Wohnprojekte für Senioren:Gemeinsam statt einsam

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Wer denkt schon mit Mitte Vierzig ans Altersheim? Die wenigsten. Wer aber doch an morgen denkt, der findet interessante Projekte. Ein Besuch in Köln.

"Bei uns gibt es mehr nachbarschaftliches Miteinander als im klassischen Wohnblock", sagt der heute 58-jährige.

Viele Senioren machen sich Gedanken über alternative Wohnformen. (Foto: Foto: dpa)

Er wohnt im Kölner Haus Mobile, einem Wohnprojekt für mehrere Generationen. Wie er denken immer mehr Senioren und solche, die es in einigen Jahrzehnten werden.

Das hat Sabine Matzke von der Wohnbundberatung NRW festgestellt. "Die Nachfragen zu Hausgemeinschaften haben sich verstärkt und es gibt einen Trend zum nachbarschaftlichen Wohnen".

Für Boden stand vor knapp zehn Jahren ohnehin ein Wohnortwechsel an. Er wollte vom Land in die Stadt ziehen. "Ich hatte schon vorher viel über alternative Wohnformen gelesen, aber der Gedanke war noch nicht soweit gereift."

Kein Vergleich zur Studentenbude

Das Beratungsbedürfnis in diesem Bereich nimmt zu. Untersuchungen des "Forum für Gemeinschaftliches Wohnen", einem Zusammenschluss von Vereinen und Gruppen, die sich mit gemeinschaftlichen und generationsübergreifenden Wohnen befassen, machen den Trend deutlich.

Während sich 1999 erst 2000 Menschen dort über neue Wohnformen im Alter beraten ließen, waren es 2005 bereits 10.200 Anfragen.

Mit einer Wohngemeinschaft aus Studentenzeiten haben die alternativen Wohnformen wenig gemein. Im etwas gesetzteren Alter wollen sich die meisten nicht über den Abwasch oder Bäder putzen streiten. Auch wenn viele Senioren nicht alleine leben möchten, verzichten sie doch ungern auf ihre eigenen vier Wände.

Großer Beliebtheit erfreue sich daher das so genannte "Wohnen im Quartier", berichtet Matzke. Die Senioren bleiben zumeist in ihrer eigenen Wohnung oder ziehen bei Pflegebedürftigkeit in ein Gemeinschaftshaus. So können sie ihre privaten Netzwerke ohne Weiteres aufrecht erhalten. Soziale Einrichtungen oder Vereine unterstützen die Senioren, fungieren vor allem als Ansprechpartner. Basis für diese Wohnform sollte eine barrierefrei umgebaute Wohnung, altengerechte Serviceleistungen in der Region und eine gute Nachbarschaft sein.

Im Haus Mobile in Köln wird Nachbarschaft ebenfalls groß geschrieben. Man hilft sich gegenseitig, eine dauerhafte Pflege durch die anderen Hausbewohnern ist aber nicht möglich. "Viele würden das sicher gut finden, aber das ist nicht umsetzbar. Es hoffen natürlich alle, dass sie nie so krank werden. Aber für solche Fälle gibt es hier eine ambulante Pflege", sagt Boden.

Bundesweit haben sich bereits Hunderte von Wohnprojekten unterschiedlicher Zusammensetzung gegründet: Häuser, in denen Alt und Jung, Senioren unter sich, aber auch nicht Behinderte mit Behinderten oder allein Erziehende mit Singles jeden Alters unter einem Dach wohnen. Viele dieser Projekte werden privat initiiert und sind daher den Kommunen nicht umfassend bekannt. Eine Studie von Bertelsmann und dem Kuratorium Deutsche Altershilfe beziffere die Zahl der Wohnprojekte auf 200, so Matzke. Die Praktikerin geht hingegen von einer deutlich höheren Zahl aus.

Trauer um Verstorbene, Freude über Nachwuchs

Die Bewegung für alternatives Wohnen ist in den 80er Jahren entstanden. Mittlerweile erhalten Projekte dieser Art zunehmende Anerkennung. So gibt es heute in jedem Bundesland eine Beratungsstelle. Diese Stellen helfen bei der Auswahl eines geeigneten Wohnprojektes, aber auch bei der Gründung.

Diese kann vom Bauministerium NRW gefördert werden. Der barrierefreie Umbau wird mit dem Programm "BestandsInvest" unterstützt. Außerdem gibt es ein Förderprogramm für Gruppen, die sich zu einer Genossenschaft zusammenschließen. Diese können Unterstützung für Beratungs- oder Moderationsleistungen erhalten. Gruppen, deren Mitglieder bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten, können Gelder aus der sozialen Wohnraumförderung beantragen.

Für Boden war der Umzug ins Haus Mobile der richtige Schritt. Anstatt in der eigenen Wohnung zu vereinsamen, teilen die Bewohner des Hauses Freud und Leid. "Sicher, wir hatten hier auch schon einige Todesfälle zu betrauern, aber wir freuen uns auch gemeinsam, wenn wieder ein Baby geboren wird."

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