Wohnen in Zeiten des Wandels:Wohnungsbau in der Zukunft

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Die Bayerische Architektenkammer macht auf eine drängende gesellschaftliche Herausforderung aufmerksam.

Von Hans Kratzer

Das Bahnhofsviertel der Stadt Hof ist ein klassisches Gründerzeitquartier. Allerdings ist das 73 Hektar große Gebiet auch ein sozialer Brennpunkt mit allen Problemen der sich rasant verändernden Gesellschaft. In den zum Großteil maroden Altbauten leben fast 30 Prozent Migranten, die Aussiedler aus Russland und Kasachstan noch nicht mit eingerechnet. Verschiedene Sprachen und Kulturen sowie unterschiedliche Lebensstile treffen unmittelbar aufeinander.

Rotes Portal: Detail in der Stadt Hof (Foto: Foto: Archiv)

Geradezu exemplarisch zeigt dieses Hofer Stadtviertel, dass der demographische und gesellschaftliche Wandel auch den künftigen Wohnungsbau stark beeinflussen und herausfordern wird.

Kein Wunder also, dass die Modernisierung und neue Zweckbestimmung alter Wohnungsbestände in der Architektur mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Folgerichtig stellte die Bayerische Architektenkammer dieses Thema bei dem von ihr und der Obersten Baubehörde veranstalteten Wohnprojektetag 2007 in den Mittelpunkt.

Immer älter

Die zentralen Fragen lauteten dabei, ob es vor dem Hintergrund einer alternden und immer heterogener werdenden Gesellschaft neue Lösungen für das Zusammenleben der Generationen, für unterschiedliche Wohnbedürfnisse und für die Koexistenz verschiedener Lebensstile gibt. Die vorgestellten Projekte aus Bayern gaben dabei durchaus Anlass zu einem Fünkchen Hoffnung - allerdings sind die Herausforderungen nicht gering.

Das zeigte vor allem das Referat des Soziologen Walter Siebel, der im Wohnungsbau kein Allheilmittel für die Probleme des demographischen und gesellschaftlichen Wandels sieht. Die Antworten, die seit den 20er Jahren formuliert worden seien - der soziale Wohnungsbau und die Wohnung für die Kleinfamilie - reichten heute nicht mehr aus, sagte Siebel. Die Wohnweisen seien durch die Ablösung des traditionellen Familienmusters immer differenzierter geworden.

Urbane Attraktion

Siebel prophezeite eine neue Attraktivität der Stadt, deren Sozialstruktur sich dadurch ändern werde. In Zentren wie München, Nürnberg und Augsburg werden wieder mehr Menschen vom Speckgürtel zurück in die Innenstadt ziehen. Im Wohnungsmarkt des Umlands werde es deshalb Leerstände geben, was Konsequenzen für die Immobilienpreise habe.

Innenstaatssekretär Jürgen W. Heike gab sich angesichts dieser Probleme optimistisch. "Bayern setzt auf Konzepte, die robust sind für Veränderungen und zur Nachahmung anregen", sagte er. Vor allem plädierte er für flexible Grundrisse im Wohnungsbau. Für ein möglichst eigenständiges Leben im Alter sei es wichtig, dass die Wohnung den dann bestehenden Bedürfnissen entspreche.

Vor allem wurde auf dem Symposium hervorgehoben, dass altersgerechte Wohnungen barrierefrei sein sollen. Da aber 87 Prozent aller Wohnungen älter als 15 Jahre seien, müssten viele erst angepasst werden, damit die Bewohner so lange wie möglich darin leben können. "Das ist eine der größten Zukunftsaufgaben für die Wohnungs- und Bauwirtschaft", sagte die Stadtplanerin Susanne Edinger.

In Bayern wird der in diese Richtung weisende experimentelle Wohnungsbau seit den 80er Jahren gefördert. Eines der Modellvorhaben trägt den Namen "Wohnen in allen Lebenslagen" und soll sowohl Privatheit als auch Wege zu gegenseitiger Unterstützung ermöglichen.

Umgesetzt werden solche Pilotprojekte zum Beispiel in Straubing, wo Alten-WGs in zentraler Lage errichtet werden, und in Würzburg, wo gerade ein Wohnhof mit altengerechten Wohnungen gebaut wird. In Augsburg wird ein denkmalgeschütztes Gebäude im Herzen der Stadt alten- und familiengerecht umgestaltet.

Optimistisch stimmte auf dem Symposium auch das erfolgreiche Quartiermanagement für die 5400 Bewohner des Bahnhofsviertels in Hof. Durch soziale Projekte wie Sprachkurse und ein eigenes Bürgergremium verbesserten sich die Lebens-, Berufs- und Wohnperspektiven für Migranten erheblich, vor allem für Frauen und Mädchen.

© SZ vom 15. 11. 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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