Arbeitsmarkt:Der Jugendkult hat ausgedient

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Erfahrungen einer Headhunterin.

Dagmar Deckstein

(SZ vom 22.4.2003) An Christine Stimpels Schreibtisch hat sich die Zukunft schon so manchen Unternehmens entschieden. Die 41-Jährige ist Deutschland-Chefin der weltweit tätigen Personalberatung Spencer Stuart. Als "Headhunter", wie Christine Stimpels Profession neudeutsch gerne genannt wird, suchen sie und ihre Kollegen geeignete Kandidaten für Vorstands- oder Geschäftsführerposten, aber auch für andere obere und mittlere Management-Ebenen.

Personalberater besitzen also mit den besten, branchenübergreifenden Überblick, wo sich Personalkarussells wie schnell und in welche Richtung drehen.

Den "Retro-Trend" - die Rückkehr älterer, erfahrener Manager an die Spitze von Unternehmen - hat auch die Spencer-Stuart-Beraterin schon ausgemacht: "Das Thema Jugendkult hat sich dort mit dem schnellen Niedergang der New Economy erledigt." Die Betonung liegt dabei freilich auf "Unternehmensspitze". Für die Besetzung von Top-Positionen, wie etwa dem Vorsitz eines Vorstandes, sei das fortgeschrittene Alter eines Kandidaten tatsächlich nicht mehr in dem Maße hinderlich wie noch vor wenigen Jahren, sagt Stimpel.

Neubesetzungen wie die bei der Lufthansa, wo demnächst Wolfgang Mayrhuber, 56, an die Konzernspitze wechseln soll, bei RWE, wo kürzlich Harry Roels, 56, auf dem Chefsessel Platz nahm, oder bei Eon, wo von Mai an Wulf Bernotat, 55, die Untenehmensgeschicke leiten wird, wären noch vor zwei Jahren wohl kaum in Frage gekommen.

Vorurteile weiter virulent

Anders hingegen sieht es auf den darunter angesiedelten Management-Ebenen aus - bei Marketing- und Vertriebschefs etwa oder bei Personal- und Produktionsleitern. Da, so Christine Stimpel, halte der Jugendlichkeitstrend noch hartnäckig an.

Wenn die Headhunterin für solche Positionen Bewerber aussortiert, sind die Vorurteile gegen Ältere nach wie vor virulent. "Die Idealkandidaten für die überwiegende Mehrzahl der Auftraggeber befinden sich da im Alter zwischen Anfang und höchstens Ende 40", resümiert Stimpel. Nicht selten habe sie größte Mühe, einen ausgezeichneten Kandidaten, der schon 54 Jahre alt sei, aber ihrer Ansicht nach gut zum suchenden Unternehmen passe, dem Auftraggeber überhaupt vorstellen zu dürfen. Der Haupteinwand gegen Manager der Generation "50 plus" bestehe im Vorurteil, sie seien nicht mehr dynamisch genug.

Sehr lange werden sich Unternehmen eine solche Haltung freilich nicht mehr leisten können. Spätestens dann nicht mehr, wenn der Markt der dynamischen Jungmanager leergefegt ist - einfach deswegen, weil es viel zu wenig Vertreter dieser jungen Generation gibt.

Auch bei internen Umstrukturierungen haben häufig nach wie vor vor allem Ältere schlechte Karten. "Gefährdet sind vor allem solche Führungskräfte jenseits der 50, deren Funktion nicht notwendig ist für den Unternehmenserfolg." Das heißt, wenn Firmen sich restrukturieren, ihre Hierarchien verschlanken oder mit anderen Unternehmen fusionieren, geraten in den Blick der Top-Etagen vor allem jene administrativen Stabsfunktionen, die nicht entscheidend sind für den Unternehmenserfolg. Wer als Personal-, Produktions- oder Marketingchef die 50 überschritten hat, der fällt den Sparkommissaren im eigenen Hause schneller zum Opfer als ein hochspezialisierter Finanzchef oder der Forschungsleiter. Auch von älteren Vertriebsleitern, die aber in direktem Kundenkontakt stehen, trennt sich ein Unternehmen nicht leichten Herzens, so Stimpel.

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