Arbeitsrecht und Datenschutz:Legal lauschen

Lesezeit: 2 min

Finnland will Mitarbeiterüberwachung erlauben - auf Drängen Nokias. Das Unternehmen hat offenbar Politiker unter Druck gesetzt, um das Gesetz zu erzwingen.

G. Herrmann

In dem Fernsehspot ist die Kritik deutlich: Da eilt ein Abgeordneter raschen Schrittes aus einem Sitzungszimmer des Parlaments und geht durch eine Tür mit der Aufschrift "WC". Kurz drauf kommt er verärgert mit einer leeren Klopapierrolle heraus und reißt sich ein paar Seiten aus einem Buch mit der Aufschrift "Finnlands Verfassung".

Finnen protestieren gegen die "Lex Nokia": Nokia soll Politiker unter Druck gesetzt und mit dem Wegzug ins Ausland gedroht haben. (Foto: Foto: afp)

Mit dem Werbefilm protestiert derzeit eine Bürgerrechtsgruppe gegen ein neues Gesetz, das finnischen Unternehmen gestatten soll, den Mailverkehr ihrer Mitarbeiter zu überwachen. Die Aktivisten haben einen mächtigen Gegner: Eifrigster Befürworter des Lauschangriffs ist Nokia. Und im Parlament hat der Telefonkonzern bereits eine Mehrheit von seiner Sache überzeugt.

Der weltgrößte Handyhersteller war in den vergangenen Jahren in seiner Heimat in die Kritik geraten, weil er Mitarbeiter bespitzelt hatte. Einmal hatte zum Beispiel ein chinesischer Konkurrent bei einer Messe eine Funkstation präsentiert, die dem neuen Modell aus Finnland auffallend ähnlich war. Daraufhin hatte Nokia die elektronischen Briefkästen einiger Angestellter nach Post aus Fernost durchforstet.

Gefilzte Mailverzeichnisse

Nach den bisher geltenden Datenschutzbestimmungen bewegte sich das Unternehmen dabei bereits am Rande der Illegalität. Aber mit dem neuen Gesetz sind solche Lauschangriffe künftig rechtlich abgesichert. Firmen könnten dann schon auf vagen Verdacht hin die Mailverzeichnisse ihrer Mitarbeiter filzen. Einzelne Briefe dürften sie zwar immer noch nicht lesen, wohl aber Absender, Empfänger und Betreffzeile.

In wenigen Wochen will die Regierung das Parlament über das Gesetz abstimmen lassen. Nokia argumentiert, die Lockerung des Datenschutzes sei notwendig, um Industriespionage zu bekämpfen. Die Kritiker - darunter viele Verfassungsrechtler - meinen dagegen, das "Lex Nokia" verletze Informationsfreiheit, Privatsphäre und Menschenrechte.

Bürgerrechtsgruppen protestieren

Auch in den Zeitungen hagelte es Kritik. Ein Kommentator warnte im Hufvudstadsbladet, das Gesetz sei "wie ein Echo aus George Orwells Roman 1984". Helsingin Sanomat, die größte Zeitung des Landes, bezeichnete den Regierungsvorschlag als "Meisterstück des Lobbyismus". Unter Berufung auf anonyme Quellen berichtete das Blatt sogar, Nokia habe Politiker unter Druck gesetzt und mit dem Wegzug ins Ausland gedroht.

Der Konzern beschäftigt in Finnland 16.000 Mitarbeiter und steht für etwa ein Fünftel der Unternehmensteuer-Einnahmen des Landes. Nokia und Ministerpräsident Matti Vanhanen dementierten den Zeitungsbericht umgehend. Es sei keinerlei Druck ausgeübt worden. "Wir haben natürlich unsere Meinung gesagt", sagte eine Unternehmenssprecherin. Aber die Berichte über Umzugsdrohungen seien völlig falsch. Die Bürgerrechtsgruppen wollen sich jedenfalls auch bei einer Niederlage im Parlament nicht geschlagen geben. Sie wollen dann vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.

© SZ vom 10.2.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: