Arbeitsrecht: Fehlzeiten:Chef, ich bin dann mal beim Arzt!

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Darf man während der Arbeitszeit zum Arzt gehen? Wann der Chef "Ja" sagen muss und was sich selbst ernsthaft kranke Mitarbeiter nicht leisten dürfen.

Wolfgang Büser

Angenommen, ein Arbeitnehmer muss zweimal wöchentlich zum Arzt, um dort bestrahlt zu werden. Die Praxis hat bis 17.30 Uhr geöffnet - die Arbeitszeit endet für ihn aber schon um 16.30 Uhr. Dürfte er vormittags Bestrahlungstermine wahrnehmen und den vollen Lohn verlangen? Im Regelfall nicht; denn der Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn" aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch gilt heute so wie früher.

Verschreibt der Arzt Bettruhe, sollte man lieber zuhause bleiben. Ansonsten droht eine Abmahnung. (Foto: Foto: iStockphoto)

Ausnahmsweise kann Arbeitsentgelt aber dann bezogen werden, wenn der Arbeitnehmer durch einen "in seiner Person liegenden Grund" und ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist.

Persönliche Hinderungsgründe, bei denen der Arbeitgeber Gehalt oder Lohn fortzuzahlen hat, können neben familiären Ereignissen - wie Geburten, Todesfälle und Hochzeiten - auch Erkrankungen und damit zusammenhängende Arztbesuche sein. Auch dabei handelt es sich um "persönliche Gründe".

Der Arbeitgeber braucht aber seinen Beschäftigten einen Arztbesuch während der Arbeitszeit nur zu gestatten und zu bezahlen, wenn dies außerhalb der Arbeitszeit nicht möglich wäre. Im eingangs erwähnten Beispiel müsste sich der Beschäftigte also bemühen, den Arzt vor Arbeitsbeginn oder nach Ende der Arbeitszeit aufzusuchen.

Wird allerdings während der Arbeitszeit ein Arztbesuch durch eine Verletzung oder eine akute Erkrankung unaufschiebbar, so muss die Firma den Arbeitnehmer "im notwendigen Umfang" von der Arbeit freistellen. Das ist zwar nicht im Detail im Gesetz geregelt, dafür aber in den meisten Tarifverträgen - je nach Industriezweig oder Gewerbe.

Diese Verträge bestimmen meist, dass der Arbeitnehmer dann Anspruch auf Vergütung der für einen Arztbesuch benötigten Zeit hat, wenn er den Arzt aufsuchen muss, der Besuch nachweislich während der Arbeitszeit erforderlich ist (zum Beispiel bei starken Zahnschmerzen oder weil der Arzt bestimmte Untersuchungen nur zu bestimmten Zeiten vornimmt) und keine Dauerbehandlung vorliegt.

In Betrieben mit gleitender Arbeitszeit ist die Bezahlung von Arztbesuchen deshalb problematisch, weil die Arbeitnehmer im Rahmen bestimmter Zeitspannen morgens und abends den Beginn und das Ende ihrer Arbeitszeit frei bestimmen können und sie folglich überwiegend Gelegenheit haben, außerhalb der Kernzeiten zum Arzt zu gehen und die dafür aufgewandte Zeit vor- beziehungsweise nachzuarbeiten.

Zwar hat mancher Personalchef, der früher in solchen Fällen mit einer Arbeitsbefreiung einverstanden war, nach Einführung der Gleitzeit eine erhebliche Verminderung derartiger bezahlter Fehlzeiten festgestellt. Rechtlich gilt nach wie vor, dass berechtigte Arbeitsverhinderungen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder der Tarifvorschrift zu Lasten des Arbeitgebers gehen, das heißt, als Arbeitszeit zu behandeln und zu vergüten sind.

Es kommt also auch bei gleitender Arbeitszeit darauf an, ob der Arztbesuch während der Arbeitszeit notwendig war oder ebenso gut zu anderer Zeit hätte gemacht werden können. Da der Arbeit-nehmer bei gleitender Arbeitszeit einen größeren Spielraum in der Gestaltung seiner Arbeitszeit hat, ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob er - wenn er während der "Kernzeit" zum Arzt geht - wirklich "unverschuldet" verhindert war.

Zur Verhinderung von Streitigkeiten haben etliche Firmen durch eine Betriebsvereinbarung geklärt, in welchen Fällen Arztbesuche als bezahlte Fehlzeit gelten oder/ob die Abwesenheit auf das "Gleitzeitkonto" angerechnet wird. Letztlich kommt es auf das Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeiter an.

Daran aber bestehen keine Zweifel: Ist ein Arbeitnehmer wegen Krankheit arbeitsunfähig, so braucht er nicht zu arbeiten. Gleichwohl hat er hinsichtlich seines Arbeitsverhältnisses etliche Pflichten. Verstößt er schuldhaft gegen diese Regeln, dann kann das - je nach den Umständen des Falles - eine Kündigung zur Folge haben.

So ist ein Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit "unverzüglich" anzuzeigen. Das kann auch telefonisch geschehen. Vor Ablauf von drei Kalendertagen nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit muss ferner eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer nachgereicht werden; je nach Arbeits- oder Tarifvertrag auch früher.

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, so ist der Beschäftigte dazu verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen, und zwar spätestens innerhalb von wiederum drei Tagen seit dem Ende der zunächst bescheinigten Arbeitsunfähigkeitsdauer.

Zwar rechtfertigt ein einmaliger Verstoß gegen diese Pflichten grundsätzlich noch keine Entlassung, doch kann im Wiederholungsfall durchaus eine ordentliche Kündigung die Folge der Vergessenheit sein. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur ausnahmsweise infrage, etwa wenn dem Arbeitgeber infolge der Pflichtverletzung ein großer Schaden oder ein sonstiger schwerwie-gender Nachteil entstanden ist oder wenn sich der Arbeitnehmer grundsätz-lich weigert, seiner Anzeige- und Nachweispflicht nachzukommen.

Lieber im Bett bleiben

Der arbeitsunfähig kranke Arbeiter oder Angestellte hat im Übrigen alles zu unterlassen, was dazu führen könnte, seine Krankheit zu verlängern oder den Heilungsprozess zu verzögern.

Verhält er sich gesundheits- beziehungsweise "heilungswidrig", indem er beispielsweise trotz ärztlich angeordneter Bettruhe das Haus verlässt oder die verordneten Medikamente nicht einnimmt, so kann dies eine Kündigung rechtfertigen, wenn das Fehlverhalten nachteilige Folgen für den Arbeitgeber gehabt hat. Bei einer groben Pflichtverletzung (zum Beispiel einer Erwerbstätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit) kann der Arbeitgeber sogar eine fristlose Kündigung aussprechen.

Ansonsten gilt aber für fast alle Fälle, in denen ein Arbeitgeber sich aus verhaltensbedingten Gründen von einem Mitarbeiter trennen will: Vor einer Kündigung ist eine Abmahnung auszusprechen.

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