Arbeitslosenversicherungen:Überflüssige Policen mit gigantischer Zinslast

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Massenarbeitslosigkeit ist nicht versicherbar. Warum Verbraucherschützer vor entsprechenden Angeboten warnen.

Von Elke Dolle-Helms

"Brennende Häuser lassen sich nicht versichern" - so lautet ein eherner Grundsatz der Versicherungsbranche. Anders ausgedrückt: Versicherer übernehmen kein Risiko, an dem sie nichts verdienen können.

Verbraucherschützer raten von Arbeitslosen-versicherungen ab (Foto: Foto: AP)

Diese Regel sollte umgekehrt auch für die Kunden gelten. Ein Versicherungsvertrag lohnt sich nur dann, wenn er im Ernstfall wirklich vor einem finanziellen Ruin bewahrt. Um die Beiträge für eine solche Katastrophe in Grenzen zu halten, muss ihr Eintritt eher unwahrscheinlich sein.

Dies gilt für die Arbeitslosigkeit nicht. Diese persönliche und meist auch finanzielle Katastrophe ist hierzulande alles andere als ein unvorhersehbares Ereignis und damit im Prinzip unversicherbar. Das zeigt schon die Arbeitslosenquote von mehr als 20 Prozent in vielen ostdeutschen Gemeinden.

Wenn private Versicherungsunternehmen dennoch Schutz für den Fall der Arbeitslosigkeit anbieten, kann dies nur bedeuten: Das Preis-Leistungsverhältnis solcher Policen ist denkbar schlecht. Wolfgang Scholl, Referent für Versicherungen beim Verbraucherzentrale Bundesverband rät daher dringend davon ab, in finanziell schwierigen Zeiten auch noch Geld für sinnlose Versicherungsverträge auszugeben: "Diese Angebote rechnen sich einfach nicht."

Aufschlag im Versandhandel

Der Bedarf, sich gegen Arbeitslosigkeit und sinkende Haushaltseinkommen zu versichern, geht dabei bezeichnenderweise nicht vom Verbraucher, sondern von Handel, Banken und Versicherungen aus. Die Konzerne fürchten sich offenbar vor einem wachsenden Heer von abgebrannten Kunden, die ihre Ratenkredite, ihre Hypotheken oder ihre Versicherungsverträge nicht mehr bedienen können.

In vielen Bereichen des Lebens werden daher inzwischen Versicherungen angeboten, die bei Zahlungsunfähigkeit infolge eines Jobverlustes eintreten. Wer beispielsweise bei Quelle oder Neckermann und im Rahmen des "Sorglos" oder des "Sicher und Sorgenfrei Kontos" einkauft, kann sich gleichzeitig für den Fall versichern, dass er arbeitslos wird. Dies kostet einen knapp achtprozentigen Aufschlag auf den Warenpreis.

Wird der Kunde später tatsächlich arbeitslos, zahlt die Versicherung unter verschiedenen Voraussetzungen ein Jahr lang festgelegte Monatsraten auf das Kundenkonto. Das Geld wird allerdings ausschließlich auf dem Kundenkonto für weitere Einkäufe geparkt oder für ausstehende Kreditraten verwendet. Als Spritze zur Linderung persönlicher Not sind diese Offerten also nicht gedacht.

Ebenso wenig die Arbeitslosenversicherungen, die die Banken großer Autohersteller für Kredit- und Leasingverträge anbieten. Die Opel-Bank etwa schlägt für die Versicherungsprämie auf ihren effektiven Jahreszins 2,4 Prozentpunkte auf, bei der Volkswagenbank ist der Versicherungsschutz immerhin kostenlos.

In beiden Fällen zahlt die Versicherung höchstens zwölf Monatsraten. Wer danach immer noch arbeitslos ist, muss den Rest wieder selbst zahlen - also ausgerechnet dann, wenn die finanzielle Lage erst richtig prekär werden kann.

25 Prozent und mehr

Richtig teuer sind Arbeitslosenversicherungen, die zusammen mit Kreditkarten angeboten werden. Der effektive Jahreszins für über die Plastikkarte aufgehäufte Schulden kann dann schnell auf 25 Prozent oder noch höher klettern. Und nahezu absurd sind Versicherungspolicen, die im Fall von Arbeitslosigkeit die weitere Zahlung anderer Versicherungen übernehmen.

Je nach Anbieter kosten diese Verträge fünf bis fünfzehn Prozent Aufschlag auf die Jahresprämie etwa einer Unfallversicherung oder einer Rechtsschutzversicherung. Bei diesen Angeboten, mit denen die Versicherer versuchen, ihr eigenes Geschäft abzusichern, gilt: Gezahlt wird maximal zwei Jahre lang. Gerade Langzeitarbeitslose, die ihre Verträge anschließend aus Geldmangel ohnehin kündigen müssen, haben davon gar nichts.

Wirkliche Hilfe im Fall des Jobverlustes könnte nur eine private Versicherung bieten, die etwa die Arbeitslosenhilfe oder das künftige Arbeitslosengeld II aufstockt. Doch dies funktioniert nicht. Seit Mitte der 90er Jahre bietet die Volksfürsorge eine solche Police an. Wer aus dieser Versicherung 800 Euro Zuschlag zum Arbeitslosengeld bekommen will, muss allerdings jeden Monat 96 Euro Beitrag zahlen, auch dann wenn er seinen Job verliert.

Bei solch unattraktiven Bedingungen und Preisen findet sich kaum ein Kunde - obwohl die Deutschen so viele unnütze Versicherungen haben wie kein anderes Volk der Erde. Die Volksfürsorge hat bislang gerade einmal 3000 dieser Verträge verkauft.

© Süddeutsche Zeitung vom 02.09.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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