Zinsen:EZB in der Zwickmühle

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Die Europäische Zentralbank wird wohl - anders als die US-Zentralbank - nicht an der Zinsschraube drehen. Beobachter erwarten, dass sie vielmehr die Inflationsgefahr in den Fokus stellen wird.

Wegen der Finanzmarktkrise und ihrer Bremswirkung für die Konjunktur wird der Leitzins im Euro-Raum nach Einschätzung von Volkswirten zunächst unverändert bleiben. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mehrfach betont, sie wolle neue Daten über die wirtschaftliche Entwicklung abwarten und erst dann über ihren künftigen Kurs entscheiden. Auf der Sitzung des EZB-Rates am Donnerstag in Frankfurt werden die obersten Währungshüter den Leitzins daher voraussichtlich unverändert bei 4,0 Prozent lassen.

Seit September hält die Notenbank still und beobachtet die Lage. Im September hatte die EZB wegen der Turbulenzen an den Finanzmärkten infolge der US-Immobilienkrise ihre ursprünglich angekündigte Zinserhöhung abgesagt. Zuvor hatte sie den Satz in eineinhalb Jahren von 2,0 auf 4,0 Prozent verdoppelt. Grund dafür waren der wirtschaftliche Aufschwung und die damit verbundenen Inflationsgefahren.

"In der derzeitigen Krise kann die EZB nicht weiter die Zinsen erhöhen und Öl ins Feuer gießen", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Die jüngst veröffentlichten Ergebnisse der Großbanken im dritten Quartal haben die Sorge vor einer Abkühlung der Konjunktur im Euro-Raum verstärkt. Mehrere europäische Großbanken hatten Milliardeneinbußen als Folge der US-Immobilienkrise verbucht.

Inflationserwartungen werden gedämpft

Am Geldmarkt - an dem die Geschäftsbanken sich gegenseitig Geld leihen - ist die Lage immer noch angespannt. Aus Sorge um eine mögliche Rezession in Folge der US-Hypothekenkrise hatte die US-Notenbank Fed kürzlich den Leitzins in den USA auf 4,5 Prozent gesenkt.

Die EZB wird nach Einschätzung der DekaBank auch keines der Schlüsselwörter verwenden, mit denen sie üblicherweise Zinsänderungen signalisiert. "Angesichts der zuletzt hohen Inflationszahlen der Eurozone wird Trichet aber umso stärker auf Inflationsgefahren hinweisen", sagte DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX. Durch ihre Kommunikation werde die EZB versuchen, die Inflationserwartungen zu dämpfen. Im Oktober waren die Verbraucherpreise in der Eurozone mit 2,6 Prozent im Jahresvergleich deutlich gestiegen. Nach der Definition der EZB ist Preisstabilität im Euroraum bei einer Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent gewährleistet.

"Die EZB dürfte jedoch auch bei ihrem Wachstumsausblick vorsichtiger und weniger optimistisch sein als zuletzt", sagte Kater. Die Auswirkungen der Turbulenzen an den Finanzmärkten auf die Realwirtschaft seien weiter unklar. "Daher wird sich die EZB nicht zu weit aus dem Fenster lehnen", sagte der Ökonom.

Alle 77 von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Ökonomen rechnen damit, dass die Währungshüter den Leitzins für die Euro-Zone bei vier Prozent lassen.

© dpa/dpa-AFX/Reuters/mah/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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