nur übers Wetter und andere Dinge geredet.

Als das Ehepaar sich verabschiedet hat, muss sich Güßmar um einen problematischen Kunden kümmern. Der Maler sei ja willig, wie er es nennt. Aber willensschwach. Die Frau bestimme alles.

Am Anfang des Tages hatte Güßmar im schönsten Behördenkauderwelsch verkündet: "Es wird ergründet, was den Kunden in seiner Bedarfsgemeinschaft daran hindert, eine Arbeit aufzunehmen."

Jetzt wird klar, dass damit Familienprobleme gemeint sind. Dass in Güßmars Zimmer Sozialarbeit geleistet wird.

Schieben nennt Güßmar seine Art des Arbeitens, "immer schieben". Damit die "Kunden" nicht resignieren. Damit sie weitermachen.

Der Mann, den er danach allein trifft, hat sich bislang bei seinem Ein-Euro-Job unter Einsatz aller erdenklichen Ausreden nicht einmal blicken lassen. Güßmar wird ihn abholen und mit dem Auto persönlich abliefern, weigert er sich dann, kann er ihm die Leistungen streichen.

Als er zurückkommt, ist er zufrieden. Der Mann hat ihm "in die Hand versprochen" sich zu bessern. "Ein Handschlag, das zählt in unserer Gegend." Güßmar kann sich an dieser Aktion wie ein Kind freuen. Eine starke menschliche Geste, unbürokratisch, außerhalb der Paragraphenwelt und der Quoten, die Jens Güßmar das Leben schwer machen.

Güßmar, 37, war einmal selbst arbeitslos. Er hat einen DDR-Lebenslauf. Nach dem Abitur war er vier Jahre bei der Nationalen Volksarmee. Danach hat er als Lok-Mechaniker dafür gesorgt, dass der Warenverkehr zwischen der Sowjetunion und der DDR floss. Dann löste sich der Staat auf und mit ihm der sozialistische Leistungstransfer. Niemand brauchte mehr solche Lokomotiven und solche Lok-Mechaniker.

Ein Gewinner in drei Monaten

Der arbeitslose Ostdeutsche Güßmar bewarb sich für ein Studium an der Fachhochschule des Arbeitsamtes in Mannheim und wurde mit drei anderen unter 120 Bewerbern ausgewählt. Darauf ist er bis heute stolz. Er ging zurück in den Osten. Nach Berlin. Jetzt arbeitet er in Neubrandenburg und lebt am Wochenende in Usedom. Wenn er eine gelöste Atmosphäre erzeugen will, berlinert er, was das Zeug hält. Güßmar weiß, wie die Leute im Osten ticken, und er weiß, wie es sich anfühlt, nicht gebraucht zu werden.

Seine letzte erfolgreiche "Einmündung in den Arbeitsmarkt" war Ende März. Ein Gewinner in drei Monaten. Bei der großen Meckpomm-Tombola müssen die Sieger auch noch Bedingungen wie Mobilität und Flexibilität erfüllen. Das macht es nicht leichter.

Güßmar wird nicht gern nach dieser Art der Erfolgsmeldung gefragt. Er wird nicht gern an Zahlen gemessen. Güßmar rechnet in Bruchstücken ganzer Zahlen, in Dezimalstellen hinter dem Komma. Damit er und seine Kunden überhaupt Erfolgserlebnisse haben, wird der Einzelfall in winzige Erfolgseinheiten unterteilt. Tagessiege, die die jungen Leute über sich selbst feiern und über die Zeit, die gegen sie arbeitet.

Für Güßmar beginnt, heimlich und schleichend wie eine bösartige Krankheit, die Langzeitarbeitslosigkeit schon nach sechs Monaten. Dann hinterlässt die Abwesenheit von der Disziplin und Ausdauer erfordernden Arbeitswelt erste Spuren. "Die Menschen entwöhnen sich von der Arbeit."

Das Formular ausgefüllt? Zehn Bewerbungen in einem Monat geschrieben? Bewerbungen abgerechnet? Sich eigenverantwortlich nach einem geeigneten Bildungsträger umgesehen? Rufen Sie mich an? Kommen Sie nächste Woche vorbei? Bleiben wir in Kontakt? Alles Güßmar-Fragen.

Immer wieder, mit dem munteren, optimistischen Ton des großen Lilalaunebärs vom dritten Stock vorgebracht. Gegen die Resignation und die andere Art des Rechnens, die besagt, dass man mit Alg II ja doch irgendwie über die Runden kommen kann, ohne dabei kaum weniger als mit täglicher Arbeitsmühsal zu verdienen. "Wer mich boykottieren will, wer nicht mehr arbeiten will, der schafft das auch", sagt Güßmar. Da könne er gar nichts gegen machen.

Die Agentur für Arbeit liegt mitten in einem Plattenbau-Wohngebiet. Genau gegenüber wirbt eine private Arbeitsvermittlung für ihre Dienste, drinnen stehen österreichische Schnörkelmöbel, weil es hier hauptsächlich Saison-Arbeit in österreichische Feriengebiete zu ergattern gibt. "Das hat keinen Zweck hier. Hier kriegen Sie nichts. Bloß weg!", erzählt der 48-jährige Uwe Hanka. In der Wintersaison war der einstige Kraftfahrer drei Monate auf einer Skihütte in Kitzbühel.

Hoher Klebe-Effekt

Am liebsten wäre er schon wieder in seinem Hotel, aber seine arbeitslose Frau protestierte, als er schon wieder gehen wollte. Hat er es schon mal gegenüber versucht, bei der Agentur für Arbeit? "Die haben doch nichts", sagt der Mann und winkt ab. Wobei die private Agentur einen unschätzbaren Vorteil hat: Sie kann sich ihre Kunden aussuchen. Vor allem solche, die bereit sind, ihre Heimat eine Zeitlang zu verlassen. Was beim "hohen Klebe-Effekt" der Leute in Meckpomm selten ist.

Jens Güßmar kann niemanden abweisen. Auch nicht den Kunden, der jetzt vier Wochen in Arrest geht, weil er die Gerichtskosten eines verlorenen Prozesses nicht bezahlen kann und der vergaß, seinen Antrag auf Weiterzahlung zu stellen, weil "Mutti einen Antrag gekriegt hat und ich nicht". Güßmar schnarrt in den Hörer hinein: "Morgen erscheinen Sie hier, in Ihrem eigenen Interesse." Dann legt er auf und seufzt. Mehr nicht. Er seufzt, schaut nach draußen und sagt: "Das war ein kleiner Niederschlag."

Selbst als eine junge Physiotherapeutin mit ihrem ersten Arbeitsvertrag vorbeikommt, ist das kein Grund zum Jubeln. Die Arbeitgeberin macht eine teure Zusatzausbildung zur Bedingung, die ihr die Agentur für Arbeit nicht bezahlt, weil sie noch nicht langzeitarbeitslos ist. Wäre sie es, würde sie sie bekommen. Güßmar telefoniert kreuz und quer durchs Haus, um den richtigen Ansprechpartner zu finden.

Bei manchen Zuständigkeiten blickt auch Güßmar nicht durch. Wie soll es da erst seinen Kunden gehen? Güßmar mag den Ausdruck "Kunden" nicht. Kunden sollen Könige sein. Sie können Leistung für ihr Geld einfordern.

Für ihn sind sie "Ratsuchende", die Leute wie ihn brauchen, um sich zurechtzufinden zwischen den Richtlinien und Kompetenzen, die geändert werden.

"Wenn denen keiner hilft, gehen die ein", sagt Güßmar auf seinem Bürostuhl. "Denen kann ich doch nicht sagen: Sie haben keine Chance mehr."

"Sie sind eigentlich Sozialarbeiter."

"Ja, die Vermittlung als Kern meiner Aufgabe, das ist nicht mehr so."

Güßmars Arbeitstag ist zu Ende. Es ist viertel nach sechs. Jetzt raucht er auch in seinem Büro. Das ist der Schlussakt. Aber das Rauchen kotzt ihn an. Am Feierabend will er nur noch abschalten, Seichtes im Fernsehen glotzen, seine Ruhe haben. Wenn er am Wochenende nach Hause zu seiner Lebensgefährtin fährt, dann vergisst er seine Arbeit, sobald er über die Zecheriner Brücke fährt. Dann ist er am Meer.

Dann will er nur noch an den Strand bei Loddin. Dort wohnt er. Dann redet er gegenüber Bekannten und Nachbarn auch nicht mehr über seine Arbeit. Nicht, weil er das nicht will, sondern schlichtweg, weil dort alle sagen, ihr seid alle Faulpelze, ihr tut doch nichts und blickt überhaupt nicht durch.

Früher hat er dann mit den Leuten diskutiert, gestritten. Aber heute sagt Jens Güßmar nichts mehr.

Heute macht er einfach seine Arbeit.

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