Arbeitsmarkt:Weiterbildungswirtschaftskrise

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Die Bundesanstalt für Arbeit muss auf fast sechs Milliarden Euro Bundeszuschüsse verzichten und streicht bei den ABM-Stellen.

Jonas Viering

(SZ vom 12.3.2003) Flexibel, flink, fit - das alles ist Claudia nicht. Sie entspricht so gar nicht dem auf dem Arbeitsmarkt gefragten Typ. Hauptschule gerade so geschafft, dann arbeitslos. Vermittelt über ein Training der In Via Mädchensozialarbeit in Paderborn, einer Einrichtung der katholischen Caritas, fand sie eine Lehrstelle als Tierpflegerin - und brach die Ausbildung bald ab. Es war zu viel für ihren Kopf und für ihre Psyche. Zuhause musste sie sich außerdem um ihre kleinen Geschwister kümmern, und um ihren arbeitslosen Vater. Und doch ist Claudia, die in Wirklichkeit anders heißt, für In Via ein Positiv-Beispiel. Über das Programm "Arbeiten und Lernen" für Frauen bis 25 Jahre hat sie es bis zu einem festen Job als angelernte Helferin im Tierheim geschafft.

Genau dieses Programm will das Arbeitsamt in Paderborn nun heftig kürzen. Die Caritas schlägt Alarm - bundesweit, heißt es, drohten "weit über tausend Streichungen" von Maßnahmen.

Auch die Gewerkschaft Verdi hat am Dienstag protestiert: Einen "dramatischen Einbruch" gebe es in der Weiterbildungsbranche, erklärte Gewerkschafts-Chef Frank Bsirske. Im Februar sei die Zahl der Arbeitslosen, die eine vom Arbeitsamt finanzierte Weiterbildungsmaßnahme begonnen haben, im Vergleich zum Vorjahresmonat im Westen um 46, im Osten um 52 Prozent zurückgegangen. Nebenbei verteidigen Verdi wie Caritas hier natürlich auch im eigenen Interesse die Pfründe der Weiterbildungswirtschaft.

"Das ist doch viel"

Hintergrund ist der Sparkurs der Bundesanstalt für Arbeit. Diese muss 2003 ohne den noch im vergangenen Jahr gezahlten Bundeszuschuss von 5,6 Milliarden Euro auskommen. Die wenig effektiven Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) sollen um 24 Prozent verringert werden, im Eingliederungshaushalt von 21,5 Milliarden Euro 600 Millionen gestrichen, zugleich hieraus aber neue Maßnahmen wie die Zeitarbeits-Agenturen bezuschusst werden.

Bei In Via Paderborn befürchtet Marianne Bohlen, dass bis zu 400 Förderplätze wegfallen. Ein Drittel ihrer Schützlinge - Sozialfälle, Lernschwache, Einwanderer - schaffe es letztlich bis in den normalen Arbeitsmarkt, sagt sie: "Das ist doch viel". Der Wirtschaftsminister sage schließlich immer, dass jeder unter 25 arbeite solle.

Es gehe nicht um weniger, sondern um andere, effektivere Förderung als bisher, hält dem Rüdiger Matisz entgegen, Vize-Chef des Arbeitsamtes Paderborn. Stärker gefördert werden sollen Menschen, die näher am Arbeitsmarkt sind, wo Förderung also raschen Erfolg verspricht. Und gestrichen werde bei 85 Plätzen von "Arbeiten und Lernen" nur der teure ABM-Teil. "Es geht nicht um Kürzungen, sondern um kostengünstigere Maßnahmen", sagt er. Und das seien die berufsvorbereitenden Trainings, auch die bei In Via, die sogar aufgestockt werden sollen - nur dass die Ausschreibung vorerst gestoppt ist. Matisz: "Da wird gerade die Kassenlage überprüft."

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