Ärzte:Nur weg vom OP-Tisch

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Mediziner suchen sich andere Berufe oder einen Job im Ausland.

Tanjev Schultz

Deutschlands Krankenhäusern bricht der Nachwuchs weg. Laut Bundesärztekammer schlagen mittlerweile ein Viertel aller Medizinstudenten nach ihrem Abschluss einen anderen Berufsweg ein. Abgeschreckt von Überstunden, langen Dienstzeiten und straffen Hierarchien suchen sie ihr Glück bei den Krankenkassen, in der Pharmaindustrie, im Management privater Gesundheitsfirmen oder in den Medien. Andere bleiben ihrem ursprünglichen Berufsziel treu, wandern jedoch ins Ausland ab. Besonders beliebt sind Großbritannien, Norwegen und die Schweiz - in Großbritannien zum Beispiel arbeiten 2600 Deutsche. Neuerdings umwerben auch die arabischen Staaten verstärkt deutsche Ärzte.

Harte Ausbildung, harte Arbeitszeiten: Ärzte im Streik (Foto: Foto: dpa)

Unterwegs verloren gegangen

Zwar ist Medizin in Deutschland nach wie vor ein begehrtes Fach. Auf bundesweit 8400 Studienplätze bewarben sich im vergangenen Wintersemester 34.000 Abiturienten. Doch immer weniger erreichen einen Abschluss. Die Zahl der Absolventen lag Mitte der neunziger Jahre noch bei 11.500, zehn Jahre später sind es nicht mal 9000 - zu viele brechen ihre Ausbildung ab. In einer Befragung durch die hessische Landesärztekammer geben nur 41 Prozent der jungen Ärzte an, sie würden sich heute "ganz sicher" wieder für die Medizin entscheiden. Etwa ein Drittel hat mindestens einmal ernsthaft darüber nachgedacht, das Studium abzubrechen. Ein Grund dafür seien Zweifel an der Vereinbarkeit des Berufs mit dem Privatleben, heißt es in der Studie.

Bereits die auf sechs Jahre angelegte Ausbildung ist hart. Nach vier Semestern müssen sich die Studenten einer umfangreichen theoretischen Prüfung stellen, früher unter dem Namen "Physikum" bekannt. Die Prüfung ist gefürchtet - etwa jeder Fünfte fällt durch.

Nach der neuen Approbationsordnung, die vor zwei Jahren in Kraft getreten ist, sollen die Nachwuchsmediziner aber nicht nur theoretisches Wissen pauken, sondern möglichst früh Erfahrungen mit Patienten sammeln. Im Grundsatz ist diese Reform von Studenten und Ärzten begrüßt worden, die Umsetzung ist jedoch schwierig. Denn um Schlagworten wie "Praxisorientierung" oder "problemorientiertes Lernen" gerecht zu werden, müssten sich Dozenten und Professoren intensiver um ihre Studenten kümmern. Wegen der Arbeitsbelastung in den Kliniken bleibt für die Lehre jedoch wenig Zeit.

"Häufig kommen die Dozenten verspätet in die Lehrveranstaltungen, weil sie in der Klinik so stark beansprucht werden", berichtet Patrick Weinmann, Studentensprecher in der Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Die Arbeitsbelastung und der im internationalen Vergleich geringe Lohn seien unzumutbar. "Wir sind nicht bereit, unter diesen Bedingungen ins Berufsleben zu starten", sagt der 26 Jahre alte Hamburger, in dessen Organisation 15.000 der 80.000 deutschen Medizinstudenten organisiert sind. Weinmann hat seine Kommilitonen aufgerufen, sich an den Protesten der Ärzte zu beteiligen und an diesem Freitag in Berlin auf die Straße zu gehen.

© SZ vom 5.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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