Wohnungsgröße:Pi mal Dachschräge

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Wie groß ist die Wohnung wirklich? Nachmessen führt oft zu Frust. Denn in Deutschland gibt es zwei Vermessungsmethoden.

Andreas Remien

Es waren die Schlagzeilen im vergangenen Herbst, die Cornelia Groß hellhörig machten. "Abzocke" und "Schummeleien" hieß es in den Überschriften der Boulevard-Blätter, die mit Empörung über falsch bemessene Wohnflächen berichteten. Kurzerhand besorgte sich die 29-Jährige Meterstab, Bleistift und Taschenrechner - und musste feststellen, dass auch ihre Dachwohnung kleiner ist als vom Hausverwalter angegeben.

Messen, aber wie? Es gibt zwei Methoden. (Foto: Foto: dpa)

Immer wieder gerät die Wohnungsgröße zu einem Zankapfel zwischen Mieter und Vermieter. "Der Gesetzgeber schreibt nicht vor, wie der Vermieter eine Wohnung zu vermessen hat", sagt Kai Warnecke, Rechtsexperte bei Haus & Grund Deutschland, "und das führt häufig zu Missverständnissen."

In Deutschland gibt es im Wesentlichen zwei Vermessungsmethoden: Die Berechnung nach der Norm DIN 277 führt zu vergleichsweise großen Wohnflächen und ist daher vor allem bei Architekten, Bauherren oder Maklern beliebt. Die gegenteilige Intention steckt hinter der Wohnflächenverordnung, die ursprünglich nur von den Behörden im öffentlich geförderten Wohnungsbau angewandt wurde. Weil die betroffenen Bundesministerien die Subventionen gering halten wollten, erließen sie ein Regelwerk, das relativ kleine Wohnflächen zur Folge hat.

Seit einigen Jahren wenden die Gerichte die Wohnflächenverordnung auch im frei finanzierten Wohnungsbau an. Der Mieter kann sich auf diese Verordnung berufen, wenn im Mietvertrag exakte Angaben zu der Berechnungsmethode fehlen. "Dies ist bei nahezu allen Mietverträgen der Fall", sagt Warnecke.

Viele Vermieter haben ihre Immobilien jedoch mit anderen Methoden wie etwa der DIN 277 vermessen. Bei einer üblichen Wohnung ohne Freiflächen fällt der Unterschied zwischen den verschiedenen Rechenarten nur marginal aus. "Ganz anders sieht das bei Wohnungen und Häusern mit Schrägen oder Terrassen aus", sagt Kai Warnecke. Während Balkonflächen nach der DIN 277 vollständig in die Fläche eingerechnet werden, gehen sie nach der Wohnflächenverordnung in der Regel nur zu einem Viertel in die Rechnung ein.

Die meisten Missverständnisse gibt es bei Dachgeschossen, so auch im Fall von Cornelia Groß. "Ich habe in fast jedem Zimmer Schrägen", sagt die Mieterin, "und die waren alle falsch berechnet." Nach der neuen Messung ist die Wohnung von Cornelia Groß nicht mehr 64, sondern nur noch knapp 56 Quadratmeter groß.

"Wenn die Wohnfläche stark von der vertraglich festgelegten Größe abweicht, stehen dem Mieter zahlreiche Rechte zu", sagt Sibylle Färber, Beraterin beim Mieterverein München. Mit mehreren Grundsatzentscheidungen hat der Bundesgerichtshof vor drei Jahren klare Richtlinien definiert. Ist die Wohnfläche um mehr als zehn Prozent kleiner als im Mietvertrag angegeben, stellt dies einen erheblichen Mangel dar. "Auch die Angabe einer Zirka-Größe ändert daran nichts", sagt Sibylle Färber.

Der Mieter darf in diesem Fall die Miete ohne Benennung von Gründen mindern. Die Höhe richtet sich nach der Abweichung: Ist die Fläche zwölf Prozent kleiner, schrumpft auch die Miete um zwölf Prozent. Den Anspruch auf geringere Zahlungen können Mieter rückwirkend geltend machen, es gilt allerdings eine dreijährige Verjährungsfrist. Der Vermieter ist verpflichtet, auch die Nebenkosten neu zu berechnen. An der zweiten Miete ändert sich jedoch meist nichts, weil die verbrauchsunabhängigen Kosten anteilig auf die Parteien umgelegt werden. Häufig liegt bei der Berechnung jedoch ein systematischer Fehler vor: Ist eine Wohnung falsch berechnet, sind es die anderen meist auch.

Hohe Abweichungen von der vertraglich festgesetzten Wohnfläche sind zwar keine Einzelfälle, aber auch kein Massenphänomen. Wer als Mieter auf eine geringere Miete hofft, wird meist enttäuscht. Häufig bewegt sich die Differenz weit unterhalb der 10-Prozent-Marke. In anderen Fällen ist die Wohnfläche sogar größer als im Vertrag angegeben. Dies berechtigt den Vermieter allerdings nicht, die Miete um den entsprechenden Prozentsatz zu erhöhen. Wer die Maße seiner Wohnung oder seines Hauses genau wissen will, kann von den Mietervereinen, von Haus & Grund oder von selbständigen Sachverständigen professionelle Messungen vornehmen lassen.

Weil die Urteile des BGH wenig Interpretationsspielraum lassen, landen Streitigkeiten nur noch selten vor Gericht. Unklar ist die Rechtslage nur dann, wenn im Mietvertrag missverständliche Formulierungen auftauchen. Der Mietvertrag von Cornelia Groß ist eindeutig, allerdings anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Auf dem Papier fand die Mieterin nämlich überhaupt keine Angabe zur Wohnungsgröße. "Ich habe auf die Aussagen des Hausverwalters und des Maklers vertraut", sagt die 29-Jährige, die im Nachhinein ihre Wohnung lieber nicht ausgemessen hätte. "Dass meine Wohnung kleiner ist als gedacht, stört mich eigentlich erst, seit ich es weiß."

So wird gemessen

Wenn im Mietvertrag keine Berechnungsmethode angegeben ist, kann sich der Mieter auf die Wohnflächenverordnung berufen. Balkone und Terrasse werden zu 25 Prozent angerechnet, bei besonders guter Lage oder Ausstattung bis zu 50 Prozent. Flächen mit einer Höhe von einem bis zwei Meter dürfen nur zur Hälfte angerechnet werden. Beträgt die Raumhöhe weniger als einen Meter, zählt die Fläche nicht. Auch Speicher, Keller- oder Abstellräume außerhalb der Wohnung zählen nicht zur Wohnfläche.

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