Wohnen in der Zukunft:Das Dach über dem Kopf und die Insignien von Wohlstand

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Ein starkes Stück, was uns in nächster Zeit in den eigenen vier Wänden so alles erwartet: Die Prognosen des Zukunftsinstituts Kelkheim lassen aufhorchen.

Lars Klaaßen

Mit dem Wohnen ist es so eine Sache: Wann und wie macht man das überhaupt? Mittags kochend in der Küche, abends mit einem Glas Rotwein auf der Couch, nachts schlafend im Bett?

Wohnen, zu Hause sein, sich wohl fühlen - das ist nicht so leicht, wie es sich anhört - erst recht in der Zukunft. (Foto: Grafik: Zukunftsinstitut)

In Eckart Henscheids Roman "Geht in Ordnung - sowieso - - genau - - -" wird der "Privatier" Herr Rösselmann als "begnadeter Wohner" vorgestellt - ohne dass der Autor jemals Näheres über dessen Metier verrät.

Ein Blick zurück zu den Wurzeln bringt ein wenig Licht ins Dunkel. Die eigentliche Bedeutung des Wortes, das schon aus dem Altgermanischen und Gotischen überliefert ist, meint "nach etwas trachten", "gern haben". Daraus entwickelte sich später "gefallen finden", "zufrieden sein", "sich gewöhnen" und schließlich die heutige Bedeutung im Sinne von "zu Hause sein".

Rasanter Wandel der eigenen vier Wände

Das klingt einfach. Aber von wegen: Die vermeintlich simple Tätigkeit ist einem rasanten Wandel unterworfen. Sie spiegelt komplexe gesellschaftliche Veränderungen wider. Die Studie "living in the future - Die Zukunft des Wohnens" entwirft ein Bild davon, was uns in naher Zukunft in den eigenen vier Wänden erwartet.

Harry Gatterer und Cornelia Truckenbrodt, Spezialisten aus dem Bereich Lifestyle, Architektur und Wohnen von der Lifestyle Foundation, haben im Auftrag des Zukunftsinstituts einen großen Bogen geschlagen: Ein kurzer historischer Rückblick verdeutlicht zunächst, dass unsere heutige Art zu wohnen ein recht junges Phänomen, ein Bestandteil neuzeitlicher, bürgerlicher Kultur ist.

Einerseits Refugium, anderseits Durchgangsstation

So wie sich bisher schon vieles verändert hat, wird uns auch künftig einiges Neues ins Haus stehen. Die kommenden Trends sind widersprüchlich: Zum einen prognostiziert das Autorenduo, dass die Wohnung künftig als Rückzugsort Bedeutung gewinnt. Weil die Außenwelt immer komplexer wird, soziale Unsicherheit um sich greift, erlangen die eigenen vier Wände einen gesteigerten Wert.

Die komplexe Außenwelt erfordert von vielen ein hohes Maß an Flexibilität, auch regelmäßige Umzüge wegen des Jobs. Das Heim wird mobiler, das Leben nomadischer. Zugleich wird der Intimbereich des Heims immer stärker von außen durchdrungen: "New Work" nennen die Autoren die Entwicklung, dass immer mehr Menschen teilweise oder gänzlich zu Hause ihrer Arbeit nachgehen. Technologien, die das Home Office möglich machen, bescheren uns auch privat neue Möglichkeiten: Die Einkaufstour der Zukunft kann im Wohnzimmer gemacht werden.

Scheinbare technische Utopie

So wie Waschmaschine, Fernbedienung und Internet schon jetzt unseren Alltag verändert haben, wird es bald auch das "smarte" Eigenheim tun. Das Haus der Zukunft lässt sich sowohl von innen als auch mobil aus dem Auto steuern, Einstellungen von Heizung und Geräten auch bei körperlicher Abwesenheit verändern. "In den Labors der Technologie-Entwickler basteln Freunde der Zukunft an scheinbar utopischen Gerätschaften:

vom 'Dishmaker', der zu Hause täglich die Anzahl an recycelbaren Wegwerf-Tellern produzieren kann, die man gerade braucht, bis zum 'smart spoon', dem Löffel, der analysiert, was mit ihm gerührt wird, Kochtipps gibt und Rezepte speichert", prognostizieren Gatterer und Truckenbrodt.

Wer sich mit der Handhabung von technischen Geräten schnell überfordert fühlt, braucht sich deshalb aber keine Sorgen zu machen. Die kommenden Helferlein werden laut Studie - anders als in vielen heutigen Fällen - Menschen entlasten, sie also in Ruhe lassen, statt mit Bedienungsfragen zu belästigen. Technik, so das Autorenduo, werde nicht mehr um ihrer selbst Willen eingesetzt.

Reduktion statt Stress

Stattdessen funktioniere sie ohne fremdes Zutun, unbemerkt im Hintergrund. Weil die Welt schon stressig genug ist, heißt das Ziel im Privatbereich Reduktion. Das gilt nicht nur für die Technik, sondern auch im Design. Doch auch hier macht die Studie Widersprüche aus, ein "Style-Paradox".

Da Technik und Wohlstand den meisten Menschen (fast) alle materiellen Bedürfnisse erfüllen und zugleich die Außenwelt uns mit Reizen überflutet, rücken andere Werte in den Vordergrund. "Simplify-Trends" seien Ausdruck dieser Entwicklung, so die Studie. Zeichen dieser "immateriellen Sinnorientierung" sei, wegzulassen, was nicht wichtig ist.

Traditionen werden zu neuen Stilen: "Glocal Style"

Ganz so einfach geht's dabei allerdings nicht. Nach wie vor wird es kurzfristige Moden geben, mit denen auch im Wohnbereich Akzente gesetzt werden. Dieses Phänomen nannten die Autoren "Flow-Design". Auch die steigende Wertigkeit von Natur wird sich im Design, bei der Architektur und im Lebensraum widerspiegeln.

Den "Glocal Style" wiederum definiert die Studie als Zeichen einer ebenfalls bereits begonnenen kulturellen Entwicklung - zwischen Globalisierung und gleichzeitiger Besinnung auf lokale Eigenheiten: "In unserer hybriden Welt vermengen sich diese Traditionen zu neuen Stilen."

Wer es sich leisten kann, wird auch in Zukunft Wert auf "Veredelung" legen. Das heißt: "Insignien von Wohlstand drücken sich in klaren und teils mutigen Formen aus. Qualität, Designbewusstsein und Kennerschaft spielen eine Rolle", so das Autorenduo. "Der 'Hauch der Oberklasse' ist hier unverkennbar. Die bewusste Abgrenzung zur Masse wird zelebriert und ein Arrangement der zeitgeistigen Möglichkeiten geboten. Alle Details sind perfekt abgestimmt und ergeben den sichtbaren Unterschied."

Denn der soll schon sein, schließlich gilt es in einer individualisierten Gesellschaft, der eigenen Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen. Von Menschen, die auch in Zukunft froh sind, mit einem Dach über dem Kopf die nötigsten Bedürfnisse befriedigen, bis zu jenen, die materieller Sorgen entbunden sind, haben Gatterer und Truckenbrodt eine Typologie der Zukunftswohner entworfen. Das Spektrum reicht von der Sinnsuche in gemeinschaftlichen Lebensformen, über Individualisten und Selbstverwirklicher.

Am Ende der Studie wird der "Spiritual Inhabitant" vorgestellt, sein Credo ist gleichsam würdiges Schlusswort: "Wohnen ist das Ergebnis - vom Materiellen zum Höheren."

Die Studie "living in the future - Die Zukunft des Wohnens" kann unter www.zukunftsinstitut.de für 150 Euro bestellt werden.

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