Wohnen im Alter:Am Bedarf der Senioren vorbeigebaut

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Exklusive Anlagen stehen leer. Knapp sind dagegen Plätze in Pflegeeinrichtungen.

Simone Groeneweg

(SZ vom 20.08.2002) Seniorenwohnungen erscheinen auf den ersten Blick als zukunftsträchtige Geldanlage, denn die Zahl der alten Menschen nimmt stetig zu. Die Branche ist jedoch ernüchtert: Viele Anbieter werden ihre exklusiven Altenwohnungen nicht los. Dafür steigt der Bedarf an Pflegeeinrichtungen.

Anleger, die in einer Altenwohnung einen sicheren Hafen für ihr Erspartes erhofften, werden sich nach einigen Erkundigungen eher verschreckt zurückziehen. Prominente Pleitefälle verunsichern potenzielle Investoren. So musste Refugium, ein börsennotierter Betreiber von Altenwohnungen, Insolvenz anmelden. Dasselbe Schicksal ereilte auch Rentaco. Selbst kirchliche Einrichtungen sind in finanzielle Nöte geraten.

Zu viel Exklusivität

Vor allem die Idee, dass Senioren ihren Lebensabend in Luxuswohnungen verbringen würden, habe etliche Berater, Betreiber und Bauträger in den Ruin geführt, sagt Johanna Eckert-Kömen, Branchenanalystin bei der IKB Deutsche Industriebank. Sie bauten überteuerte Wohnungen und damit am Bedarf vorbei.

"Die Preise waren zum Teil exorbitant - manchmal wurden 3000 bis 4000 Euor pro Quadratmeter verlangt", sagt Frank Löwentraut, Geschäftsführer von Axion Consult, einer Gesellschaft, die in der stationären Pflege und beim Betreuten Wohnen berät. Das Interesse nach exklusiven Altenwohnungen hält sich jedoch in Grenzen. Das monatliche Rentner-Budget ist nun mal begrenzt.

Leere Wohnungen, volle Heime

Während in den bundesweit rund 3600 Seniorenresidenzen etliche Wohnungen leer stehen, sind Plätze in Pflegeeinrichtungen durchaus gefragt. Und der Bedarf wird steigen. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dürfte es in Deutschland im Jahr 2020 rund eine Million mehr pflegebedürftige Personen geben - eine Zunahme um mehr als 50 Prozent.

Die Betten in den schätzungsweise 8100 Pflegeheimen sind derzeit im Schnitt bis zu 90 Prozent ausgelastet. Wenig verwunderlich, dass nun Objekte mit Pflegeplätzen stärker in den Fokus der Investoren rücken.

Seniorenwohnung als Anlage

Zu Recht, sagen die Experten. "Der Markt für Seniorenimmobilien wächst immer noch um ein bis drei Prozent pro Jahr", sagt Carsten Brinkmann, Geschäftsführer der auf Seniorenimmobilien spezialisierten Terranus/Tagos-Gruppe, die institutionelle Investoren und Kreditinstitute berät. Jährlich werden im Bereich rund 14 Milliarden Euro umgesetzt. "Gut geführte Einrichtungen können durchaus eine Rendite von sechs bis acht Prozent bringen", ergänzt er. Manche Projekte werden als geschlossene Fonds aufgelegt. Bei anderen Anbietern können Anleger direkt eine Wohnung erwerben.

Kennzeichen für passende Wohnungen

Der Markt ist jedoch extrem unübersichtlich. In der Branche tummelt sich eine Vielzahl von kleineren Bauträgern und Betreibern. Hinzu kommt, dass sich auf den ersten Blick nur schwer erkennen lässt, ob ein geplantes Projekt gut durchdacht ist oder ob eine Einrichtung solide geführt wird. "Es reicht nicht, dass ein ehemaliger Pfleger sich selbstständig macht und mal eben Betreutes Wohnen anbietet", warnt Stefan Weinz, Geschäftsführer der Procon Unternehmensgruppe in Wiesbaden.

Betreiber solcher Einrichtungen müssten die gesetzlich geforderten Qualitätsansprüche erfüllen.

50 Prozent der Mitarbeiter müssen etwa Fachkräfte sein.

Stellen die Aufsichtsbehörden oder die Pflegekassen bei unangemeldeten Kontrollen Mängel fest, werden die Entgelte rückwirkend gekürzt oder der Betrieb geschlossen. Ein finanzielles Desaster für den Investor.

Referenz-Adressen

Um solchen üblen Erfahrungen vorzubeugen, sollte der Anleger beim Kauf einer Seniorenwohnung darauf achten, dass der Betreiber professionell arbeitet. "Der Anbieter sollte möglichst schon längere Zeit Erfahrung in der Branche gesammelt haben. Noch besser ist es, wenn er mehrere Heime betreut", rät die Immobilienexpertin Eckert-Kömen.

Die richtige Wahl

Wichtig ist, dass es eine Pflegestation im Haus gibt. "Viele Rentner ziehen erst im Alter von 80 Jahren in Senioreneinrichtungen. Etliche sind dann schon pflegebedürftig. Einrichtungen ohne eigene Pflegestation gehen also am Markt vorbei", berichtet Brinkmann.

Weiteres Kriterium bei der Auswahl ist die vorhandene Infrastruktur. "Mit Bus und Bahn sollten die Einrichtungen gut zu erreichen sein. Geschäfte, die die Bedürfnisse des täglichen Lebens abdecken, und Freizeiteinrichtungen müssen ebenfalls direkt vorhanden sein", so Löwentraut.

Der Kaufpreis für ein Objekt sollte möglichst nicht mehr als 20 Prozent über den ortsüblichen Preisen liegen. "Dieser Preisaufschlag ist begründet, weil die Wohnungen barrierefrei gebaut sind. Das heißt sie haben breitere Türen, keine Stufen und keine Wannen", erklärt Johanna Eckert-Kömen.

Unter Umständen sei eine solche Wohnung als Kapitalanlage für junge Leute interessant, sagt Heike Nordmann, Expertin für seniorengerechtes Wohnen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Ein Kauf könne auch Sinn machen, wenn man direkt selbst in die Wohnung einzieht. Problematisch werde es jedoch, wenn man das Objekt nur für wenige Jahre zwischenvermieten wolle, warnt die Verbraucherschützerin. Für einen kürzeren Zeitraum werde man jedoch nur schwer einen Mieter finden, denn die wollten schließlich ihren Lebensabend dort verbringen.

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