Ältere Arbeitnehmer:Mit 45 zu alt - mit 55 überflüssig?

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Als zahlfreudige Konsumenten werden Menschen ab 50 heiß umworben - als Arbeitskräfte sind die "Best Ager" dagegen selten gefragt. Das könnte sich bald ändern, denn Fachkräfte werden durch den demographischen Wandel knapp.

Hannah Meinzer

In der Werbung heißen sie "Best Ager", als Internetnutzer werden sie "Silver Surfer" genannt: Menschen ab 50. Blumige Bezeichnungen für eine Altersgruppe, die aufgrund der sinkenden Einwohnerzahlen und des steigenden Altersdurchschnitts immer wichtiger wird.

Älterer Mitarbeiter: Im Jahr 2020 wird jeder dritte Erwerbstätige älter als 50 Jahre sein, heute ist es jeder vierte. (Foto: Foto: ddp)

In der Industrie jedoch sind die Mitarbeiter dieses Alters nicht immer gerne gesehen, bis vor kurzem herrschte in zahlreichen Unternehmen ein regelrechter Jugendwahn. Viele Firmen nahmen die von der Agentur für Arbeit geförderte Altersteilzeit zum Anlass, ältere Mitarbeiter durch junge zu ersetzen, vor allem, um Personalkosten zu sparen. Im Jahr 1997 waren es nur 3286 Menschen, die die Möglichkeit zur Frühverrentung genutzt haben, bis zum Jahr 2007 ist die Zahl auf 104 350 gestiegen. Doch so wird es nicht weitergehen. Das Altersteilzeit-Modell läuft Ende 2009 aus.

Seit Wochen führen daher die baden-württembergische IG Metall und der Arbeitgeberverband Südwestmetall Tarifverhandlungen darüber, wer künftig zu welchen Bedingungen früher in den Ruhestand gehen darf.

Bisher verliefen die Gespräche, die stellvertretend für alle Tarifgebiete geführt werden, ergebnislos. Ginge es nach den Arbeitgebervertretern, sollen die Betriebsparteien bis Ende 2009 die Möglichkeit haben, eigene Nachfolgeregelungen für einen flexiblen Übergang in die Rente zu finden. Die Arbeitnehmervertreter bestehen auf einer Fortsetzung des bestehenden Modells.

Die Arbeitgeber und Gewerkschaftler der Chemie-Industrie hatten sich im April dagegen sehr schnell geeinigt - in nur zwei Verhandlungsrunden. "Tarifvertrag Lebensarbeitszeit und Demografie" heißt das Ergebnis der Einigung. Schon der Titel macht deutlich, worum es im Kern geht: nämlich Anreize für eine längere Beschäftigung zu schaffen.

Einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey zufolge müssen bis 2020 mehr als sechs Millionen zusätzliche Beschäftigte mobilisiert werden, soll sich das Wirtschaftswachstum nicht weiter abschwächen. Das sei nur zu schaffen, wenn auch ältere Arbeitnehmer länger arbeiten.

2020 wird jeder dritte Arbeiter älter als 50 sein

Darüber hinaus werde aufgrund des demographischen Wandels im Jahr 2020 jeder dritte Erwerbstätige älter als 50 Jahre sein, heute ist es jeder vierte. Nur langsam beginnen Unternehmen, sich diesem Wandel zu stellen. Nur wenige bemühen sich darum, Beschäftigte so lange wie möglich in ihrem Beruf zu halten oder sogar gezielt ältere Mitarbeiter wieder einzustellen. Damit ältere Mitarbeiter auch lange leistungsfähig und gesund bleiben, muss das Unternehmen etwas tun.

Gesundheitsmanagement heißt das Zauberwort. "Um entsprechend auf die grundlegenden Veränderungen der Arbeitswelt reagieren zu können, müssen Unternehmen ein angemessenes Gesundheitsmanagement etablieren", sagt Anette Wahl-Wachendorf, Präsidiumsmitglied des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte.

Grundlage dafür sei zunächst eine Analyse der Altersstruktur, um frühzeitig Personalrisiken erkennen zu können. Bevor solche Maßnahmen in einem Unternehmen ergriffen werden, muss allerdings erst das Bewusstsein dafür geschaffen werden - und zwar in der Chefetage. In einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahr 2003 gaben zwar rund 56 Prozent der Unternehmen an, ältere Menschen bedingungslos einzustellen, 15 Prozent gestanden allerdings ein, grundsätzlich keine älteren Menschen zu beschäftigen.

"Stoppt den Jugendwahn"

"Wir brauchen eine neue Philosophie der Chefs. Der Jugendwahn in den Betrieben muss gestoppt, die Erfahrung und das Wissen der Älteren müssen wieder mehr gewürdigt werden", forderte auch Michael Sommer, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, im Rahmen der Initiative "Erfahrung ist Zukunft". Das Projekt ist von der Bundesregierung ins Leben gerufen worden. Es soll für ein neues Bild des Alters und des Alterns werben. Dieses Bild ist in Deutschland nach Angaben des Betriebsärzte-Präsidiumsmitglieds Wahl-Wachendorff ein großes Problem: "Der Begriff des Alters ist in Deutschland sehr negativ besetzt. Die skandinavischen Länder sind uns in dieser Hinsicht weit voraus."

Alter birgt Kompetenz und Erfahrung

Die negative Einstellung der Deutschen zum Thema Alter hat weitreichende Folgen: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Selbstwahrnehmung von über 50-Jährigen deutlich schlechter ist als die jüngerer Menschen. Und das wiederum hat wirkt sich negativ auf die Motivation in der Arbeit aus. Wahl-Wachendorf will diesen Teufelskreis durchbrechen. Dafür sei es wichtig, dass der Begriff des Alters zukünftig nicht mehr mit verminderter Leistungsfähigkeit in Zusammenhang gebracht werde, sondern mit Kompetenz und Erfahrung - so wie beim Autobauer Audi.

© SZ vom 17.6.2008/mei - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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