Weniger ist Mehrwert:Schwäbisch, again

Lesezeit: 2 min

Mit der Rückkehr zu den Wurzeln verfällt das Stuttgarter Traditionsunternehmen wieder in die Tugend der Sparsamkeit.

Dagmar Deckstein

Alles zurück auf Anfang. Aus dem sich einst großmächtig als weltumspannender Autokonzern gerierenden Unternehmen DaimlerChrysler wird in wenigen Monaten wieder jener Stuttgarter Autobauer, der fast 20 Jahre lang den verlustträchtigen Visionen zweier Konzernchefs zum Opfer gefallen war: Edzard Reuters wollte einen integriertem Technologiekonzern und Jürgen Schrempps plante die Welt AG.

Auf dem Rückweg zu den Wurzeln, auch Konzentration aufs Kerngeschäft genannt, verfällt das Stuttgarter Traditionsunternehmen in die schwäbische Tugend der Sparsamkeit. Die geht sogar so weit, dass sich DaimlerChrysler im Herbst auf einer außerordentlichen Hauptversammlung nicht in die frühere Daimler-Benz AG, sondern nur noch schlicht in Daimler AG umbenennen will. Sogar Mit-Firmengründer Karl Benz wird eingespart.

Diese Sparsamkeit geht weiter im Vorstand, der von neun auf sechs Mitglieder verkleiner werden wird, weil man sich von den Chrysler-Managern Tom LaSorda, Eric Ridenour und Thomas Sidlik trennt, die summa summarum im vergangenen Jahr sechs Millionen Euro verdienten. Obendrein schloss Vorstandschef Dieter Zetsche nicht aus, dass nach dem Chrysler-Verkauf noch einige weitere Managerstellen im Konzern wegfallen könnten, auch wenn er gerade erst 6000 Mitarbeiter im Rahmen seiner Sparstrategie nach Hause geschickt hatte.

Kraft für Mercedes

Aber auch die Dienste der einst konzerneigenen Fluglinie DaimlerChrysler Aviation, die weitsichtig bereits im Januar verkauft wurde, werden nun kaum noch benötigt. Der Shuttle-Service vom Stuttgarter Flughafen zur Dauerbaustelle in Detroit kann nach dem Chrysler-Verkauf weitgehend eingestellt werden. Ersparnis: um die 40 Millionen Euro.

Ganz zu schweigen davon, dass die Mercedes-Manager, die regelmäßig zum Kriseneinsatz in die USA flogen, sich jetzt wieder mit voller Kraft auf die Edelmarke Mercedes konzentrieren können. Damit dürften peinliche Rückrufaktionen bei den Luxuskarossen wie vor zwei Jahren wegen Qualitätsmängeln der künftigen Daimler AG auch nicht mehr in diesem Ausmaß die Bilanz verhageln. Sehr wahrscheinlich wäre die Kern- und Vorzeigmarke Mercedes ohne Chrysler und die anderen Konzernbaustellen nicht so heftig ins Schlingern geraten.

Dass Größe und Marktbeherrschung nicht das entscheidende Kriterium für den Wert eines Unternehmens, sondern manchmal auch hinderlich ist, dafür ist das Ende der missglückten "Hochzeit im Himmel" beredtes Beispiel. Trotz des Glaubensdogmas der Börsianer, die Fusionen und Übernahmen stets mit formidablen Kurserhöhungen feiern, ist es bei DaimlerChrysler gerade umgekehrt.

Der Konzern findet sich in der bizarren Lage wieder, dass er ohne Chrysler als deutlich wertvoller eingestuft wird als mit dem amerikanischen Sorgenkind im Schlepptau. Schon die Bekanntgabe des Konzerns am 14. Februar, man "prüfe alle Optionen" für Chrysler, also auch den Verkauf, ließ den Aktienkurs Freundesprünge vollführen.

Auf den Tag genau drei Monate später, ließ die Nachricht vom Verkaufsvollzug den Kurs noch einmal ein paar Prozent klettern. Dabei verliert Daimler mit Chrysler 47 Milliarden Euro Jahresumsatz und einen Jahresabsatz von 2,6 Millionen Autos. Als willkommenen Nebeneffekt kann Daimler außerdem verbuchen, dass der Autokonzern, der über keinen schützenden Großaktionär verfügt, ohne Chrysler besser geschützt ist vor Hedge-Fonds-Angriffen als vorher.

Eine gewisse Schlappe bedeutet der Deal mit dem Finanzinvestor für Dieter Zetsche durchaus. Hatte er doch bis 2006 fünf Jahre lang zusammen mit dem heutigen Cerberus-Berater Wolfgang Bernhard die darniederliegende US-Tochter saniert und durfte sich als "Retter von Detroit" feiern lassen. Auf der Pressekonferenz am Montag musste er aber eingestehen, dass Daimler nur begrenzten Nutzen aus der jahrelangen Zusammenarbeit mit Chrysler gezogen habe.

Die Synergiepotenziale seien überschätzt, die möglichen Synergien ausgeschöpft worden, musste er resigniert zugeben. Darüber hinausgehende Möglichkeiten zur Zusammenarbeit seien angesichts der unterschiedlichen Segmente begrenzt. Im Grunde gesteht Zetsche heute ein, was Auguren schon vor vielen Jahren, bei den ersten Krisensymptomen von Chrysler unkten: Billige Massen- und teure Nobelautos passen nicht unters Konzerndach.

So spart sich Daimler künftig auch den ständigen Blick auf den Massenmarkt und kann sich Zetsches Devise widmen: "Wir wollen weltweit Marktführer im Luxussegment bleiben."

© SZ vom 15.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: