Alltag an Bord:"Zu alt, zu dick, zu hässlich"

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Vor zwanzig Jahren hat Cora Haarmeyer als Stewardess bei Pan Am begonnen. Seitdem hat sich das Fliegen grundlegend geändert.­ Gleich geblieben sind nur die blöden Sprüche.

Kerstin Greiner

SZ-Magazin: Frau Haarmeyer, sind Sie froh, dass die Sommerferien vorbei sind?

Cora Haarmeyer, 37, vor ihrem Arbeitsplatz - einem Airbus von Easyjet. (Foto: Foto: NOSHE)

Cora Haarmeyer: Ja. Billigflieger wie die unseren sind zwar immer knallvoll, aber nach den Sommerferien fliegen weniger Kinder mit, die uns das halbe Flugzeug zerlegen und mit Essen herumwerfen.

SZ-Magazin: Wie lange arbeiten Sie schon als Stewardess?

Haarmeyer: Wir sagen heute Flugbegleiterin, Stewardess ist eine etwas altertümliche Bezeichnung. Ich fing 1987 bei der Pan Am an. Danach bin ich zur Deutschen BA, zu Air Berlin und schließlich zu Easyjet.

SZ-Magazin: War früher alles besser, auch beim Fliegen?

Haarmeyer: Im Gegenteil. Die Zeiten von Pan Am werden inzwischen verklärt. Die Pan-Am-Flugzeuge waren oft verspätet, das Personal schlecht gelaunt. Es gab Flugbegleiterinnen, die mit sechzig Jahren in der First Class zitternd mit ihrem Tablett herumgelaufen sind: pampige alte Tanten mit Perlohrringen. Und denken Sie an die Entführungen, Abstürze, Anschläge wie den von Lockerbie.

SZ-Magazin: Haben Sie selbst auch kritische Situationen erlebt?

Haarmeyer: Bei meinem ersten Flug gab es einen Triebwerksbrand. Da hörte ich den "Threedouble Chime": das dreimalige Klingeln, das nichts Gutes bedeutet.

SZ-Magazin: Sondern was?

Haarmeyer: Dass die Piloten dringend mit dir sprechen müssen. Zum Glück waren wir gerade in Frankfurt gelandet und die Feuerwehr stand in zehn Sekunden bereit. Die Piloten sollten durch die Fenster rausklettern, waren aber zu dick -­ nahezu unvorstellbar heute! Und ich erinnere mich an eine Kollegin bei Pan Am, die gleich zweimal entführt worden ist.

SZ-Magazin: Wie sehr hat sich Ihr Job seit dem 11. September geändert?

Haarmeyer: Von diesem Tag an mussten wir unseren Beruf neu lernen.

SZ-Magazin: Haben Sie manchmal Angst vorm Fliegen?

Haarmeyer: Wir sind froh, dass es so extreme Sicherheitsvorkehrungen gibt: Wenn man sich vorstellt, mit welchem Waffenarsenal die Entführer 1977 in die Landshut reinmarschiert sind,­ das wäre heute unmöglich.

SZ-Magazin: Was hat sich neben den Sicherheitsvorkehrungen noch verändert?

Haarmeyer: Das Gemütliche ist weg: Als ich anfing, haben sich auf den Flughäfen alle gegrüßt, die eine Uniform trugen. Und in den neunziger Jahren sind wir bei der DBA manchmal mit nur drei Passagieren geflogen. Das gibt es heute fast nicht mehr. Heute gilt ein Flug mit 120 Personen als leer. Für uns Flugbegleiter sind außerdem noch sehr viele zusätzliche Arbeiten wie der Bordverkauf dazugekommen. Oder das Aufräumen des Flugzeugs , dafür haben wir nur zwanzig Minuten Zeit.

SZ-Magazin: Sie müssen bei Easyjet das Flugzeug selbst aufräumen?

Haarmeyer: Ja. Und wir wären glücklich, wenn man uns weniger Rotzfahnen in den Sitztaschen hinterlassen würde.

SZ-Magazin: Welche Passagiere sind Ihnen die Liebsten?

Haarmeyer: Engländer, Skandinavier, Holländer sind nett. Für Verspätungen bringen die Deutschen am wenigsten Verständnis auf: Sie ziehen uns persönlich zur Rechenschaft, schreien uns an: "Was ist hier los?!" Nur Russen sind noch schlimmer. Einmal habe ich einer Russin angeblich einen bösen Blick zugeworfen. Sie hat mich angeschrien: "Sie sind zu alt, zu hässlich und zu dick für diesen Job."

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© SZ-Magazin vom 28.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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