Wohnungssuche:Suche nach der Ursache

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Warum ist es so schwer, in München eine halbwegs akzeptable Wohnung zu finden?

Mieter-Seite

Thomas Lange ist Vorsitzender des Mietervereins. Er kennt den Markt. Im vergangenen Jahr wurden in der Stadt nur 3500 Wohnungen gebaut, sagt er, der niedrigste Stand seit Kriegsende. Sofort seien die Mieten gestiegen, zu Beginn des Jahres sogar jeden Monat um 50 Cent pro Quadratmeter.

"Was im Moment noch 10 Euro pro Quadratmeter kostet, geht bei Neuvermietung ohne weiteres für 14 Euro weg. Ich fürchte, was Sie da suchen, ist in München eine Schnäppchenwohnung." Jedenfalls unter den Angeboten, die in der Zeitung stehen. Das meiste geht sowieso unter der Hand weg. Am besten wäre es also, wenn wir zufällig jemand kennen, der zufällig gerade 3 Zimmer zu vergeben hat.

Toller Tipp. Ich kenne nur Menschen, die Wohnungen suchen und ebenfalls auf solche Zufälle hoffen.

Ins Umland auszuweichen bringt wenig, sagt Lange, das sei genauso teuer. "Besser, Sie ziehen gleich nach Augsburg." Das liegt 60 Kilometer westlich von München. So verzweifelt sind wir noch nicht.

Vermieter-Seite

Warum nur baut niemand Wohnungen? Bei den Mieten, die sich hier erwirtschaften lassen, müsste doch jeder, der rechnen kann und ein paar Euro übrig hat, so ein Geschäft machen wollen. Rudolf Stürzer, Vorsitzender des Münchner Haus- und Grundbesitzervereins, sagt: "Schön und gut, Sie kriegen hohe Mieten. Aber bedenken Sie die Investitionen."

Er rechnet vor: 1 Quadratmeter Neubau kann in München leicht 4000 Euro kosten. Leiht man sich diese 4000 Euro bei der Bank, fallen 6 Prozent Zinsen an; 240 Euro im Jahr oder 20 Euro im Monat. Das heißt: Wer den Neubau für 20 Euro pro Quadratmeter vermietet, macht noch "keinen Cent Gewinn, geschweige denn, dass die Kosten für Hausverwaltung und Instandhaltung gedeckt sind. anders gesagt: Die Mieten in München sind zu niedrig.

Bauträger

Natürlich kann man als Vermieter immer noch kräftig verdienen, gibt Helmut Fenk zu, Chef der Wohnbaugesellschaft GBWAG, die mehrere 1000 Wohnungen verwaltet. Wenn man keine Schulden hat, die Wohnung gut liegt und gut in Schuss ist. "Dann finden Sie auch gute Mieter, denn Geld ist ja da in der Stadt, Sie brauchen sich nur umschauen, wie viele neue 7er-BMWs hier herumfahren. Oder Sie haben eine billige Wohnung, lassen sie verlottern und machen fast 100 Prozent Rendite. Irgendwann reißen Sie das Haus einfach ab."

Aufregen können sich Stürzer vom Haus- und Grundbesitzerverein und Fenk von der GBWAG über die Rahmenbedingungen. Die seien einfach miserabel. Systematisch streicht der Staat alle Möglichkeiten zusammen, mit Immobilien Steuern zu sparen. Erhöht die Grunderwerbssteuer von 2 auf 3,5 Prozent. 3,5 Prozent!

Wer ein Haus für 300.000 Euro kauft und es vermieten will, ist gleich mal 10000 Euro Steuern los. Wer Aktien kauft, zahlt keinen Cent. "Braucht sich niemand zu wundern, wenn keiner mehr bauen will", sagt Stürzer. "Es müssen Anreize her."

Stadt-Seite

Christiane Thalgott ist Stadtbaurätin. Wenn sie mit Kollegen aus anderen Städten spricht, hört sie als Erstes: "Eure Probleme möchten wir haben." Außerhalb Münchens besteht die Not vor allem darin, dass zu viele Wohnungen leer stehen. Etwa 2 Millionen. Im Osten fördert der Bund den Abriss nicht vermietbarer Häuserblocks. "Unser Problem ist da wirklich sehr exotisch."

Es wird ja gebaut, beteuert die Stadtbaurätin. München hat heute 200.000 Wohnungen mehr als vor 20 Jahren ? aber genauso viele Einwohner. Die Ansprüche steigen, wer umzieht, will was Größeres. 1972 belegte ein Münchner im Schnitt 22 Quadratmeter. Heute sind es fast 40. Die Münchner Wohnungsnot ist ein Wohlstandsphänomen.

Sie hat auch was mit Bequemlichkeit zu tun, nach dem Motto: "Meine drei Kinder sind aus dem Haus, trotzdem ziehe ich nicht um." Immerhin hat Frau Thalgott Zimmer untervermietet, das macht heute auch fast niemand mehr.

Aber es stimmt schon, meint sie, in letzter Zeit wird wenig gebaut ? und das hat viele Ursachen: Die früheren Großinvestoren des Wohnungsbaus, die Versicherungen oder Konzerne wie Siemens, haben sich fast komplett verabschiedet. "Dort zählt nur noch der Profit." Was interessiert es den Aktionär in Tokio oder New York, ob wir in München eine Wohnung finden? Die wollen Rendite, 10 bis 15 Prozent. Im Immobiliengeschäft springt nicht mal die Hälfte raus.

Oder Basel II. Wegen dieses europäischen Abkommens bewerten Banken heute Risiken bei der Kreditvergabe strenger als früher. Bauen gilt jetzt als riskant, weil "immer was schief gehen kann und am Ende vielleicht sogar die Wohnung leer steht". Also verlangen die Banken höhere Zinsen. Das schreckt wiederum die kleinen Unternehmen vom Wohnungsbau ab. So kommt es zur unerhörten Situation, dass die Stadt großzügig Baurecht gewährt, aber kaum gebaut wird, obwohl Wohnungen gefragt wären. "Das zeigt", sagt Frau Thalgott, "dass der Markt nicht funktioniert."

Soziale Folgen der Wohnungssuche

Irgendwo habe ich gelesen, dass Wohnungssuche auch was Gutes habe ? man lerne neue Freunde kennen. Nur suche ich keine neuen Freunde. Ich sehe ja nicht mal meine alten. Bin auf Besichtigung, entschuldige ich mich seit Wochen. Selbst wenn ich Zeit hätte, ich hätte nichts zu erzählen. Wen interessiert schon, dass der Waschmaschinenanschluss in der Mettinghstraße in der Küche war, in der Falkenstraße dagegen im Bad. Wen, außer mich und meine Freundin? Entsprechend eintönig sind unsere Gespräche geworden.

Als wir die Traumwohnung im Westend absagen, bewegt uns tagelang nur noch ein Thema: ob wir nicht besser doch zugesagt hätten. Es ist diese Angst. War sie das, unsere Chance, unsere einzige, unsere letzte? Und wir haben sie nicht genutzt?

Die Quittung folgt: Es stehen kaum noch Wohnungen in der Zeitung, die wir nicht schon gesehen haben. Was neu auf den Markt kommt, ist noch teurer oder schäbig.

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