Arbeitsmarkt:Hartz, aber herzlich

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Job-Center, Ich-AG, Job-Floater - Sprachforscher durchschauen die Wörter der Hartz-Reform: Mit Anglizismen sollen die Unterschiede zwischen der Welt der Arbeitslosen und der Welt der Arbeit verwischt werden.

Für Arbeitslose in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr viel verändert. Doch Sprachforscher bezweifeln, ob die meisten Betroffenen bei den Reformen der Hartz-Kommission wirklich noch durchblicken. Denn die Reformer um den VW-Manager Peter Hartz haben die Republik nicht nur mit unzähligen Vorschlägen zur Verbesserung des Arbeitsmarkts beglückt, sondern für die meisten Ideen auch gleich neue Vokabeln mit vielen englischen Versatzstücken ersonnen - Job-Center, Job-Floater, Personalservice-Agentur, Mini-Job, Ich-AG.

Die Ich-AG war "Unwort des Jahres 2002" (Foto: Foto: dpa)

Suche nach dem Sinn

Selbst Sprachforscher tun sich schwer, den Sinn kreativer Wortschöpfungen wie Job-Floater zu entschlüsseln. "Man könnte zuerst denken, das sei eine Berufsbezeichnung", sagt Sabine Frilling von der Sprachberatung der Wiesbadener Gesellschaft für Deutsche Sprache. Auch an ein technisches Gerät fühlt sich die Wissenschaftlerin erinnert: "Man könnte meinen, Jobs würden irgendwie auf technische Weise herbeigefloatet."

Sprachforscher sind von der Vokabel wenig begeistert. Denn hinter dem Job-Floater der Hartz-Kommission verbirgt sich weder Mensch noch Maschine, sondern eine Art Darlehen für Unternehmen, die Arbeitslose einstellen. "Gerade für den Kundenkreis, an den sich das Wort richtet, ist es viel zu unverständlich", urteilt Doris Steffens vom Mannheimer Institut für Deutsche Sprache.

Ein Unwort macht Karriere

Doch nicht nur mit Anglizismen wie Job-Floater weckt die Hartz-Kommission bei Fachleuten Skepsis. Die Ich-AG ging bereits als "Unwort des Jahres 2002" in die Geschichte der Germanistik ein.

Die Jury bescheinigte der Vokabel, sie leide "sachlich unter lächerlicher Unlogik, da ein Individuum keine Aktiengesellschaft sein kann". Außerdem vertrage sich die hohe Arbeitslosigkeit nicht mit einer solchen ironischen Bezeichnung für Kleinstunternehmen.

Dass die Reformer um Volkswagen-Manager Peter Hartz immer wieder zu gewagten sprachlichen Neuschöpfungen greifen, erstaunt die Sprachwissenschaftler allerdings nicht. "Die Wortwahl gleicht sich deutlich der Fachsprache der modernen Finanz- und Geschäftswelt an", erläutert Frilling. Das sei gewiss kein Zufall. "So wird versucht, an der sprachlichen Oberfläche die Unterschiede zwischen der Welt der Arbeitslosen und der Welt der Arbeit zu verwischen", erklärt die Sprachforscherin. "Modernität und Weltläufigkeit" sollten die Wortschöpfungen beweisen, urteilt auch die Mannheimer Germanistin Steffens.

Kurz ist gut

Ob dies wirklich gelingt, ist eine andere Frage. Zwar klinge das Wort Job-Center "zehnmal leistungsfähiger als Arbeitsamt", bestätigt Frilling. Doch werde eine neue Vokabel nur akzeptiert, wenn sie die Realität treffend beschreibe. Die meisten Betroffenen dürften aber im Alltag weiterhin mit der "deprimierenden, klassischen Arbeitsamts-Wirklichkeit" zu tun haben: "Deshalb dürfte das Wort schnell als unangemessen, schönfärberisch oder sogar als zynisch empfunden werden."

Für vergleichsweise gelungen hält Frilling hingegen die Wortschöpfung Mini-Jobs, weil die Vokabel den geringen Stellenwert dieser Niedriglohn-Beschäftigungen tatsächlich erkennen lasse. Die Hartz-Erfindung der Mini-Jobs hat nach Ansicht der Germanistin Steffens auch aus einem anderen sprachlichen Grund einen Startvorteil vor Erfindungen wie dem "Ausbildungszeit-Wertpapier", das die Schaffung von Ausbildungsplätzen mitfinanzieren sollte. Das Wort Mini-Job ist kurz. "Lange Wörter", meint Steffens, "setzen sich aber grundsätzlich schwerer durch."

Der Verein Deutsche Sprache (VDS) würde es nicht bedauern, wenn einige Hartz-Vokabeln rasch in Vergessenheit gerieten. Die Sprachwächter haben Hartz kürzlich als Kandidaten für den "Sprachpanscher des Jahres 2003" nominiert.

Große Chancen habe der VW-Manager allerdings nicht, räumte VDS-Vorstand Gerd Schrammen ein. Schließlich muss Hartz mit Kandidaten wie der Berliner Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen konkurrieren. Sie beeindruckte den Sprachverein unter anderem mit einer "Inhouse-Schulung für feasibility studies und gender-budgeting".

(sueddeutsche.de/AFP, von Astrid Geisler)

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