Arbeitsplatz:Erlaubnis auf Abruf

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Privat surfen, kopieren, telefonieren: Der Chef darf ungeschriebene Gesetze im Betrieb verändern.

Von Rolf Winkel

"Wer bei uns später zur Arbeit kommt, bleibt abends eben länger", sagt Erika Noll, Sekretärin in einem kleinen rheinischen Forschungsinstitut. "Hauptsache, das Pensum wird erledigt." Jetzt sollen sich die Spielregeln ändern: Gerade hat Noll von ihrem Chef eine Auflistung bekommen, wann sie im vergangenen Monat zu spät kam. Er erwarte künftig mehr Pünktlichkeit, teilte der Chef mit.

Privat oder dienstlich? Was erlaubt ist, entscheidet der Chef. (Foto: Foto: photodisc)

"In vielen Betrieben werden derzeit die Schrauben angezogen", sagt Christian von Hopffgarten, Spezialist für Arbeitsrecht aus Brühl. Das bedeute auch: Ungeschriebene Spielregeln, die es in fast jedem Betrieb gibt, stehen auf dem Prüfstand. Das kann den bislang selbstverständlichen Arztbesuch während der Arbeitszeit, das private Telefonieren, Kopieren oder Internet-Surfen genauso betreffen wie die großzügige Auslegung der Arbeitszeit. Oft haben sich - unabhängig von der Rechtslage - eigene betriebliche Gepflogenheiten herausgebildet. So ist es etwa in vielen Firmen üblich, dass in Maßen privat telefoniert werden darf.

Doch solche ungeschriebenen Gesetze kann der Arbeitgeber einseitig aufkündigen, stellt Hopffgarten klar. Private Telefonate oder Radiogedudel im Büro können verboten, der Arztbesuch während der Arbeitszeit auf genehmigte Ausnahmefälle begrenzt und die genaue Einhaltung der Arbeitszeiten vorgeschrieben werden. "Wenn der Arbeitgeber allerdings bestimmte Gepflogenheiten bisher toleriert hat, kann er jetzt nicht überfallartig einfach eine andere Praxis einführen", sagt Hopffgarten. Erst recht dürfe er nicht plötzlich eine Abmahnung beispielsweise bei Privat-Telefonaten aussprechen, wenn diese bisher stets hingenommen wurden.

Die Mitarbeiter müssen deutlich auf die geänderten Regelungen hingewiesen werden - und zwar so, dass jeder davon erfahren kann, etwa durch einen Aushang oder ein Rundschreiben. Erst wenn dies geschehen ist, kann der Chef künftig bei Verstößen abmahnen und im Wiederholungsfall sogar eine Kündigung aussprechen. In Firmen ohne Betriebsrat können die internen Gebräuche ohne Mitsprache der Beschäftigten geändert werden. Doch auch hier gibt es Ausnahmen, wenn etwa bestimmte Rechte vertraglich zugesichert wurden. In diesem Fall kann es sein, dass der Chef eine Änderungskündigung aussprechen muss, wenn künftig andere Spielregeln gelten sollen.

Grenzen für den Chef

Ganz anders sieht es aus, wenn es in der Firma einen Betriebsrat gibt. Der muss nämlich zustimmen, wenn der Vorgesetzte neue Sitten einführen möchte. Wenn er sie strikt ablehnt, entscheidet eine Einigungsstelle unter Vorsitz eines Arbeitsrichters. Dabei geht es allerdings oft nicht um ein grundlegendes "Ja" oder "Nein" zu neuen betrieblichen Umgangsformen, sondern lediglich um deren Umsetzung: Wie wird die Einhaltung von neuen Regeln durchgesetzt? Welche Kontrollmöglichkeiten darf der Arbeitgeber benutzen? Welche Rechte hat der Arbeitnehmer und vor welchen Überwachungsmethoden wird er geschützt?

Lässt ein Chef beispielsweise die Einhaltung neuer Spielregeln per Video heimlich überwachen, so geht das zu weit. Denn nach einem Urteil des Landesarbeitsgericht Hamm verletzt das die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter.

© SZ vom 19.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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