Arbeitsamt-Affäre:Armutszeugnis für die Vermittler

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Die geschönten Statistiken sind nicht das einzige Problem bei der Nürnberger Behörde.

Jonas Viering

(SZ vom 9.2.2002) Die Nummer, die die Wartenden sich ziehen müssen - sie ist zu einem Symbol für die Mängel der Arbeitsämter geworden. Arbeitslose würden dort als bloße Nummern nur verwaltet, so heißt es in diesen Tagen nicht zum ersten Mal. Nur macht sich gegenwärtig die Kritik daran fest, dass nicht einmal die Nummern stimmen: Der Bundesrechnungshof kritisierte, dass die Vermittlungsstatistiken der Ämter, die der Bundesanstalt für Arbeit (BA) in Nürnberg unterstehen, geschönt sind. Dahinter steht die Frage, was die tatsächlichen Vermittlungsmängel sind.

Wartemarke (Foto: N/A)

Nur etwa zehn Prozent der 90.000 Beschäftigten der Arbeitsämter sind unmittelbar in der Vermittlung tätig. Doch die übrigen 80.000 seien nicht alle überflüssig, so verteidigen Fachleute die Ämter gegen die Kritik. Die Leistungsverwaltung des Arbeitslosengeldes muss organisiert werden, die Bekämpfung illegaler Beschäftigung kann nicht einfach eingestellt werden. Berufsberatung und die Vermittlung von Fortbildungskursen sollen Arbeitslose überhaupt erst fit für den Markt machen. Dennoch: Den 4,3 Millionen Arbeitslosen stehen geschätzte 1,5Millionen offene Stellen gegenüber. Es gibt also ein Problem.

Telefonisch nicht erreichbar

"Die Vermittlung muss Priorität Nummer eins werden", fordert Ilka Houben, Arbeitsmarktexpertin der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. Heute sehe das auch die Mehrzahl der Arbeitsämter so - aber das sei nicht immer so gewesen. Wie viele der Mitarbeiter raus aus der Verwaltung und rein in die Vermittlung sollten, weiß jedoch auch Houben nicht zu sagen. So hätten die Arbeitgeber das Amt bislang oft "telefonisch ganz schwer erreicht", sagt Houben.

Das sei einer der Gründe, weshalb nur rund 400.000 der unbesetzten Arbeitsplätze gemeldet sind. "Die Arbeitsvermittler müssen vor Ort den Kontakt zu den Unternehmen suchen, nur so gelingt dann die Vermittlung auch", so Houben. Oft würden den Firmen blind Bewerber geschickt, von denen dann viele unbrauchbar seien. "Da verzichten viele Unternehmer lieber aufs Amt", sagt Houben. Die Behörde soll ihrer Ansicht nach besser prüfen, wer qualifiziert ist - und arbeitswillig.

Armutszeugnis

Arbeitslose machten die Erfahrung, "dass sie ein Jahr nix von ihrem Vermittler hören", berichtet Hubert Thole von der Arbeitslosen-Selbsthilfe Osnabrück, einer von vielen Dutzend solcher Initiativen. Die Beamten böten oft Stellen an, die mit der Qualifizierung des Suchenden nichts zu tun hätten. Damit würdensich manche aus der Verantwortung stehlen, meint Thole. "Es gibt gute und schlechte Vermittler", sagt er. "Aber mehr schlechte."

Arbeitgeber, Gewerkschaften und Regierung rühmen sich, schon vor Bekanntwerden der geschönten Statistiken die Reform der Arbeitsverwaltung angepackt zu haben. Sie meinen das Job-Aqtiv-Gesetz, eines der raren Ergebnisse des Bündnisses für Arbeit. Doch noch greift das erst Anfang des Jahres in Kraft getretene Gesetz nicht - der bisherigen Arbeitsamts-Praxis aber stellt es ein Armutszeugnis aus.

Genaue Profile der Arbeitslosen sollen künftig erstellt werden, man will den Arbeitssuchenden bei der Bewerbung helfen, und bei Nicht-Einstellung wird die Ursache geprüft. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, dafür brauchte es eigens ein neues Gesetz. Und Geld: für 2000 zusätzliche Vermittler.

Zu wenige Kräfte seien das, meint Wilhelm Adamy, Arbeitsmarktexperte beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Im vergangenen Jahrzehnt seien bei den Ämtern 7500 Stellen abgebaut worden. Das Hauptproblem sieht er also nicht in der mangelhaften Vermittlung von Stellen, sondern im Stellenmangel.

Zu viel Geld, rund drei Milliarden Euro im Jahr, werde für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) statt für die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt ausgegeben, meinen die Arbeitgeber. Die Arbeitsämter verteidigen sich, sogar in Bezirken mit ungünstiger Arbeitsmarktlage fände ein Viertel der ABM-Teilnehmer später einen richtigen Job. In den Vorständen der Ämter sitzen Arbeitgeber gemeinsam mit Gewerkschaften und Vertretern der öffentlichen Hand. Die Verantwortung für Vermittlungsprobleme tragen sie also alle gemeinsam.

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