Wohnen im Alter:Ruhesitz mit Gleichgesinnten

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Altenheime passen sich den Wünschen an und spezialisieren sich auf Berufe oder Lebenseinstellungen ihrer Bewohner.

Mehr als eine halbe Million Deutsche leben in Altenheimen - doch längst nicht alle in gewöhnlichen.

Angekommen: Wenn Seemänner alt werden, finden sie ihren Alterssitz im "Fallen Anker". (Foto: Foto: Photodisc)

Es gibt Spezialheime für alternde Künstler, erschöpfte Seefahrer oder ergraute Mönche. Zahlreiche Initiativen wollen weitere Häuser für ausgewähltes Klientel gründen, zum Beispiel ein Altersheim für Homosexuelle in Frankfurt.

Alt werden mit Gleichgesinnten

"Der Trend zu Spezialheimen nimmt zu", sagt der Soziologe Wilhelm Frieling-Sonnenberg, Leiter des privaten Instituts für angewandte Alters- und Gesundheitswissenschaften in Hamburg. "Auch im Alter bleiben die Menschen am liebsten unter ihresgleichen".

Ein Ort für Bühnenkünstler

Das Marie-Seebach-Stift in Weimar nimmt seit 1895 alternde Bühnenkünstler auf. Als Schauspieler, Tänzer oder Musiker standen die 43 Bewohner einst im Rampenlicht, manche von ihnen spielen noch heute. "Bei uns ist der Heimalltag von Kunst und Kultur geprägt", berichtet Leiterin Doris Jacob. Stolz ist sie vor allem auf das Freizeitangebot: Mehrmals pro Woche organisiert Jacob im Festsaal Lesungen und Konzerte, gelegentlich schauen Stars wie Mario Adorf vorbei und geben kostenlose Vorstellungen für die alten Kollegen.

Ein Platz für Seefahrer

Spezialhäuser für besondere Berufe und Berufungen sind gefragt: Ehemalige Seefahrer freuen sich über einen Platz im Hamburger Altenheim "Fallen Anker".

Ein Platz für Mönche

Ergraute Mönche verbringen ihren Lebensabend in der Pflegeeinrichtung der Franziskaner in Warendorf bei Münster.

Rücksicht auf Behinderungen

Auch auf bestimmte Behinderungen haben sich Heime spezialisiert, was häufig besondere Anforderungen an das Personal mit sich bringt.

Die Angestellten im Hamburger Heim für Taubstumme müssen zum Beispiel in hausinternen Schulungen die Gebärdensprache lernen, erzählt Leiterin Angelika Osbahr. In Wiesbaden und Nürnberg kümmern sich Pfleger ausschließlich um blinde Senioren; andere Einrichtungen haben sich auf Alzheimer- oder Multiple Sklerose-Patienten spezialisiert.

Glaubensfrage

Neben Häusern der Zeugen Jehovas oder der Freidenker gibt es in Deutschland auch sechs jüdische Altenheime. Die haben häufig mit besonderen Problemen zu kämpfen, wie Leo Friedman erklärt: "Viele Traumata von Holocaust-Überlebenden treten besonders im Alter hervor", sagt der Leiter des Altenheims der jüdischen Gemeinde in Frankfurt. Dann würden viele Menschen ihr Kurzzeitgedächtnis verlieren und nur noch in der Vergangenheit leben.

Im jüdischen Altenheim in Frankfurt gibt es nicht nur koschere Küche und eine hauseigene Synagoge - sondern auch einen jüdischen Psychologen.

Gegner der Spezialisierung

Doch nicht alle Experten verfolgen die Spezialisierung mit Freude. "Ich sehe diese Entwicklung kritisch", sagt Martin Krause aus Braunschweig vom Deutschen Verband der Leitungskräfte von Alten- und Pflegeeinrichtungen.

Auch normale Heime sollten seiner Ansicht nach so tolerant sein, Randgruppen wie Schwule zu integrieren. Walter Curkovic-Paul dagegen hält das nicht für möglich. Seit zwei Jahren wirbt der Vorsitzende des Frankfurter Vereins "AltenpfleGAYheim" für ein Haus für Homosexuelle. "In gewöhnlichen Pflegeheimen werden schwule und lesbische Bewohner diskriminiert", behauptet Curkovic- Paul.

(sueddeutsche.de/ dpa - Marc Widmann)

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