Woher unser Geld kommt:Wie Banken Gespenster vertreiben

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Mehrere 100 Milliarden Euro hat die Euro-Notenbank in den Markt gepumpt, um eine mögliche Finanzkrise abzuwenden. Warum die Aktion Börsianer beruhigt - und wir doch nicht mehr Geld im Portemonnaie haben.

Ansgar Siemens

Der ständige Begleiter deutscher Wirtschaftspolitik besteht nicht aus Fleisch und Blut. Er hat mehr als 80 Jahre auf dem Buckel und ist doch so jung wie am ersten Tag. Er ist ein Gespenst. Das Gespenst der Inflation.

Euro-Münzen darf nur die Notenbank prägen. (Foto: Foto: dpa)

In die Welt kam es im Jahr 1923, als Deutschland wirtschaftlich kollabierte: Ein Stück Brot kostete Millionen, am nächsten Tag Milliarden. Sparguthaben lösten sich in Luft auf, die Menschen litten Hunger. Geld war nichts mehr wert. Der Staat hatte die Druckerpressen angeworfen und warf Banknoten zum Fenster raus.

So viel Geld wie nötig - und nicht mehr

Damit das Gespenst nicht unheilvoll ins Leben findet, gibt es auf der Welt Notenbanken. In der Eurozone ist es die Europäische Zentralbank (EZB). Sie soll dafür sorgen, dass die Wirtschaft so viel Geld bekommt wie sie braucht - und nicht mehr.

Wie genau schafft das Geld den Weg in das Portmonnaie der Verbraucher, die es mühsam erarbeiten müssen? Und was bedeutet es, wenn die Notenbanken, wie jüngst passiert, binnen weniger Tage mehr als 100 Milliarden Euro auf den Markt werfen?

Frisches Geld kommt in den Umlauf, wenn Geschäftsbanken wie etwa die Deutsche Bank sich zu einem Zinssatz Geld bei der EZB leihen - meist für eine Woche. Experten sprechen vom Zinstender. Die Notenbank kann die Nachfrage steuern:

Sind die Zinsen hoch, leiht die Deutsche Bank wenig Geld - und umgekehrt. Außerdem wird die Geldmenge festgelegt, die an einem Termin maximal geliehen werden kann.

Die Banken wollen immer Darlehen von der Zentralbank - dafür sorgt schon die EZB selbst, indem sie den Geschäftsbanken die so genannte Mindestreserve abknöpft, also Geld, das die Geschäftsbanken bei der Zentralbank deponieren müssen.

Um überhaupt mit der Euro-Notenbank ins Geschäft zu kommen, müssen die Geschäftsbanken Sicherheiten verpfänden, etwa eigene Staatsanleihen. Der Deal geht über die Bühne, sobald die EZB ihren Kunden Buchgeld überweist. Die Geschäftsbank hat damit einen Kredit aufgenommen, den sie binnen einer Woche bei der EZB tilgen muss.

Vom Zinstender zum Schnelltender

Die Geschäftsbank selbst verleiht das Geld an Firmen, Verbraucher und Konkurrenten zu einem etwas höheren Zinssatz. Vom Guthaben bei der Zentralbank kann das Institut jederzeit Bares abheben. Denn Euronoten und -münzen darf nur die EZB drucken und prägen.

Die jüngste Rettungsaktion der Euro-Notenbank war außergewöhnlich. Das Problem: Die Geschäftsbanken, also die Kunden der Zentralbank, wollten kein Geld mehr verleihen. Sie hatten Angst. Vorher waren milliardenschwere Fonds zusammengebrochen. Die Banken befürchteten, sie würden ihr Geld nach Kreditvergabe nicht wiedersehen. Also machten sie die Schotten dicht.

Der Geldstrom drohte zu versiegen: Die Euro-Notenbank wollte zwar Geld verleihen - die Geschäftsbanken aber bevorzugten Cash. Kunden der Geschäftsbank hätten vielleicht Aktien verkaufen müssen, um an Geld zu kommen. Alarmstufe rot für die Börsen.

Um die Geschäftsbanken zu animieren, Geld nicht zu horten, bot die Euro-Notenbank besondere Konditionen an: Geld im Sonderangebot, zu niedrigeren Zinsen, für einen Tag. Der Zinstender wandelte sich in einen sogenannten Schnelltender.

Rückzahlung schon am nächsten Tag fällig

Am nächsten Tag schon mussten die Banken die Darlehen an die Euro-Notenbank zurückzahlen. In den Portemonnaies der Verbraucher wird daher nicht plötzlich mehr Geld ankommen.

Zwar können auch die Geschäftsbanken Geld schaffen - das sogenannte Geschäftsbankengeld. Es entsteht im Wesentlichen dadurch, dass die Geschäftsbanken Kredite vergeben. Genau genommen handelt es sich dabei zwar nur um Geldforderungen.

Da sie aber auf Bargeld lauten, wirken sie genauso wie ein Zahlungsmittel. Diese Form der Geldschöpfung kam bei der jüngsten Hilfsaktion der Euro-Notenbank indes kaum zum Tragen. Dazu war sie mit ihrer schnellen Rückzahlungsverpflichtung zu kurzfristig angelegt.

Der EZB ging es bei ihrem Rettunsakt nicht um eine nachhaltige Erhöhung der Geldmenge. Entscheidend war das Signal: Die staatlichen Institutionen sind stark genug, einen Kollaps an den Börsen zu verhindern.

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