Wucher moderner Prägung:Wie Banken Kredite heimlich teurer machen

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Systematisch werden Kreditnehmer zum Abschluss von Zusatzversicherungen gedrängt. Diese treiben die Kosten gewaltig in die Höhe. Doch die Bankkunden wissen das nicht.

"Die Kopplung von Ratenkrediten und Restschuldversicherungen ist eine neue Form des Kreditwuchers", sagt die Chefin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Edda Müller. "Wir können jetzt belegen: Diese Praxis hat System." Vor allem die Citibank sei betroffen.

Citibank-Kunden werden besonders häufig zur Restschuldversicherung gedrängt. (Foto: Foto: ddp)

Die Verbraucherzentralen hatten in den vergangenen Monaten Bankkunden nach ihren Erfahrungen bei der Kreditvergabe befragt: Jetzt liegt eine Dokumentation mit rund 200 eidesstattlichen Versicherungen vor.

Diese zeigen, dass in mehr als der Hälfte der Fälle ein Kredit ausdrücklich vom gleichzeitigen Abschluss einer Restschuldversicherung abhängig gemacht wurde.

Von diesen Fällen wiederum betrafen 61 Prozent allein die Citibank. Daneben fielen insbesondere die HypoVereinsbank, die frühere Norisbank und die Santander Consumer Bank negativ auf.

Gekoppelt - oder nicht?

Kern der Auseinandersetzung zwischen Banken und Verbraucherzentralen ist die Frage, ob der Kreditvertrag an den Abschluss einer Restschuldversicherung gekoppelt ist.

Die Banken bestreiten dies - in diesem Fall wären sie nämlich verpflichtet, die Versicherungskosten, die oft mehrere Tausend Euro betragen, in den Effektivzins einzurechnen. Damit aber würde offensichtlich, dass die Kredite extrem teuer sind und ihre effektive Kostenbelastung pro Jahr bei mehr als 20, 30 oder mitunter sogar 40 Prozent liegt. Genau dies aber tun sie nicht und handeln damit rechtswidrig - sagt die Verbraucherzentrale.

Die jetzt vorgelegte Falldokumentation sei auch für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) heikel, denn sie müsse die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften bei den Banken überwachen.

Die BaFin habe den Banken bisher geglaubt - zu Unrecht, wie sich nun zeige: "Die Missstände sind insgesamt weitaus gravierender, als sie von Ihrem Hause bislang wahrgenommen werden", heißt es in einem Schreiben von vzbv-Vorstand Edda Müller an BaFin-Präsident Jochen Sanio.

Wie die Untersuchung der Verbraucherzentralen belegt, wurde fast allen Verbrauchern die Restschuldversicherung als quasi automatischer Teil des Kreditvertrags verkauft: 94 Prozent der Antwortenden gaben an, ihnen sei kein Kreditangebot ohne Restschuldversicherung unterbreitet worden.

Ohne jede Aufklärung

95 Prozent sagten aus, es sei ihnen nicht gesagt worden, dass der Abschluss der Restschuldversicherung keine Voraussetzung der Kreditvergabe sei. Auch in den Fällen, in denen es die Bank nicht ausdrücklich verlangte, glaubten daher die meisten Kreditnehmer, sie müssten die Versicherung abschließen.

Nicht ein einziger Kreditnehmer wurde von seiner Bank darüber aufgeklärt, dass der angegebene Effektivzins die Kosten der Restschuldversicherung nicht enthält.

In vielen Fällen verkauften die Banken die teuren Versicherungen auch dann, wenn es für die Kunden bessere Formen der Kreditabsicherung gegeben hätte: Obwohl 41 Prozent bereits eine Lebensversicherung besaßen, kam es dennoch zum Abschluss der Restschuldversicherung. Und die ist teuer: Schnell kann sie ein Drittel des gesamten Nettokredits ausmachen. Sie werden auf die Kreditsumme draufgeschlagen - und mitfinanziert.

Dies führt dazu, dass die tatsächlichen Kosten der Restschuldversicherungen oft annähernd doppelt so hoch liegen wie die Einmalbeträge selbst.

Vervielfachung der Kosten

Beispiel: Im Falle eines Kredites von netto 30.000 Euro, der um eine Restschuldversicherungsprämie von 17.315 Euro, aufgestockt wurde, beliefen sich die gesamten Kosten (Restschuldversicherung, Bearbeitungsgebühr und Zinsen) beispielsweise auf 39.642 Euro. Ohne die Restschuldversicherung wären bei gleicher Ratenhöhe demgegenüber nur 7.810 Euro an Kosten angefallen.

"Die BaFin muss dringend handeln", forderte vzbv-Chefin Edda Müller deshalb bei der Vorstellung der Ergebnisse. "Von einer verantwortlichen Kreditvergabe kann in vielen Fällen keine Rede sein: Überteuerte Restschuldversicherungen werden selbst dann verkauft, wenn sie nicht benötigt werden oder die Kosten in krassem Missverhältnis zu den Leistungen stehen und eine sittenwidrige Höhe erreichen."

vzbv-Chefin Edda Müller rief die BaFin außerdem auf, eine Entschädigung der geschädigten Verbraucher durchzusetzen. "In Zigtausenden Fällen wurden Bankkunden durch aufgezwängte überteuerte Restschuldversicherungen finanziell geschädigt - in den meisten Fällen tragen die Betroffenen noch heute an Belastungen, weil die Kredite noch laufen."

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