Animateure:Erfolgserlebnisse bei 35 Grad im Schatten

Lesezeit: 4 min

Knochenjob für einen Sommer oder Sprungbrett ins Showgeschäft? Wer in Ferienclubs anheuert, muss Gute-Laune-Profi sein.

Christine Wollowski

(SZ vom 19.11.2002) Claudia hat es vier Wochen probiert und macht es nie wieder. Sabrina ist erst 17, will aber unbedingt sofort einsteigen. Lothar war zehn Jahre dabei und hat nur aufgehört, weil er inzwischen eine Familie hat. Eva hat es geliebt und ist jetzt Fernsehmoderatorin, Eric hat es bis zum Deutschland-Direktor des Club Med geschafft. Manche sind untergegangen, aber deren Namen hat sich keiner gemerkt. Ist es ein Beruf? Ein Karriere-Sprungbrett? Ein Knochenjob für einen Sommer? Oder nur eine Illusion?

Gute Laune ist für Animateure Pflicht. (Foto: N/A)

Animateure gibt es, seit Reiseveranstalter gemerkt haben, dass sich Urlauber zum Ferienspaß gerne anleiten lassen. Das ursprüngliche Konzept der fast aggressiven Animation ist längst durch sanfte Mitmach-Angebote ersetzt worden, der Beruf ist nach wie vor erfolgreich. Und beliebt. Jährlich stellen deutsche Reiseveranstalter rund 2000 Animateure ein. Seit dem 11. September wollen noch mehr Gäste in den Ferien ständig verfügbare Ansprechpartner vorfinden. Und die Veranstalter wollen bei rückläufigen Buchungszahlen aus den weniger gewordenen Kunden Stammgäste machen.

Fünf Bewerber auf eine Stelle

Dafür sind diejenigen zuständig, die am meisten mit den Gästen zu tun haben, die Animateure. Sie müssen immer besser auf ihre Tätigkeit als Clown und Psychotherapeut, als Sportlehrer und Identifikationsfigur, als Showstar und Barplauderer vorbereitet werden. Doch eine gesetzlich geregelte einheitliche Ausbildung zum Animateur gibt es nicht.

Jedes Jahr bewerben sich auf eine offene Stelle mehr als fünf begeisterte junge Leute. Die Veranstalter stellen fast ein Drittel weniger Spaßmacher ein, als sie eigentlich bräuchten, weil sie mit der Basisqualifikation der Bewerber unzufrieden sind. Obwohl sie die frisch Eingestellten in fast allen Fällen selber schulen, egal, ob sie bereits andere Kurse absolviert haben.

"Es gibt da windige Ausbilder", sagt Marlene Weber, Personalleiterin bei RUF-Jugendreisen. "Bei uns werden alle Neulinge intern geschult." Solche internen Schulungen dauern in der Regel fünf Tage. Dabei lernen die angehenden Gute-Laune-Profis vor allem, das Produkt und die Philosophie ihres Veranstalters zu verkaufen. Außerdem sollen sie nach dem Crash-Kurs über pädagogisches Fachwissen im Bereich der Gruppendynamik, über ein hohes Verantwortungsbewusstsein und kommunikative Fähigkeiten verfügen. Wer die fünf Tage erfolgreich absolviert, ist fit für den Job. Findet Marlene Weber.

Der Feierabend fällt aus

Erdmute Prokosch-Sander sieht einen immer schärferen Qualifikationszwang, vor allem nach den Terroranschlägen in den USA, auf Djerba und Bali. Sie steht der EPS GmbH vor, die seit zwölf Jahren Schulungen in Animation anbietet und von 1995 bis 2000 das Berufsbild komplett erneuert hat.

In einem einjährigen Ausbildungsmodul bereitet die EPS Animateure auf ihren Job vor. Deren Qualifikation wird von der Industrie- und Handelskammer im Bereich Gästebetreuung, Animation und Reiseleitung beurkundet. Veranstalter beteiligen sich an EPS-Schulungen, um sicher zu gehen, dass die Absolventen wirklich können, was sie vor Ort brauchen. Drei Monate Schule sind sechs Monate Praxis an den Urlaubszielen vorgeschaltet und werden anschließend durch drei weitere Monate Theorie ergänzt.

Spätestens beim Praxis-Einsatz merken die Schüler, ob sie sich ein realistisches Bild von ihrem Berufsziel gemacht haben. Wer wie Belinda, "dringend Urlaub braucht, aber kein Geld" hat, wird voraussichtlich zu den 30 bis 40 Prozent jedes Jahrgangs gehören, die die Ausbildung abbrechen. Falls sie sich überhaupt auf die langwierige Prozedur einlässt.

"Bei uns lernen die Leute, die langfristig im Tourismus etwas werden wollen", sagt Prokosch-Sander. Wer den Animateurs-Beruf als Sprungbrett betrachtet, kann dabei wertvolle Erfahrungen im Umgang mit Menschen und im Ausland sammeln, zeigt sich künftigen Arbeitgebern als belastbar und flexibel, ausgeglichen und kreativ. Häufig führen die Karriereschritte in die Zentrale des Veranstalters, noch häufiger in andere Firmen oder Branchen.

Lothar Böken, Ex-Animateur und heute Geschäftsführer der BSA-Akademie, die Animateure in einem Fernlehr-Jahreskurs mit Präsenzphasen ausbildet, erzählt: "Es kommen durchaus Headhunter in den Clubs vorbei, um gute Animateure abzuwerben. Ein Kollege wurde von Endemol abgeworben." Statistiken darüber, wie viele Animateure aufgrund ihrer Erfahrungen anderswo Karriere machen, gibt es nicht. Ausbildungsinhalte wie Didaktik, Tontechnik, Motivationstechniken oder Freizeitlehre sind Grundlagen, auf denen Weiterbildungsangebote etwa im Sportbereich oder in Gruppendynamik aufbauen.

Das Arbeitsamt nennt unter anderem Tourismusmanagement, Sportjournalismus und Fremdenverkehrsgeographie als zur Weiterbildung geeignete Studiengänge. Internet-Chats von angehenden Urlauber-Motivateuren zeigen: Die wenigsten denken so weit in die Zukunft, wenn sie sich als Animateure bewerben. Sie suchen immer noch nach dem Klischee von Sport und Spaß bei 35 Grad im Schatten.

Oft mit Erfolg: "Wenn man gut ist, klopft einem jeden Tag zehnmal wer auf die Schulter und lobt einen - das hat man in keinem anderen Job. Außerdem arbeitet man in einer positiven Umgebung mit Leuten in Urlaubsstimmung", erinnert sich Lothar Böken an seine Jahre als Animateur. Dafür war er gerne bereit, seine täglichen Arbeitsstunden nicht zu zählen.

Applaus macht süchtig

Denn der professionelle Gästebetreuer in einem Club ist im Dienst, sobald er sein Zimmer verlässt - schließlich ist er das Aushängeschild seines Arbeitgebers. Unermüdlich schüttelt er Hände, lächelt, beantwortet die immer gleichen Fragen. In der eigentlichen Arbeitszeit gibt er Surf- oder Tennisunterricht, betreut Kinder oder hilft am Mittagsbuffet. Das freundliche Plaudern mit den Gästen in der Bar und in der Disko sowie die Proben für die abendlichen Shows werden nicht als Arbeitszeit gewertet.

Üblich ist ein freier Tag pro Woche. Dafür gibt es etwa 700 Euro im Monat, plus freie Unterkunft, freies Essen und Getränke-Gutscheine, Anreise und Sozialversicherung. Zu wenig? "Wichtig ist doch, was vom Gehalt übrig bleibt - man kann immerhin bis zu 80 Prozent sparen", sagt Lothar Böken. "Aber man muss sich auf die Show schon freuen, sonst ist man in dem Job falsch."

Der Applaus macht viele süchtig - auch wenn bei den meisten Veranstaltern weder Flirts mit Gästen noch Alkohol erlaubt sind. Bei RUF-Jugendreisen sind ein Drittel aller Animateure mindestens in der zweiten Saison dabei.

Die Auslese ist hart, dafür steigen auch nur wenige wieder aus: "Illusionäre Vorstellungen sind bei unseren Schulungsteilnehmern selten, weil wir vorher gut informieren", sagt Marlene Weber. "Wer das schnelle Abenteuer sucht, muss sich woanders bewerben." Der Reiseveranstalter arbeitet, im Gegensatz zu anderen Anbietern, fast ausschließlich mit Studenten, hauptsächlich aus dem Sportbereich.

Alltours richtet seine Internet-Stellenausschreibung eher auf die Abenteuerlustigen aus: "Wo das Leben tobt, sind Sie mittendrin", versprechen die Club-Veranstalter. Trotzdem ist auch hier neben "Organisationstalent und guter Laune" eine "hohe fachliche Qualifikation" gefragt. Ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Verantwortungsbewusstsein und hervorragende Kenntnisse in mehr als einer Sportart geht gar nichts. Ein Beruf? Ein Karrieresprungbrett? Ein Knochenjob für einen Sommer? Eine Illusion? Animation kann all das sein. Je nachdem, was der Animateur daraus macht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: