Arbeiten in China:Ich essen heute, ich essen morgen

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Im Land des Lächelns werden Sprachprobleme freundlich überspielt.

Von Christine Demmer

(SZ vom 23.8.2003) Viele Eltern, die es sich leisten können, schicken ihren Sohn oder ihre Tochter für ein Schuljahr in die USA. Oder nach England, oder nach Frankreich. Manchmal wollen die Kinder anfangs nicht so recht, aber wenn sie nach elf Monaten mit tausend neuen Eindrücken heimkehren, steht für viele fest: Irgendwann, irgendwie will ich da wieder hin.

Kerstin Höppner lernt seit ihrem zehnten Schuljahr Putonghua. (Foto: Foto: SZ)

Genau das nahm sich Kerstin Höppner auch vor, als sie 1990 von einem dreiwöchigen Schüleraustausch aus Shanghai zurückkehrte. "Ich war gerade 17, aber ich wusste, dass ich später in dieser Stadt mit ihrer unglaublichen Dynamik und Andersartigkeit leben wollte." Der Wunsch muss schon früher entstanden sein, denn als sie das erste Mal in die Volksrepublik fuhr, hatte sie schon zwei Jahre Chinesisch-Unterricht in der Schule hinter sich. Das genügte, um aus einem Traum ein strategisches Ziel zu machen, und weil sie lernen wollte, wie man Strategien in Erfolge ummünzt, studierte Höppner Betriebswirtschaft. Zuerst am Ostasien-Institut der Fachhochschule Ludwigshafen, dann zwei Semester in der chinesischen Provinz Jiangxi.

"Der Kulturschock kam aber erst, als ich an die Nanchang University ging", sagt Kerstin Höppner. Die Ankunft war furchtbar: Sie war zwei Wochen zu früh eingetroffen, niemand erwartete sie, man hatte ihr falsche Telefonnummern gegeben, und überdies waren die Zimmer im Ausländerhaus auf dem Campus noch nicht fertig. "Ich war so enttäuscht. Ich hatte das Gefühl, deutlich unwillkommen zu sein." Also Augen zu und durch, und den Wert einer Strategie bei unvorhergesehenen Hindernissen erproben. Höppner ertrug den "extremen Frontalunterricht" chinesischer Professoren, steigerte ihre Kenntnisse in Putonghua - Hochchinesisch - von "mittelmäßig" auf "gut" und sattelte am Ende noch ein sechsmonatiges Praktikum bei einer deutschen Beratung in Shanghai drauf. "Da bekam ich schließlich eine Idee davon, wie es sein würde, mit chinesischen Kollegen zusammenzuarbeiten, und es stand für mich fest, dass ich wieder nach China zurückkommen würde."

Anderen helfen

Wenn die Qualifikation eines Ausländers ausdrücklich nachgefragt wird, sind Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis kein Problem. Seit dem Sommer 2000 unterstützt Kerstin Höppner als Mitarbeiterin des German Centre for Industry and Trade in Shanghai deutsche Firmen bei ihrer Ansiedlung und Geschäftstätigkeit in China. Das German Centre, eine Tochtergesellschaft der Bayerischen Landesbank, vermietet Büroräume, hilft deutschen Mitarbeitern mit Rat und Tat und offeriert alle möglichen Dienstleistungen eines modernen Business Centers.

"Wir haben seit der Gründung 1994 mehr als 130 deutsche Firmen auf ihrem Weg in den chinesischen Markt begleitet", sagt die Betriebswirtin. "Meine Arbeit ist ungemein interessant. Wir sind Ansprechpartner für alle erdenklichen Fragen unserer Mieter, angefangen mit der Frage nach einem guten Steuerberater bis zur Vermittlung eines Kindergartens." Weil das German Centre aus allen Nähten platzt und die Nachfrage nach Büroräumen noch immer steigt, wird momentan ein größeres und modernes Gebäude gebaut. 2004 soll es fertig werden - pünktlich zu Beginn von Höppners viertem Chinajahr in Folge. Alles in allem hat sie schon fast ein Fünftel ihres Lebens in der Volksrepublik verbracht.

Shanghai ist für Firmen ein ausgezeichneter strategischer Standort. Jahr für Jahr sprengt die Mega-Stadt ihre Grenzen, an allen Ecken und Enden wird gebaut, deshalb ist das Wohnungsangebot groß. "Für 80 Quadratmeter kann man 500, aber auch 3000 US-Dollar zahlen. Es kommt auf die Gegend, die Ausstattung und ein wenig auf das Verhandlungsgeschick an. Es gibt deutsche Kindergärten und Schulen, deren Kosten - wie die Wohnungsmiete - oft der Arbeitgeber übernimmt. Dafür sind die Steuern etwas höher. Fast jeder kann sich hier ein Kindermädchen leisten, es kostet etwa 270 Euro im Monat."

Eine Silbe, vier Tonlagen

Aber die Sprache! Die Tonlagen! Die Schriftzeichen! Chinesisch sei ganz einfach, versichert Höppner, geradezu der Traum jedes Sprachlernenden. Kunststück, die Hamburgerin hat Putonghua seit dem zehnten Schuljahr gelernt. "Man konjugiert nicht, man dekliniert nicht, es gibt keine Zeiten. Wenn man das Grundwort kennt, kann man die Sprache sofort benutzen." Und wie, bitte? "Ich essen, du essen, er/sie/es essen, wir essen, ihr essen, sie essen." Vergangenheit? "Ich gestern/vorgestern/letztes Jahr essen." Zukunft? "Ich nachher/morgen/nächste Woche essen."

Schwierig seien allenfalls die (in Putonghua vier!) unterschiedlichen Tonlagen, mit denen man jede Silbe aussprechen kann. "Ma" heißt in der ersten Tonlage "Mutter", in der vierten Tonlage ist es ein Schimpfwort. Wie reagieren Chinesen, wenn ein Ausländer das verwechselt? Höppner: "Sie lächeln. Aber das ist kein Auslachen, sondern nur der Versuch, einer peinlichen Situation die Spitze zu nehmen."

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