Von Beruf Schwarzseher: James Turk:"Größte Finanzkrise seit Weimar"

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Der amerikanische Ökonom Turk prognostiziert den krisengeschüttelten Finanzmärkten ein jähes Ende - und rechnet mit der Rückkehr des Goldstandards.

Simone Boehringer

James Turk gibt dem Dollar keine drei Jahre mehr. Er legt den Großteil seines Ersparten in Gold an und sieht die größte Wirtschaftskrise seit den 20er Jahren kommen.

(Foto: Foto: AP)

Hätte nicht die Hypothekenkrise in Amerika die Welt gerade aufgeschreckt und eine breite Debatte um die Geldpolitik der Notenbanken entfacht, würden solche Thesen von einem Außenseiter-Ökonomen wie James Turk wohl kaum auffallen.

Doch die wiederholten Geldspritzen der Währungshüter, die damit versuchen, die von Misstrauen geprägten Kreditmärkte am Laufen zu halten, lassen die Aussagen des Einwanderersohnes aus Ohio in anderem Licht erscheinen. "Die Zentralbanken werfen schlechtem Geld gutes in Massen hinterher. Das wird die Inflation anheizen und gefährdet das ohnehin fragile Finanzsystem aufs Äußerste", sagt Turk im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Eigenes Geldsystem

Auch wenn es die freundlich-ruhige und gemütliche Art des zweifachen Familienvaters kaum erahnen lässt: Turk gehört zur Spitze der internationalen Kritikerriege des globalen Finanzsystems.

Im Unterschied zu den meisten Schwarzsehern seiner Zunft hat er seine Sicht der Dinge nicht nur materiell, sondern auch rechtlich abgesichert: Turk hat sich ein eigenes Online-Geldsystem auf Edelmetallbasis namens "Goldmoney.com" patentieren lassen. Immerhin 30.000 Anleger weltweit haben ihm nach seinen Angaben umgerechnet 200 Millionen Euro anvertraut, um damit in Turks "Goldwährung" bezahlen zu können.

Auf dem Weg von seinem Wohnsitz in New Hampshire zu einer Vortragsreise in Mumbay (Bombay) hat der 60-jährige Autor eines vielbeachteten Buches über den "Kollaps des Dollars" (2004) einen Zwischenstopp in München eingelegt und erklärt, warum er die Finanzwelt derzeit so negativ sieht.

"Das Bankensystem hat 20 Jahre Kredite im Überfluss kreiert und damit eine Illusion von Wohlstand geschaffen, der in diesem Maße nie erarbeitet wurde. Jetzt müssen wir den Preis dafür zahlen. Vor allem die Vereinigten Staaten, wo es eine tiefe Rezession geben wird, wahrscheinlich gepaart mit hoher Inflation", ist Turk überzeugt.

Selbst eine Hyperinflation, wie sie in Deutschland 1923 die Reichsmark wertlos machte, hält er vor dem Hintergrund eines inzwischen zweistelligen Geldmengenwachstums in Amerika und Euroland für ein realistisches Szenario. "Auf dem Höhepunkt der Krise in den Zwanzigern waren 17 Prozent der Bevölkerung Berlins damit beschäftigt, Geld zu drucken, zu zählen, zu stapeln und herumzutransportieren.

Genau dasselbe geschieht heute an den Brokertischen in New York. Immer mehr Menschen handeln mit Geld und verbrieften Forderungen aller Art, um die Unzulänglichkeiten des Systems zu überdecken."Die Parallele zur Zeit der Weimarer Republik treibt Turk um: "Als die Leute damals merkten, dass sie für ihr Geld immer weniger bekamen, drückte die Reichsbank mehr Geld in den Markt. Der Gedanke dahinter war genauso simpel wie falsch: Mehr Geld in den Händen der Menschen bedeutet mehr Kaufkraft."

Tatsächlich wichen die Leute immer mehr in Ersatzwährungen wie Zigaretten oder Gold aus oder tauschten gleich direkt Ware gegen Ware. Nach Ansicht Turks "agiert heute die US-Zentralbank ähnlich, nur druckt sie nicht mehr echtes Papiergeld, sondern vergibt neue Kredite und nennt das dann Liquiditätsspritzen".

Das Resultat: "Die großen Dollar-Gläubiger diversifizieren zunehmend ihre Devisenreserven und die Währung verliert ständig an Wert."

Turks Analogien zur jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte kommen nicht von ungefähr. Sein Vater war Österreicher, die Mutter Slowenin. Beide hatten die Hyperinflation Anfang der 20er Jahre am eigenen Leib miterlebt und waren deshalb nach Amerika ausgewandert.

Nach dem Abschluss an der George Washington University 1969 entschied sich Turk zunächst für eine Karriere bei einer Großbank. Für die damalige Chase Manhattan (heute J. P. Morgan Chase) ließ er sich nach Thailand versetzen. Von dort verfolgte er auch die Bankenkrise, die durch der Pleite der Kölner Herstatt-Bank im Jahr 1974 eingeleitet wurde. "Ich fand es unfassbar, dass so eine kleine deutsche Bank mit ein paar Devisen-Fehlspekulationen gleich das ganze Bankensystem erzittern lassen konnte."

Gefragter Ratgeber

Turk begann zu lesen, alles über Geldtheorie und -historie interessierte ihn. 2000 Bücher hat er dazu inzwischen auf seine zwei Wohnsitze in London und New Hampshire verteilt. Hauptberuflich spezialisierte sich Turk in den 70er und 80er Jahren zunehmend auf die Rohstoffmärkte, erst als Händler eines kleineren Brokers, bevor er 1983 in die Vereinigten Arabischen Emirate ging und die Verantwortung über die Geld- und vor allem Edelmetallanlagen der Investmentbehörde in Abu Dhabi übernahm.

1987 zog er sich aus dem Angestellten-Dasein zurück und beschränkt sich seitdem auf das Kommentieren der weltweiten Finanzmärkte. Neben einem regelmäßigen Newsletter ist Turk trotz seiner teils extremen Ansichten auch in den Vereinigten Staaten ein gefragter Interviewpartner. "Money specialist", Geldspezialist, nennen sie ihn beim US-Fernsehen oder auch in Fachmagazinen wie Barrons.

Doch seine fundamentale Systemkritik kann Turk nach fast 40 Jahren im Geld- und Anlagegeschäft und der "derzeit größten Finanzkrise seit Weimar" nicht mehr verhehlen. "Ich glaube, dass wir binnen zehn Jahren ein neues goldgedecktes Währungssystem bekommen werden, weil das herrschende Papiergeldsystem wie die meisten seiner Vorgänger an der mangelnden Disziplin bei der Geldschöpfung zugrunde gehen wird." Heute kostet Gold etwa 700 Dollar je Feinunze. Spätestens 2012 werden es 8000 Dollar sein, glaubt Turk.

© SZ vom 10.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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