Zwangsversteigerungen:Kein gesteigerter Zwang in München

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2001 sind fünf Prozent mehr Münchner Immobilien zwangsversteigert worden - zu Höchstpreisen.

Steffen Habit

Dreimal ruft Dieter Baran das letzte Gebot aus: "Bietet jemand mehr?" Ein Blick in die Runde, und wenn sich dann keiner mehr meldet, ist die Versteigerung beendet. Seit 20 Jahren ist der Rechtspfleger am Amtsgericht München zuständig für Zwangsversteigerungen. Weit über tausend Immobilien - vom Acker bis zum Luxus-Apartment - haben unter seiner Hand den Eigentümer gewechselt. Baran ist mit dem erzielten Verkaufspreis zufrieden. Mit 450.000 Euro liegt er deutlich über dem geschätzten Verkehrswert. Nichts Ungewöhnliches für München. In der Landeshauptstadt werden immer noch Spitzenpreise für Immobilien bezahlt. Und auch die Zahl der Zwangsversteigerungen ist - trotz Wirtschaftskrise - relativ gering gestiegen.

Statistik ohne Bewegung

Insgesamt 857 Verfahren wickelte das Amtsgericht München, das auch für die Bezirke Dachau, Ebersberg und Fürstenfeldbruck zuständig ist, 2001 ab. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies eine Steigerung um etwa fünf Prozent. Für 2002 rechnet Baran dagegen wieder mit einem leichten Rückgang. Von einer Hochkonjunktur der Zwangsversteigerungen möchte der Rechtspfleger daher nicht sprechen.

In Bayern gelten andere Zahlen

Ganz anders die Situation im restlichen Bayern. Hier stieg die Zahl der Verfahren von 7171 im Jahr 2000 auf 7343 im vergangenen Jahr. Zudem fielen in den ländlichen Gebieten die Verkaufspreise. "Wenn sie dort 70 Prozent des Verkehrswertes erzielen, können sie als Auktionator bereits zufrieden sein", erklärt Baran. Ein Paradies also für Schnäppchenjäger.

Terminplan der Versteigerungen

Das Verfahren für Zwangsversteigerungen von Immobilien ist gesetzlich geregelt. Etwa acht Wochen vor der Versteigerung wird der Termin in der Presse angekündigt.

Interessenten können dann das Gutachten über die Immobilie im Amtsgericht einsehen. Das Gutachten soll potenziellen Käufern als Orientierungshilfe dienen.

Gleichzeitig setzt es für das Gericht verbindliche Untergrenzen für die Gebote fest: Denn beim ersten Versteigerungstermin muss mindestens die Hälfte des Verkehrswertes erzielt werden, damit ein Zuschlag erfolgen darf. Liegt das höchste Gebot zwischen 50 und 70 Prozent, kann auf Antrag eines Gläubigers der Zuschlag ebenfalls versagt werden. Bei einem zweiten Termin müssen diese Grenzen allerdings nicht mehr eingehalten werden.

Liegengebliebene Flächen

"Die meisten Objekte in München finden schon beim ersten Termin einen neuen Eigentümer", sagt Baran. Natürlich gebe es auch ein paar Ladenhüter. "Doch mit denen ist kein Schnäppchen zu machen." Diese Grundstücke sind häufig mit Giftstoffen verseucht oder völlig überschuldet.

Vermietete Immobilien

Eine wichtige Rolle für den Ausgang einer Versteigerung spielen auch die Mietverhältnisse. Wohnt beispielsweise der bisherige Eigentümer im Haus, muss er seine Wohnung nach der Versteigerung räumen. Ist die Immobilie vermietet, kann der Ersteigerer das Mietverhältnis nur kündigen, wenn er Eigenbedarf anmeldet. Innerhalb von drei Monaten muss dann der Mieter ausziehen. Über die Mietverhältnisse informieren sowohl das Gutachten als auch vor Beginn der Versteigerung der Auktionator.

Keine schönen Geschichten

In seiner 20-jährigen Berufszeit hat Baran auch tragische Szenen erlebt: "Da müssen etwa Eigentümer, die Jahre lang für ihren Besitz geschuftet haben, ansehen, wie er versteigert wird." Manche Objekte hat Baran schon mehrmals auf dem Tisch gehabt. "Das passiert, wenn der neue Eigentümer ebenfalls den Kaufpreis nicht bezahlen kann."

Dauer der Veranstaltung

Das Interesse an den Versteigerungen ist unterschiedlich: "Manchmal sind 100 potenzielle Käufer im Saal, beim nächsten Termin sind vielleicht nur die Vertreter der Banken dabei." In der Regel ist die Versteigerung nach der gesetzlich vorgeschriebenen Bietzeit von 30 Minuten beendet. Doch Baran hat auch längere Versteigerungen geleitet: "Einmal dauerte es vier Stunden. Das war eine echte Qual."

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