Wohnen im Parterre:Geschätzt von Familien und Rentnern

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Sie werden häufiger ausgeraubt und Passanten gucken einem direkt ins Schlafzimmer: Parterre-Wohnungen haben einen schlechten Ruf. Dabei haben sie durchaus ihre Anhänger. Man muss nur wissen, worauf man sich einlässt.

Familie Mollheimer aus Wiesbaden weiß ihre Parterrewohnung zu schätzen - und zwar seit 30 Jahren. "Erst war es praktisch mit den beiden Kindern, dass wir nicht immer alles mehrere Stockwerke hoch schleppen mussten", erinnert sich die 64-jährige Ingrid Mollheimer. "Jetzt ist es unser Hund Sony, der die Treppen nicht mehr schaffen würde. Und wir werden ja auch nicht jünger", sagt Mollheimer.

Parterre-Wohnungen haben spezielle Interessenten. (Foto: Foto: dpa)

"Parterrewohnungen haben ganz einfach ihre eigene Zielgruppe", sagt Jürgen Michael Schick vom Immobilienverband Deutschland (IVD) in Berlin. Besonders beliebt seien sie bei älteren Menschen, bei Familien mit Kindern, und wenn sie teilgewerblich genutzt werden. "Gerade wer Kundenkontakt hat, wählt oft eine Parterrewohnung", sagt Schick. Ältere Menschen scheuen die Treppen zu höheren Etagen, und für Familien gibt es gleich eine ganze Menge guter Gründe.

"Die Lärmbelästigung nach unten fällt weg", gibt Schick zu bedenken. Das lasse viele Eltern entspannter leben. "Wer einmal Kinder mit Bobby-Car oder mit Rollschuhen über den Dielenboden hat fahren hören, weiß, wie sehr das auf die Nerven gehen kann", sagt der Immobilienexperte. Zudem müssten Einkäufe für die Großfamilie, Kinderwagen und Roller nicht mehrere Etagen getragen werden.

Nicht grundsätzlich billiger

"Außerdem haben viele Parterrewohnungen auch direkten Zugang zu einem Garten, was für viele ein großer Pluspunkt ist", fügt Stefan Diepenbrock von der Eigentümer-Schutzgemeinschaft Haus & Grund in Berlin hinzu.

Vor allem räumen die Immobilienexperten mit weit verbreiteten "Denkgesetzen" auf - zum Beispiel, dass Erdgeschosswohnungen grundsätzlich billiger sind. "Was die Miete angeht, gibt es überhaupt keinen Unterschied, ob es sich um eine Wohnung in Parterre oder weiter oben handelt", stellt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund in Berlin klar.

Ebenso sei es eine Mär, dass grundsätzlich die Erdgeschossbewohner für das Schneefegen oder Straßenkehren zuständig seien. "Eine solche Verpflichtung gibt es nicht, es sei denn, im Mietvertrag ist etwas anderes festgelegt", sagt Ropertz.

"Viele fühlen sich in dem untersten Geschoss nicht so sicher", erklärt Ropertz weiter. Statistiken aber belegten, dass Einbrecher in der Regel bevorzugt höher gelegene Wohnungen ausräumen. "Vor allem machen sich Diebe nur ungern an Wohnungstüren zu schaffen, an denen jeder Mieter, Besucher und Postbote vorbeikommt", gibt Schick zu bedenken. An Fenstern und Balkontüren versuchten sich gerade in der Stadt zur Straße hin sowieso nur die wenigsten Einbrecher - schon gar nicht am helllichten Tag.

"Insgesamt kommt es aber auch auf den Standort der Wohnung an", räumt Diepenbrock ein. Auf dem Land mache es kaum einen Unterschied, weil entweder der Bürgersteig gar nicht direkt am Haus vorbeiführt und gerade bei neueren Häusern selbst die Erdgeschosswohnungen und vor allem die Fenster nicht ebenerdig seien. "Bei Altbauten in den Großstädten kann das schon etwas anderes sein", schränkt er ein.

Oft dunkel und auch fußkalt

Wenn nicht die leichte Einsehbarkeit als Manko so mancher Erdgeschosswohnung empfunden wird, so sei es mitunter die Dunkelheit. "Hier in Berlin kommen durch die Hinterhöfe tatsächlich oft nur wenige Sonnenstrahlen in die Parterrewohnungen", sagt Diepenbrock.

Als weiteren vermeintlichen Nachteil nennen die Wohnungsfachleute, dass an einer Parterrewohnung eben alle anderen Mieter vorbei müssen. "Da kann die Lärmbelästigung schon höher sein", sagt Diepenbrock. Und auch wenn die Kehrwoche selbst in Süddeutschland gar nicht mehr so verbreitet ist, müssen die Erdgeschossbewohner, wenn sie denn für die Treppenhausreinigung vor ihrer Wohnungstür zuständig sind, schon den Dreck von allen Bewohnern wegmachen.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Heizen. "Auch wenn es hervorragende Isolierungen gibt, sind gerade Altbauwohnungen im Parterre durch die unbeheizten Keller manchmal ganz schön fußkalt", erklärt Diepenbrock. Trotzdem - und da sind sich die Wohnungsexperten einig - sind Parterrewohnungen in der Regel nicht schwerer zu vermieten.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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