Wohnungsgesellschaften umwerben Mieter:Darf's ein Kraxelbonus sein?

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Bei Einzug gibt es einen 300-Euro-Gutschein für den Baumarkt, eine Jahresration Babywindeln oder das Straßenbahnticket inklusive: Auf der Suche nach einer neuen Wohnung stoßen Mieter in deutschen Städten inzwischen auch auf ungewohnte Ausstattungs-Extras.

Mit Sonderaktionen umwerben vor allem große Wohnungsgesellschaften Interessenten für Objekte abseits der ohnehin begehrten Viertel - das soll Leerstände senken und zum Beispiel junge Berufstätige oder Familien anlocken. Mieterschützer beobachten eine neue Orientierung an Kundenbedürfnissen.

Denn während es für manche Wohnungen Wartelisten gibt, vermieten sich andere längst nicht mehr von selbst.

Als Vorreiter für Marketingmaßnahmen mit dem gewissen Extra gelten Immobiliengesellschaften in Ostdeutschland, wo das Geschäft besonders schwierig ist. Wegen des starken Bevölkerungsschwunds nach der Wende standen zeitweilig mehr als eine Million Wohnungen leer. Plattenbauten wurden reihenweise abgerissen, komplette Quartiere aufwendig saniert.

Gratis-Parkplätze fürs Image

Doch auch dann gilt es erst einmal, Interessenten zu gewinnen. Und so trommeln Anbieter mit dem Motto "3-Raumwohnung mieten - 2-Raumwohnung bezahlen", Gratis-Parkplätzen oder einem 20-prozentigen "Kraxelbonus" auf die Kaltmiete für Wohnungen im fünften Stock ohne Fahrstuhl.

Dabei zielen Aktionen nicht nur auf den Abschluss möglichst vieler Mietverträge, sondern vor allem auf Imagewerbung, um Aufmerksamkeit auf die eigene Adresse zu lenken. "Interesse am Wohnen im Osten zu wecken", lautete die Überlegung der kommunalen Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft.

Es folgte eine Werbekampagne in Frankfurt/Main und Nordrhein-Westfalen, um westdeutschen Rentnern einen Umzug in die sächsische Metropole schmackhaft zu machen - dreitägige Bustouren inbegriffen. Aus den weit mehr als 500 Interessenten seien zunächst nur wenige neue Mieter gewonnen worden, sagt ein Sprecher. Aber die Botschaft, Leipzig als Wohnort positiv zu besetzen, habe gezündet.

Kleingarten und Mietzuschusss

Überhaupt gehe es bei der Kalkulation von Vermietungsaktionen um Investitionen in die Zukunft, heißt es bei der Berliner Gesellschaft "Stadt und Land", die rund 15.000 Mietpartien in einer Großsiedlung im östlichen Stadtteil Hellersdorf verwaltet. Um Vorzüge des Wohnens im Grünen zu bewerben, bekamen neue Mieter bei einer Aktion einen Kleingarten in der Nähe angeboten, die Pacht für die ersten zwei Jahre zum Nulltarif.

Lehrlinge anlocken soll eine "Hellersdorfer Ausbildungsfördergrundmiete" (Hafög) in Höhe von 50 Euro monatlich kalt pro Person. "Viele bleiben später zu normalen Konditionen oder ziehen in eine größere Wohnung um", sagt eine Sprecherin. Der Leerstand von einst zehn Prozent sank auf inzwischen sechs Prozent.

Aber auch im Westen werden Immobiliengesellschaften zusehends erfinderisch, etwa wenn sich Werkssiedlungen leeren, die für Zeiten mit mehr Industriearbeitern gebaut worden waren. "Wir haben von Anregungen aus den neuen Ländern lernen könne", sagt Ingo Wöste, Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft Werdohl am Rande des Ruhrgebiets.

Heraus kam eine ganze Palette an Zusatzverlockungen, um die Vermietungen anzukurbeln. Eine "Baby-Aktion" verspricht werdenden Eltern für ein Jahr monatlich zwei Pakete Windeln. Und falls sich ein Paar auseinander lebt, bekommt es als "Trennungs-Hilfe" Unterstützung bei der Suche nach zwei separaten Wohnungen. Neben Verkäufen sei es zur Hälfte solchen Aktionen zu danken, dass sich der Leerstand binnen eines Jahres auf 7,25 Prozent halbierte, heißt es.

Was letztlich wirklich zählt

Mietervertreter begrüßen die Bemühungen der Anbieter. "Es ist gut, wenn Vermieter und Wohnungsgesellschaften begreifen, dass sie sich auf einem Markt bewegen und sich um ihre Kunden kümmern müssen", sagt der Sprecher des Deutschen Mieterbunds, Ulrich Ropertz.

Dass pfiffige Werbung allein nicht reicht, wissen auch die Initiatoren. "Es geht um ein Gesamtkonzept der Kundenfreundlichkeit", sagt Geschäftsführer Wöste. Andere Anbieter verweisen ebenfalls auf Modernisierungen, längere Öffnungszeiten von Kundenzentren, Notdienste oder Grundriss-Skizzen im Internet.

Kritisch begutachten sollten Interessenten eine künftige Bleibe in jedem Fall, heißt es beim Mieterbund. Am Ende zählen nämlich doch eine praktische Einbauküche, gut geschnittene Zimmer oder ein Balkon mit Sonnenschein am Nachmittag.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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