Währungsreserven:Chinesen und Araber im Dollar-Dilemma

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Der schwache Dollar bereitet Zentralbanken weltweit Sorge. Viele haben große Dollarreserven und haben nun ein Problem: Behalten sie ihr Geld, müssen sie hohe Kapitalverluste fürchten. Verkaufen sie dagegen, riskieren sie sogar eine Beschleunigung des Wertverfalls.

Moritz Koch

Seit fast einem Jahr befindet sich der Dollar im Abwärtstrend. Allein seit Anfang des Jahres verlor er im Verhältnis zum Euro etwa sieben Prozent - von 0,85 auf 0,79 Euro. Analysten gehen davon aus, dass sich der Wertverlust noch verstärken dürfte.

Im Finanzdistrikt Pekings gehen Passanten an einem Dollar-Poster vorbei. Die Schwäche der US-Währung besorgt die Geldpolitiker des Landes. (Foto: Foto: Reuters)

Der Hauptgrund, sind sich Experten einig, ist die hohe Verschuldung der amerikanischen Wirtschaft. Jüngst haben Spekulationen über ein Ende der Zinserhöhungen in den USA den Druck auf den Dollar erhöht.

Gleichzeitig wird der Euro attraktiver. Beobachter rechnen damit, dass die Europäische Zentralbank bis Ende des Jahres den Leitzins auf 3,5 Prozent hebt.

Viele Staaten beobachten die Entwicklung mit zunehmender Nervosität. In den vergangenen Jahren haben sie Währungsreserven in Rekordhöhe angehäuft - nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) beträgt der Gegenwert 4,347 Billionen Dollar.

Zwar lassen sich nur 2,911 Billionen eindeutig einer Währung und einer Volkswirtschaft zuordnen. Davon werden allerdings 1,93 Billionen, also 66 Prozent, in Dollar gehalten.

Jeder Kursrutsch ein Kapitalverlust

Jeder Kursrutsch bedeutet einen Kapitalverlust für die Staaten, die diese Reserven halten. Vor allem die Chinesen zeigen sich beunruhigt. Kein Wunder: Sie verfügen über die weltweit größten Reserven mit einem Gesamtwert von 941 Milliarden Dollar, davon sind etwa 80 Prozent US-Anlagen.

Angesichts des Dollar-Preisverfalls hat das chinesische Statistikbüro die Zentralbank nun ungewöhnlich deutlich aufgerufen, die Streuung der Währungsreserven zu beschleunigen.

"Solche Aussagen hat es so noch nicht gegeben", sagt Alexandra Bechtel, Asien-Expertin bei der Commerzbank. "Bisher war es ein Tabu, die angehäuften Dollarreserven anzutasten."

Kopplung

Jahrelang wurde die Aufwertung der chinesischen Währung Renminbi durch eine Kopplung an den Dollar verhindert. Die Zentralbank nahm große Mengen Dollar vom Markt und hortete sie, um den Wert gegenüber der Landeswährung künstlich hoch zu halten. Die Strategie förderte den chinesischen Export und beflügelte damit das Wachstum.

Neben der Angst vor Wertverlusten bei den Devisienreserven dürfte die aktuelle Neuorientierung auch darin begründet sein, dass die unerwartet rasant wachsende chinesische Wirtschaft zu überhitzen droht.

Dollarverkäufe würden den Kurs des Renminbi steigen lassen und damit den Export dämpfen. Ministerpräsident Wen Jiabao sprach sich bereits dafür aus, die Flexibilität des Wechselkurses zu erhöhen.

Vorsichtiges Vorgehen

Allerdings wird auf den Finanzmärkten mit einem vorsichtigen Vorgehen gerechnet. Würden die Chinesen zu viele Dollar auf einmal verkaufen, würde das den Wert der verbleibenden Reserven schmälern.

Verstärkt wird der Druck auf den Dollar durch Veränderungen im Nahen Osten. Denn auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Katar haben vor, Teile ihrer Reserven umzuschichten. Gleichzeitig denken die Golfstaaten über eine Währungsunion nach EU-Vorbild nach.

Iran und Russland haben signalisiert, ihre Exporte künftig in Euro abwickeln zu wollen. Dies dürfte die Nachfrage nach dem Dollar verringern und die Position des Euro stärken. Schon heute werden 24 Prozent der identifizierbaren Währungsreserven in Euro gehalten.

Die größte Schuldnernation der Welt

Für die USA birgt eine Dollarschwäche Chancen und Risiken zugleich. Seit Mitte der Neunziger gibt Amerika mehr Geld aus als es einnimmt. Den Fehlbetrag leiht es sich im Ausland - inzwischen netto 2,7 Billionen Dollar. Damit sind die USA die größte Schuldnernation der Welt.

Ein niedriger Dollarkurs wird dazu beitragen, dass die Amerikaner die Lücke in ihrer Leistungsbilanz schließen können. "Eine moderate Dollarabwertung verbunden mit einer Abschwächung der US-Konjunktur wird einen Beitrag dazu leisten, die globalen Ungleichgewichte zu reduzieren", sagt Michael Buchanan, leitender Marktstratege bei Goldman Sachs.

Amerikas Exporte würden an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen und die Deviseneinnahmen steigen. Gleichzeitig würden sich die riesigen Handelsüberschüsse asiatischer Länder reduzieren, weil ihre Produkte in Amerika weniger attraktiv wären. "Dieses Szenario bedeutet zwar ein niedrigeres globales Wachstum, wäre aber immer noch eine Periode der Stabilität."

Angst vor dem "Big Bang"

Die Alternative bezeichnet Buchanan als "Big Bang". Das sinkende Interesse asiatischer und arabischer Staaten an US-Schatzbriefen könnte das Wirtschaftswachstum in den USA zum Erliegen bringen - mit schwer wiegenden Konsequenzen.

Bisher hat der internationale Appetit nach Dollaranlagen zum niedrigen US-Zinsniveau beigetragen. Sollten die Amerikaner ihre Schuldverschreibungen nur noch gegen höhere Zinsen loswerden, könnte das ihre Konjunktur abwürgen. Der wichtigste Motor der Weltwirtschaft würde stottern.

Auch wenn Buchanan die "Big Bang"-Variante für nicht sehr wahrscheinlich hält, rechnet er damit, dass der Dollar innerhalb der nächsten sechs Monate auf 0,73 Euro fallen wird. Für die deutsche Exportwirtschaft wäre das eine schlechte Nachricht.

"Natürlich ist es schwer, pauschal zu urteilen", sagt Niels Oelgart, Währungsexperte vom DIHK. "Aber viele Firmen dürfte schon ein Wechselkurs von 0,76 Euro in Schwierigkeiten bringen."

Rolle als Leitwährung vorerst nicht gefährdet

Trotz der insgesamt trüben Aussichten für die US-Währung sehen die meisten Volkswirte die Rolle des Dollars als Leitwährung vorerst nicht gefährdet.

Nikolaus Keis von der Hypovereinsbank formuliert es so: "Der Dollar bleibt auf absehbare Zeit die Nummer eins, aber das Gewicht wird sich zunehmend in Richtung Euro verschieben."

© SZ vom 01.08.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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